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Doch das würde seine Zeit dauern, denn es war nicht leicht, angekettete Gefangene durch den Wald zu schaffen.

An der Austauschstelle sollten die Gefangenen zweifellos an Bord der Schiffe gebracht und als Sklaven nach Tyros geschafft werden. Auch würde man sicher versuchen, Talena ausfindig zu machen und zu erwerben oder zu entführen.

Es wäre ein großer Triumph für die Tyrer, den großen Marlenus in Sklavenketten vor den Rat von Tyros zu führen. Ich konnte mir den Triumphzug durch die Stadt vorstellen.

Doch gefesselte Sklaven kommen nicht schnell voran, auch wenn sie mit der Peitsche angetrieben werden.

Den Männern aus Tyros lag sicher am Herzen, ihre Beute schleunigst zum Meer zu schaffen. Doch zuvor forderten sicher die Panthermädchen ihr Recht. Die kommende Nacht, so vermutete ich, galt den grausamen Riten der Panthermädchen.

Ich kehrte zu meinen vier Sklavinnen zurück, die ich gefesselt und geknebelt zurückgelassen hatte, bevor ich ins Lager gegangen war.

Ich löste die Fußfesseln der Mädchen und setzte mich wortlos in Bewegung. Sie folgten mir ohne Aufforderung. Dabei behielten sie die Knebel im Mund, denn wir waren noch in der Nähe des Feindes. So konnten sie mich nicht verraten.

Ich kehrte in Marlenus’ Lager zurück und nahm dort mühelos die Spur der Tyrer und der Panthermädchen auf. Es war Nacht.

Ich stand auf einem kräftigen Ast, an den Stamm eines Baumes gelehnt, etwa zwölf Meter über dem Boden, von dem aus ich die gesamte Lichtung überschauen konnte.

Es war die Lichtung, die diese Nacht Hura als Tanzkreis dienen sollte. Sie enthielt zugleich das Nachtlager der Tyrer.

Mehrere große Feuer brannten zwischen den Bäumen. Dazwischen lagen gefesselt die Männer des Marlenus. Ein Tyrer saß an einer Trommel und schlug einen monotonen Rhythmus. Panthermädchen eilten stolz über die Lichtung. Der Schein des Feuers erhellte die Baumstämme am Rand der Lichtung.

Innerhalb des vorgesehenen Tanzkreises entdeckte ich Hura, die sich mit Mira unterhielt. Ich hätte beide mit meinen Pfeilen erlegen können, unternahm jedoch nichts. Ich hatte andere Pläne.

Am Rand der Lichtung machte ich Sarus aus, den Kapitän der Rhoda, den Anführer der Tyrer. Er nahm seinen gelben Helm ab und wischte sich die Stirn. Es war ein heißer Abend.

Es gibt zwei Strategien, nach denen ein Krieger vorgehen kann. Die erste zielt darauf ab, zunächst den gegnerischen Anführer umzubringen. Die zweite sieht vor, ihn vor den Augen seiner Männer hilflos und ohnmächtig dastehen zu lassen. Ich entschied mich für den zweiten Weg.

Ich sah, wie zwei Tyrer ein großes Metallbecken voller glühender Kohlen brachten. Sie trugen es an einer großen Metallstange, die sie mit Handschuhen anfaßten. Aus den Kohlen ragte der Griff eines Brandeisens.

Im nächsten Augenblick wurde ein großer Mann aus dem Dunkeln herbeigezerrt. Obwohl er angekettet war, wehrte er sich heftig. Speerschäfte hielten ihn im Zaum. Als ihm die Handfesseln abgenommen wurden, mußten ihn vier Männer bändigen. Schließlich wurde er an vier kleinen Pfählen im Erdreich festgemacht und lag nun hilflos am Boden – Marlenus aus Ar!

Der Trommler beschleunigte seinen Rhythmus. Im Hintergrund machte ich die Schatten von Zelten aus.

Der Feuerkessel stand nur zwei Meter von Marlenus entfernt. Die Flammen wurden geschürt. Einer der Tyrer hob das Brandeisen, das rotglühend war, in die Höhe. An seinem Ende schimmerte in Spiegelschrift das Sklavenzeichen Gors.

Der Mann mit dem Lederhandschuh stieß das Eisen wieder ins Feuer. Es war noch nicht heiß genug.

