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Darum widme ich dieses Doomsday Book Ihnen, Mr. Dunworthy. Wenn Sie nicht gewesen wären, würde ich nicht in Kittel und Umhang hier stehen und in dieses Aufnahmegerät sprechen und warten, daß Badri und Mr. Gilchrist ihre endlosen Berechnungen beenden, und wünschen, daß sie sich beeilen würden, so daß ich gehen kann.

(Unterbrechung)

Ich bin hier.

2

»Nun«, sagte Mary mit einem langen Seufzer, »könnte ich einen kräftigen Schluck vertragen.«

»Ich dachte, Sie müssen Ihren Großneffen abholen«, sagte Dunworthy, den Blick noch immer auf der Stelle, wo Kivrin gewesen war. Die Luft glitzerte von den Eispartikeln innerhalb der Abschirmung. In Bodennähe hatte sich an der Innenseite der gläsernen Trennscheibe Frost gebildet.

Die unheiligen drei Mediävisten beobachteten nach wie vor die Bildschirme, obwohl dort nichts zu sehen war als die ebene Linie der Ankunft. »Ich brauche Colin erst um drei abzuholen«, sagte Mary. »Sie sehen aus, als könnten auch Sie eine Stärkung vertragen, und das Pub ist bloß ein Stück die Straße hinunter.«

»Ich möchte warten, bis er die Fixierung hat«, sagte Dunworthy, der den Techniker beobachtete.

Die Bildschirme zeigten noch immer keine Daten. Badri runzelte die Stirn. Montoya sah auf ihre Uhr und sagte etwas zu Gilchrist. Gilchrist nickte, und sie nahm eine Tasche, die halb unter der Konsole gelegen hatte, winkte Latimer zum Abschied zu und ging zur Seitentür hinaus.

»Anders als Montoya, die es offensichtlich nicht erwarten kann, zu ihrer Ausgrabung zurückzukehren, würde ich gern bleiben, bis ich Gewißheit habe, daß Kivrin ohne Zwischenfall durchgekommen ist«, sagte Dunworthy.

»Ich schlage nicht vor, daß Sie zum College zurückgehen sollen«, sagte Mary, während sie sich in ihren Mantel mühte, »aber die Fixierung wird mindestens eine Stunde dauern, wenn nicht zwei, und Ihr Herumstehen und Warten wird nichts beschleunigen. Das Pub ist nicht weit von hier, sehr klein und recht nett, ohne Weihnachtsdekorationen oder künstliche Glockenspielmusik.« Sie hielt ihm seinen Mantel hin. »Wir trinken ein Glas und essen was, und dann können Sie wieder hierherkommen und den Bodenbelag abnutzen, bis die Fixierung hereinkommt.«

»Ich möchte hier warten«, sagte er, noch immer zum leeren Netz hinausblickend. »Warum hat Basingame keinen Signalgeber bei sich, von einem Funktelefon ganz zu schweigen? Der Dekan der Historischen Fakultät kann doch nicht einfach in Ferien gehen und nicht einmal eine Nummer hinterlassen, wo er zu erreichen ist.«

Gilchrist richtete sich vor dem noch unveränderten Bildschirm auf und schlug Badri auf die Schulter. Latimer blinzelte, als wüßte er nicht recht, wo er war. Gilchrist schüttelte ihm mit breitem Lächeln die Hand. Dann wandte er sich um und kam mit selbstgefälliger Miene auf die Trennwand zu.

»Gehen wir«, sagte Dunworthy, nahm ihr seinen Mantel aus der Hand und öffnete die Tür. Aus dem Hof schlug ihm »Die Hirten auf dem Felde wachten« entgegen. Mary eilte zur Tür hinaus und weiter, als ob sie auf der Flucht wäre, und Dunworthy schloß die Tür hinter ihnen und folgte Mary durch den Hof und zum Tor des Brasenose College hinaus.

