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»Ich möchte William sprechen«, sagte Dunworthy.

»Hier!« sprudelte sie. »Im Krankenhaus?« Sie klappte die Bibel vernehmlich zu. »Das erlaube ich nicht. Es ist schlimm genug, daß man Willy als Pfleger dienstverpflichtet hat, aber es gibt noch immer eine Menge ansteckender Fälle, und ich lasse nicht zu, daß der arme Willy mehr als unbedingt notwendig mit ihnen in Berührung kommt.«

»Ich glaube, er ist sowieso im Hause«, sagte er. »Sagen Sie ihm, daß ich ihn so bald wie möglich zu sehen wünsche.«

Sie schwang die Bibel gegen ihn wie Moses den Stab, als er die sieben Plagen über die Ägypter brachte. »Ich werde mich beim Dekan der Historischen Fakultät über Ihre gefühllose Gleichgültigkeit gegen das Wohlbefinden Ihrer Studenten beschweren!« rief sie und stürmte hinaus.

Er hörte, wie sie sich draußen auf dem Korridor laut bei jemandem beklagte, vermutlich bei William selbst, der ihr gerade in die Quere gekommen sein mußte, denn gleich darauf erschien er mit verlegener Miene und fuhr sich über das zersauste Haar.

»Ich brauche Injektionen von Tetracyclin und Gammaglobulin«, sagte Dunworthy. »Außerdem muß ich meine Entlassung aus dem Krankenhaus erreichen, ebenso wie Badri Chaudhuri.«

Er nickte. »Ich weiß. Colin sagte mir, Sie wollten versuchen, Ihre Historikerin zu bergen.« Er machte ein nachdenkliches Gesicht. »Ich kenne hier eine Medizinstudentin, die ihr Praktikum macht…«

»Sie darf die Injektionen nicht ohne Genehmigung eines Arztes vornehmen, sonst kann sie Schwierigkeiten bekommen, und auch die Entlassungen müssen genehmigt werden.«

»Ich habe einen Freund oben in der Verwaltung. Wann brauchen Sie es?«

»So bald wie möglich.«

»Ich werde mich gleich darum kümmern. Es kann zwei oder drei Tage dauern«, sagte er und wandte sich zum Gehen. »Ich habe Kivrin einmal gesehen, sie war gerade im Balliol College, um Sie zu sprechen. Sie ist recht hübsch, nicht?«

Ich muß daran denken, sie vor ihm zu warnen, dachte Dunworthy, und es wurde ihm klar, daß er tatsächlich angefangen hatte zu glauben, er könnte imstande sein, sie trotz allem zu retten. Halte durch, dachte er, ich komme. Zwei oder drei Tage.

Den Nachmittag verbrachte er mit Auf- und Abgehen im Korridor, um sich zu kräftigen. In Badris Station war an allen Türen Besuchsverbot angeschlagen, und die Stationsschwester ließ ihn nicht aus den scharfen blauen Augen, wenn er sich näherte.

Colin kam naß und atemlos mit einem Paar Stiefel für Dunworthy. »Sie paßt höllisch auf«, sagte er. »Mr. Finch läßt ausrichten, daß das Netz fertig ist, bloß kann er niemanden finden, der medizinische Unterstützung leistet.«

»Frag William, ob er das arrangieren kann«, sagte er. »Er kennt jemanden in der Verwaltung und kümmert sich um die Entlassungen und die Tetracyclin-Injektion.«

»Ich weiß schon. Ich muß Badri eine Nachricht von ihm bringen. Bis später.«

Er kam nicht zurück, und auch William ließ sich nicht blicken. Als Dunworthy zum Telefon ging, um im College anzurufen, fing die Schwester ihn auf halbem Weg ab und geleitete ihn zurück zu seinem Zimmer. Entweder schlossen ihre verschärften Abwehrmaßnahmen auch Mrs. Gaddson aus, oder die letztere ärgerte sich noch über William. Sie blieb den ganzen Nachmittag aus.

Gegen fünf kam eine hübsche Krankenschwester, die er bis dahin nicht gesehen hatte, mit einer Spritze herein. »Ihre Schwester wurde zu einer Notversorgung gerufen«, sagte sie.

Er machte eine Kopfbewegung zu der Spritze. »Was ist das?«

Sie tippte mit einem Finger ihrer freien Hand auf der Tastatur der Konsole, blickte auf den Bildschirm, tippte wieder ein paar Zeichen ein und kam zum Bett, um ihm die Spritze zu setzen. »Tetracyclin« sagte sie. Sie wirkte weder nervös noch verstohlen, was darauf schließen ließ, daß es William irgendwie gelungen war, die Genehmigung zu erhalten. Sie injizierte den Inhalt der ziemlich groß aussehenden Spritze in die Kanüle, lächelte ihm zu und ging hinaus. Sie hatte die Konsole eingeschaltet gelassen. Er stand auf und ging hin, um zu lesen, was auf dem Bildschirm stand.