Marlenus wehrte sich vergeblich gegen seine Fesseln.

Auf meinem Ast hockend, wartete ich ab und beobachtete die Männer und Frauen unter mir. Wie viele waren es? Was für einen Eindruck machten sie? Wer war am wachsamsten? Wer mochte mir am gefährlichsten werden?

Ich blickte zu den Monden auf. Die Zeremonie konnte bald beginnen.

Ich saß sprungbereit auf dem Ast. Ich war geduldig. In mir pulsierte nicht mehr das Blut des Kaufmanns – sondern ein älteres, fast vergessenes Blut, das Blut des Kriegers, des Jägers.

Meine vier Pagamädchen hatte ich gefesselt zurückgelassen und mit einigen Dornbüschen umgeben, die sie vor Raubtieren schützen sollten.

Jetzt griff der Mann mit dem Lederhandschuh wieder nach dem Brandeisen, das inzwischen weißglühend geworden war. Huras Panthermädchen betraten den Tanzkreis – es waren über hundert. Die goreanischen Monde standen hoch am Himmel, als Hura dem Mann aus Tyros ein Zeichen gab, das Brandeisen wieder in das Feuer zu schieben.

Ich starrte in den Kreis hinab. Die Mädchen legten ihre Waffen ab und drängten sich um Marlenus’ gefesselte Gestalt, starrten ihn wortlos an.

»Brandet ihn!« befahl Hura.

Wieder griff der Tyrer mit dem schweren Handschuh zu und nahm das Brandeisen heraus. Die Mädchen murmelten befriedigt.

Marlenus hatte mir einmal Brot, Feuer und Salz verweigert. Er hatte mich aus Ar verbannt. Er hatte dafür gesorgt, daß ich wie ein Narr dastand.

Ich lächelte. Ich schuldete ihm nichts – außer vielleicht Rache für tausend kleine Erniedrigungen, für tausend kleine Niederlagen, die er mir beigebracht hatte.

Er sollte als Sklave zur Küste und von dort zur Insel seiner Feinde, nach Tyros, geschafft werden. Er würde nackt im Triumphzug seiner Feinde gehen, an einen Tharlarionwagen gebunden, inmitten von Blüten, die von der Menge am Straßenrand geworfen wurden. Und schließlich würde man ihn vor den Hohen Rat von Tyros zerren – als Sklaven. Sarus, der Anführer der Tyrer, würde ihn dann dem Rat überantworten – ein schmähliches Ende für den großen Marlenus, dem dann ein Sklavenschicksal bevorstand.

Ich lächelte.

»Brandet ihn!« rief Hura.

Mehrere Panthermädchen, begierig, ihren ekstatischen Tanz zu beginnen, hielten Marlenus am Bein fest. Grinsend hob der Tyrer das glühende Brandeisen. Gleich würde sich das heiße Zeichen tief in die Haut des Mannes brennen und Marlenus aus Ar auch sichtbar zum Sklaven machen.

Doch das Eisen zuckte nicht vor, sondern fiel nutzlos ins Gras, entzündete die trockenen Halme. Hura stieß einen Wutschrei aus. Die Panthermädchen, die neben Marlenus knieten, blickten erschrocken auf. Der Tyrer hatte sich vornübergebeugt und richtete sich nun langsam, sehr langsam auf. Er schien verwirrt zu sein.

Dann drehte er sich langsam um und stürzte ins Gras.

Mein stahlgespitzter Pfeil, mit den Federn einer Voskmöwe versehen, war ihm ins Herz gedrungen.

Unten im Lager herrschte Verwirrung. Rufe wurden laut, die Männer aus Tyros sprangen auf und liefen durcheinander. Erde wurde auf die Feuer geworfen.

Ich glitt lautlos von dem Ast, auf dem ich gelauert hatte, und verschwand in der Nacht.

15

Ilene, in eine zerrissene gelbe Sklaventunika gekleidet, hastete barfuß durch den Wald. Entsetzt floh sie vor ihren Gegnerinnen. Sie blickte verzweifelt über die Schulter und brach schweratmend durch das Unterholz. Ihre Haut war an vielen Stellen zerkratzt, die Hände hatte sie vorgestreckt und schlug damit die Äste zur Seite, die sie behinderten, die ihr ins Gesicht schlagen wollten. Sie stolperte, fiel zu Boden und richtete sich wieder auf. Dann schrie sie keuchend auf, taumelte durch ein dichtes Gebüsch und setzte ihre panische Flucht fort.

