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»Aus dem ersten Laderaum holst du mir dann die beiden Panthermädchen und kettest sie hier oben an.«

Mehrere Seeleute kletterten nun am großen Segelbaum entlang und lösten die Seile, die das große Tarnsegel festhielten.

Die goreanischen Galeeren haben im allgemeinen mehrere Segel an Bord, die sich nach drei Typen unterscheiden – Gutwettersegel, Tarnsegel und Sturmsegel. Innerhalb jeder Gattung gibt es je nach Schiff mehrere Unterschiede. Die Tesephone hatte vier Segel mit – ein Schönwettersegel, zwei Arten Tarnsegel und ein Sturmsegel. Das Schönwettersegel ist ziemlich groß, um auch bei leichter Brise jeden Lufthauch auszunutzen. Die Tarnsegel finden sich am häufigsten an den Masten eines Tarnschiffs und haben ihren Namen von dieser Schiffsgattung. Das Sturmsegel hat eine ziemlich kleine Segelfläche und dient dazu, das Schiff vor einem schweren Sturm laufen zu lassen; es dient oft als »Fluchtsegel«, denn es gibt Situationen, da ein Schiff von den mächtigen Wogen zerschlagen würde, wenn es nicht vor dem Unwetter treiben könnte. Die goreanischen Galeeren, besonders die Rammschiffe, sind auf Geschwindigkeit und Wendigkeit beim Kampf angelegt. Ihre Hülle setzt einer stürmischen See keinen großen Widerstand entgegen. Bei einem Kampf gegen fünfzehn Meter hohe Wellen, die mit voller Wucht zuschlagen, ist ein solches Schiff meistens verloren. Es ist oft geschehen, daß Galeeren bei Stürmen trotz aller Verstrebungen und Ketten in zwei Teile zerbrachen. Zum Segelwechsel wird der Baum herabgelassen und dann wieder aufgezogen. Bei der üblichen goreanischen Lateinsegeltakelage gibt es keine Möglichkeit, die Segel zu reffen, wie bei Rahseglern. Deshalb die verschiedenen Segel. Die Reffschnüre waren bei einem solchen Dreieckssegler im Grunde nur dazu da, das Segel festzubinden oder für den Wind zu öffnen. Andererseits hat ein solcher Segler mit seinem mächtigen schrägstehenden Segelbaum herrliche Segeleigenschaften und kann unglaublich dicht an den Wind gehen.

Die beiden Mädchen wurden aus dem Laderaum geholt und hinter der offenen Küche an Deck festgekettet. Es roch nach Boskbraten und gekochtem Vulofleisch. Ein herrlicher Duft!

Ich hielt einem der Mädchen ein gebratenes Vulobein hin.

Ich saß zwischen den beiden, dicht neben der offenen Küche. Sie hatten noch nichts zu essen bekommen, seit sie an Bord gekommen waren, wenn ich auch dafür gesorgt hatte, daß sie Wasser bekamen. Beide Mädchen mußten halb verhungert sein.

Ein Mädchen näherte sich mit dem Kopf dem leckeren Braten und öffnete den Mund.

Ich zog das Fleisch zurück. »Ich möchte wissen, wo ein bestimmtes Panthermädchen ihr Lager hat.«

»Wir wissen nichts«, sagte das Mädchen.

»Das Mädchen heißt Verna.«

Mir entging nicht, daß sie den Namen kannten. »Ihr wißt bestimmt ungefähr die Lage des Lagers und ihres Tanzkreises.«

»Wir haben keine Ahnung.«

»Ihr werdet es mir sagen«, beharrte ich.

»Wir sind Panthermädchen!« fauchte die eine und stieß das Fleisch zurück.

»Wie ihr wollt«, sagte ich und wandte mich an Thurnock. »Bringt sie wieder nach unten! Und zwar in den Kielraum!«

Am nächsten Abend waren die Mädchen reif. Ausgehungert, mit nassem Sand bedeckt, so standen sie mir inmitten der köstlichen Küchendüfte gegenüber. Die beiden zitterten und hatten die Schultern hochgezogen.

»Nun?« fragte ich.

»Das Lager und der Tanzkreis Vernas«, sagte das eine Mädchen, »liegen nordöstlich von Laura. An den Sklavengehegen am Rand Lauras mußt du nach einem Turbaum Ausschau halten, der drei Meter über dem Boden mit einer Speerspitze gekennzeichnet ist. Von diesem Baum aus mußt du in nördlicher Richtung gehen und dabei ähnlich markierten Bäumen folgen, die etwa einen Viertel-Pasang voneinander entfernt sind. Es gibt fünfzig solche Bäume. Der fünfzigste trägt ein doppeltes Zeichen. Dort mußt du nach Nordosten weitergehen. Wieder sind die Bäume markiert, jetzt aber unten an der Wurzel. Zwanzig Bäume. Dann mußt du auf einen Turbaum achten, der durch Blitzschlag gespalten wurde. Einen Pasang nordnordöstlich dieses Baums beginnen wieder gekennzeichnete Bäume. Zwanzig Bäume dieser Art folgen, und du erreichst Vernas Tanzkreis. Ihr Lager, am Nordufer eines kleinen Flusses, ist gut versteckt und liegt zwei Pasang im Norden.«

Beide Mädchen hoben erwartungsvoll die Köpfe.