Es war sein Krankenblatt. Er erkannte es, weil es wie Badris aussah und ebenso unleserlich war. Die letzte Eintragung lautete: ICU15802691 14-1-55 1805 50/RPT 1800CRS IMSTMC 4ML/g6h NHS40-211-7 M AHRENS.

Er setzte sich auf die Bettkante. Ach, Mary.

William mußte über seinen Freund ihren Zugangs-Code erhalten und in den Computer eingegeben haben. Die Verwaltung war zweifellos weit im Rückstand, überschwemmt vom Papierkrieg der Epidemie und noch nicht dazu gekommen, Marys Zugangs-Code zu löschen. Irgendwann würden sie auf den Irrtum stoßen, doch hatte der wendige William sicherlich schon die Löschung vorbereitet.

Er ließ sein Krankenblatt rückwärts über den Bildschirm scrollen. Eintragungen mit AHRENS fanden sich bis zum 8. Januar, ihrem Todestag. Sie mußte sich um ihn gekümmert haben, bis sie nicht mehr stehen konnte. Kein Wunder, daß ihr Herz der Belastung nicht standgehalten hatte.

Er schaltete die Konsole aus, damit die reguläre Schwester nicht auf die Eintragung aufmerksam werden konnte, und legte sich ins Bett. William war imstande, ihren Namen auch unter die Entlassungsscheine zu setzen, aber ob das gutgehen konnte? Sicherlich wäre es in Marys Sinn gewesen; sie hätte gern geholfen.

Den ganzen Abend blieb er ohne Besuch. Die Schwester kam und überprüfte die Kontrollanzeigen und gab ihm seine Tabletten, und Dunworthy hielt den Atem an, als sie an der Konsole die Eingabe machte, doch schien sie nichts zu bemerken. Um zehn kam eine zweite Schwester herein, wiederholte die Tetracyclin-Injektion und gab ihm eine mit Gammaglobulin.

Sie ließ den Bildschirm eingeschaltet, und als sie gegangen war, verließ Dunworthy wieder das Bett, um sich zu vergewissern, ob auch diese unter Marys Namen verabreicht worden waren. Er grunzte befriedigt, schaltete die Konsole aus und tappte zurück zum Bett. Er dachte nicht, daß er würde schlafen können, aber unversehens lösten sich seine Gedanken in Träume auf, und er sah sich in Ägypten und im Tal der Könige, obwohl er nie dort gewesen war.

»Mr. Dunworthy, wachen Sie auf«, flüsterte Colin. Er leuchtete ihm mit einer Taschenlampe ins Gesicht.

»Was ist los?« murmelte Dunworthy, ins Licht blinzelnd. Er tastete auf dem Nachttisch nach der Brille. »Wer… was ist?«

»Ich bin es, Colin«, flüsterte der Junge. Er drehte die Taschenlampe um und beleuchtete sein eigenes Gesicht. Aus irgendeinem unbekannten Grund trug er einen weißen Kittel, und sein Gesicht sah angespannt aus, unheimlich im aufwärtsgerichteten Lichtkegel.

»Wie kommst du hierher? Was ist mit dir?«

»Nichts«, flüsterte Colin. »Sie werden entlassen.«

Dunworthy hakte sich die Brille über die Ohren. Er konnte noch immer nichts sehen. »Wie spät ist es?« flüsterte er zurück.

»Vier Uhr.« Er schob ihm die Pantoffeln hin und richtete die Taschenlampe auf den Schrank. »Beeilen Sie sich!« Er nahm Dunworthys Bademantel vom Haken und warf ihn aufs Bett. »William hat die Nachtschwester abgelenkt, aber sie kann jeden Augenblick zurückkommen.«

Dunworthy fummelte mit Bademantel und Pantoffeln, versuchte aufzuwachen und fragte sich, warum sie um diese nachtschlafende Zeit entlassen wurden und wo die Schwester sein mochte.

Colin ging zur Tür und lugte hinaus. Er schaltete die Taschenlampe aus, steckte sie in die Tasche des zu großen Laborkittels und schloß die Tür. Nachdem er eine Weile mit angehaltenem Atem gelauscht hatte, öffnete er sie einen Spalt breit und spähte wieder hinaus. »Alles klar.« Er winkte Dunworthy. »William hat sie ins Wäschezimmer gelockt.«

»Wen, die Schwester?« fragte Dunworthy, noch nicht klar bei Sinnen. »Wer hat draußen Dienst?«

»Die Nachtschwester. William hält sie im Wäschezimmer zurück, bis wir fort sind.«

»Mit Gewalt?«