Zwei Panthermädchen waren ihr auf der Spur. Leichtfüßig liefen sie durch den Wald; sie waren in hervorragender Form und dem ungeschickten Erdenmädchen weit überlegen.

Doch Ilene gab nicht so schnell auf. Trotzdem war abzusehen, daß sie den Panthermädchen bald in die Hände fallen würde. Panthermädchen genießen die Jagd auf hilflose Sklavinnen.

Wieder stürzte Ilene und blieb schweratmend liegen. Die Schritte ihrer Verfolgerinnen klangen sehr nahe. Mit schreckgeweiteten Augen versuchte sie sich aufzurappeln.

Ihr stand kein angenehmes Schicksal bevor, wenn die Panthermädchen sie erreichten.

Und Ilene, ein Mädchen von der Erde, war kein ebenbürtiger Gegner für die Frauen Gors.

Hilflos versuchte sie sich zu orientieren. Leichtfüßig sprangen die Panthermädchen auf die winzige Lichtung, kaum fünf Meter von ihr entfernt. Sie hielten Fesseln wurfbereit in der Hand.

Ilene hatte sich auf Hände und Knie aufgerichtet und hockte im Gras. Sie rang nach Atem und sah die Panthermädchen entsetzt an.

Eine der beiden ging zu ihr und legte ihr eine Fessel um den Hals. Dann wich sie einige Schritte zurück.

Die beiden Panthermädchen lachten.

In diesem Augenblick sprang ich hinter ihnen zu Boden. Mit zwei schnellen Schlägen betäubte ich sie. Aus ihren Büstenhaltern machte ich Knebel, die ich ihnen in den Mund schob. Mit Schnüren, die ich in ihren Gürtelbeuteln fand, fesselte ich ihnen die Hände auf dem Rücken. Ihre Waffen warf ich fort.

»Rührt euch nicht«, sagte ich drohend, ging zu Ilene, die erschrocken in der Mitte der Lichtung stand, und befreite sie von der Schnur.

»Du warst ein ausgezeichneter Köder«, sagte ich anerkennend.

Dann wandte ich mich wieder den Gefangenen zu und verschnürte sie noch mehr.

»Ihr seid meine Gefangenen, Sklavinnen«, stellte ich fest.

Sie sahen mich wütend an.

»Bring sie in unser Lager«, befahl ich Ilene.

»Ja, Herr.« Ilene führte die beiden Panthermädchen von der Lichtung. Ich blickte ihnen nach. Sie waren unsere ersten Gefangenen.

Ich wußte, daß sich die Männer aus Tyros auf den Inseln und in der Weite des schimmernden Thassa gut auskannten. Vom Wald und seinen Gefahren hatten sie dagegen keine Vorstellung. Die Panthermädchen waren ihre Führer, Jäger und Kundschafter. Und im Falle der Gefahr mußte Huras Bande auch den Schutz der Truppe gewährleisten.

Wenn ich dafür sorgen konnte, daß die Panthermädchen Angst bekamen, das Lager zu verlassen, und wenn sie beim Marschieren darauf bestanden, bei der Sklaventruppe zu bleiben, mußten die Tyrer auf die wertvollsten Dienste ihrer sonst gefährlich tüchtigen Verbündeten verzichten. Am wichtigsten war dabei der Verlust der Panthermädchen als Jägerinnen und Wächter. Wenn sich die Mädchen im Lager oder unterwegs in der Nähe der Sklavinnen aufhielten, war es viel leichter für mich, die Truppe anzuschleichen. Und wußten die Männer aus Tyros erst, daß ich nach Belieben kommen und gehen konnte, hatte dies auch eine demoralisierende Wirkung auf sie. Außerdem konnte ich Zwietracht zwischen den Tyrern und den Panthermädchen säen.

An diesem Tag fing ich neun weitere Panthermädchen. Fünf davon besiegte ich mit Ilenes Hilfe.