»Gebt ihnen zu essen«, sagte ich zu einem Seemann. »Und morgen sollen sie in Lydius verkauft werden.«

Ich hatte erfahren, was ich wissen wollte.

3

Ein schwarzhaariges Mädchen rempelte mich an, barfuß, sonnengebräunt, ein sinnliches kleines Geschöpf in kurzem braunem Rock.

Wir drängten uns durch die Menge bei den Dock von Lydius.

Rim und Thurnock waren bei mir.

Ich blickte dem Mädchen nach, das in der Menge verschwand. Sie war eine Freie gewesen. In ihrer Heimatstadt war sie vor der Sklaverei sicher. Womöglich war sie zwischen den Docks und in den Gassen hinter den Pagatavernen aufgewachsen.

Etwas an ihr war mir aufgefallen – am Profil ihres Gesichts, an der Seite ihres Kopfs unter dem Haar –, als sie hastig an mir vorbeieilte, doch ich vermochte nicht zu sagen, was es gewesen war.

Ich blickte mich um, als wir langsam weiterschritten. Ich sah zahlreiche Menschen – einen blonden Riesen aus Torvaldsland mit geflochtenem Haar in einer zerrissenen Jacke; einen parfümierten Händler aus Tyros, der es eilig hatte; Seeleute aus Cos und Port Kar, Todfeinde, die in den Straßen Lydius’ gedankenlos aneinander vorbeigingen; eine schwarze Frau, gelbverschleiert, in einer Sänfte von acht schwarzen Kriegern getragen – sie mochte aus dem tiefen Süden stammen; zwei Jäger, die vielleicht aus Ar kamen, mit Waldpantherköpfen geschmückt; einen Holzarbeiter aus einem Dorf nördlich von Lydius, der seine Scheite auf dem Rücken trug; einen Bauern aus der Gegend mit einem Korb voller Suls, einen geistesabwesenden Schriftgelehrten in der blauen Robe seiner Kaste, der vielleicht nach Norden gekommen war, um gegen gutes Geld die Söhne reicher Männer zu unterrichten; einen braungekleideten Burschen aus Laura, das etwa zweihundert Pasang flußaufwärts lag; einen Sklavenhändler mit dem Medaillon Ars über der Robe; zwei blonde Sklavenmädchen, die sich lachend im Dialekt Thentis’ unterhielten … ich sah sogar einen Krieger der Tuchuks aus den fernen baumlosen Ebenen des Südens. Es herrschte überall lebhaftes Treiben.

Hier pries ein Bäcker seine Waren an. Dort drang gedämpfte Musik aus einer Pagataverne, und an der nächsten Ecke stritt ein Gemüsehändler mit zwei Frauen aus niedriger Kaste, die verhüllt auf den Markt gekommen waren.

Ein Arzt eilte in seiner grünen Robe vorbei.

Und ich roch das Thassa vor der Mündung des Laurius und genoß den Duft nach Tharlarionöl und Fisch. Wir hatten die Tesephone an einem öffentlichen Kai festgemacht und wollten mehrere Tage in Lydius bleiben, um ausreichend Vorräte für die Jagd an Bord zu nehmen.

Ich wußte, daß ich ein gutes Stück hinter Marlenus aus Ar zurücklag, der inzwischen wahrscheinlich flußaufwärts in Laura eingetroffen war.

Auf meinen Befehl hin hatte Thurnock an diesem Morgen die beiden Panthermädchen, die mir den Weg zu Vernas Lager gewiesen hatten, auf dem Sklavenmarkt verkauft. Es war sicher nicht einfach, Talena zu finden, doch ich war zuversichtlich, daß mir die Informationen nützen würden.

Wir waren anonym gekommen. Bei der Annäherung an die Stadt hatten wir die Flagge Bosks eingezogen, die einen Boskkopf vor senkrechten grünen Streifen zeigte. Auch trugen Rim, Thurnock und ich jetzt einfache Seemannstuniken.

Ich nannte mich Bosk aus Tabor. Tabor ist eine Insel im Thassa südlich von Teletus, ein unbedeutender Handelsplatz. Angeblich war ich auf der Fahrt nach Laura, um dort eine Ladung Sleenpelze zu übernehmen, die ich mit gutem Gewinn im Süden zu verkaufen hoffte. Acht bis zehn Pelzballen sind eine angemessene Ladung für eine leichte Galeere. Daß die Tesephone, ein Rammschiff, auf Handelsfahrt ging, war zwar ungewöhnlich, doch angesichts der vorgesehenen Ladung verständlich. Frachtfahrten werden normalerweise mit breiteren Rundschiffen durchgeführt, die auch einen tieferen Kiel haben.