Dabei hatten wir Glück, denn das Lager unserer Gegner war nicht verlegt worden. Die Tyrer und die Panthermädchen wollten erst den Attentäter finden, der am Abend zuvor den Tyrer getötet hatte. Ihre Suchtrupps erkundeten ein großes Gebiet. Fünf der Suchtrupps kehrten nicht zurück – sie befanden sich jetzt als Sklaven in meinem Lager.

In dieser Nacht ging ich auf die Jagd und erlegte einen Tabuk, den ich in mein Lager schaffte. Hier waren die Pagasklavinnen inzwischen zu Wächtern über meine Gefangenen avanciert. Natürlich durften wir kein Feuer entzünden. Ich schnitt Fleischstreifen zurecht und reichte sie an die Pagasklavinnen weiter, die damit unsere Gefangenen fütterten. Wenn ein Mädchen fertig war, bekam sie wieder ihren Knebel in den Mund.

Wir hatten insgesamt elf Gefangene, die mit einem komplizierten Arrangement von Fesseln gesichert waren.

Meine Pagasklavinnen durften sich frei bewegen. Sie hatten genug Angst vor mir, den Panthermädchen – und natürlich vor den Gefahren des Waldes.

Bei Sonnenuntergang des nächsten Tages hatte ich nur vier weitere Gefangene gemacht.

Das Lager der Tyrer befand sich noch auf der großen Lichtung, doch inzwischen war klar, daß die Panthermädchen besorgt waren und daß sie ihre Ausflüge nun vorsichtiger unternahmen. Ich hatte die ärgerlichen Rufe der Tyrer gehört, die den Mädchen Befehl gaben, auf die Jagd zu gehen. Die Mädchen hatten nicht minder aufgebracht geantwortet. Nicht viele Mädchen drangen heute in den Wald ein, und wer es wagte, ging meistens nicht weit. Eine vierköpfige Gruppe, von einer Blondine angeführt, bildete die Ausnahme; sie stieß tief in den Wald vor. Die vier Mädchen waren sehr mutig – und befanden sich jetzt als Gefangene in meinem Lager.

Auf der Lichtung fühlten sich die Tyrer zweifellos noch sicher. Ich wollte sie aber überzeugen, daß das nicht mehr zutraf. Ich hätte mühelos in das Lager eindringen können, entschied mich jedoch dagegen. Ich wollte meine Gegner lediglich ihrer Wächter berauben. Am nächsten Morgen sollten sie erwachen und erkennen, daß sie völlig ungeschützt geschlafen hatten. Daraufhin würden sie bestimmt ihr Lager auflösen. Auf dem Marsch jedoch würden sie zu ihrem Entsetzen feststellen, daß sie meinen Angriffen nun noch viel schutzloser ausgesetzt waren. Denn auf dem Marsch auseinandergezogen, womöglich sogar ohne Schutzwachen und Kundschafter, waren sie eine leichte Beute für mich.

Sechs Panthermädchen bewachten das Lager. Ich wollte sie nacheinander ausfindig machen und erledigen. Dazu hatte ich zwei meiner Pagasklavinnen mitgebracht, die die Felle von Panthermädchen trugen.

Die verkleideten Pagasklavinnen würden sich einer der Wächterinnen nähern und natürlich angehalten werden.

»Wir waren auf Patrouille!« sollten sie sagen.

Im nächsten Augenblick wollte ich die Wächterin lautlos von hinten erledigen. Sie sollte zu Boden geworfen, geknebelt und gefesselt werden – dann kam die nächste Wächterin an die Reihe.

Wie sich herausstellte, waren nur zwei Panthermädchen sofort mißtrauisch. Die anderen vier reagierten mit Erleichterung auf die Feststellung, daß da Panthermädchen aus dem Wald auf sie zukamen; sie fielen meinen Helferinnen fast um den Hals und kamen gar nicht auf den Gedanken, daß sie vielleicht getäuscht wurden. Doch den beiden mißtrauischen Mädchen erging es nicht besser. Auch sie hatten ja keine Ahnung, daß ich mich hinter sie geschlichen hatte, und ehe sie etwas merkten, legte sich meine Hand auf ihren Mund, und sie wurden hilflos ins Unterholz gezerrt.

Als wir fertig waren, sammelten wir die Wächterinnen ein, lösten ihre Fußfesseln und banden sie am Hals zusammen. Dann trieben wir sie in unser Lager.

Wir hatten inzwischen einundzwanzig Gefangene.