Es war bitterkalt, regnete aber nicht mehr. Andererseits sah es aus, als könnte es jeden Augenblick wieder anfangen, und die Passanten, die sich auf dem Gehsteig drängten, ahnten offenbar, daß es so kommen würde. Eine Frau mit einem großen roten Schirm und beiden Armen voller Pakete prallte mit Dunworthy zusammen. »Können Sie nicht aufpassen, wo Sie gehen?« sagte sie und eilte weiter.

»Die Weihnachtsstimmung«, sagte Mary, knöpfte sich mit einer Hand den Mantel zu und hielt mit der anderen ihre Einkaufstasche fest. »Das Pub ist gleich da unten, hinter der Drogerie«, sagte sie und deutete mit einem Nicken zur anderen Straßenseite hinüber. »Es sind diese gräßlichen Glockenspiele, glaube ich. Sie ruinieren jede Stimmung.«

Sie marschierte voraus durch das Labyrinth der Regenschirme. Dunworthy überlegte, ob er den Mantel anziehen solle, dann entschied er, daß es für ein so kurzes Stück nicht der Mühe wert sei. Er eilte ihr nach, versuchte den Regenschirmen auszuweichen und zu bestimmen, welches Weihnachtslied jetzt geschlachtet wurde. Es klang wie eine Kreuzung zwischen einem Ruf zu den Waffen und einem Grabgesang, war aber höchstwahrscheinlich Jingle Bells.

Mary stand gegenüber der Drogerie am Straßenrand und wühlte wieder in ihrer Einkaufstasche. »Was soll dieser schauderhafte Lärm sein?« sagte sie und brachte einen Taschenschirm zum Vorschein. »Zu Bethlehem im Stalle?«

»Jingle Bells«, sagte Dunworthy und trat auf die Straße hinaus.

»James!« sagte Mary und packte ihn am Ärmel.

Der Fahrradlenker verfehlte ihn um Zentimeter, und das Pedal streifte sein Schienbein. Der Fahrer machte einen Schlenker und schrie: »Kannst du nicht die Augen aufmachen, Trottel?«

Dunworthy wich erschrocken zurück und stieß mit einem etwa sechsjährigen Kind zusammen, das einen Plüschnikolaus im Arm hielt. Die Mutter des Kindes funkelte ihn an.

»Bitte geben Sie acht, James«, sagte Mary.

Sie überquerten die Straße, Mary voran. Gerade in diesem Augenblick begann es wieder zu regnen. Mary brachte sich unter dem Vordach der Drogerie in Sicherheit und versuchte ihren Schirm zu öffnen. Das Schaufenster war mit grünem und goldenem Flitterkram geschmückt. Zwischen den Parfüms stand ein Schild mit der Aufschrift: »Rettet die Glocken der Pfarrkirche von Marston. Spendet für den Restaurierungsfonds.«

Das Glockenspiel hatte mit Jingle Bells aufgehört und arbeitete jetzt an »Drei Könige aus dem Morgenland«. Dunworthy erkannte es an der Molltonart.

Mary brachte ihren Schirm nicht auf. Sie steckte ihn in die Einkaufstasche zurück und marschierte weiter, gefolgt von Dunworthy, der sich bemühte, Kollisionen zu vermeiden, vorbei an einem Papiergeschäft und einem Tabakwarenladen, der mit roten und grünen Blinklichtern geschmückt war, und dann durch die Tür, die Mary ihm aufhielt.

Seine Brille beschlug sich augenblicklich. Er nahm sie ab, um die Gläser am Kragen seines Mantels abzuwischen. Mary schloß die Tür und führte ihn in verschwommenes Braun und köstliche Stille.

»Ach du liebe Zeit«, sagte Mary. »Und ich sagte Ihnen, daß dies ein Lokal von der Sorte sei, wo sie keine Weihnachtsdekorationen anbringen.«

Dunworthy setzte seine Brille wieder auf. Die Regale hinter der Theke waren mit Girlanden aus blaßgrünen, rosa und blaßblauen Blinklichtern behängt. Auf der Thekenecke stand ein großer Weihnachtsbaum aus Plastik auf einem Drehteller.

Außer einem muskulös aussehenden Mann hinter der Theke war niemand in dem schmalen Raum. Mary quetschte sich zwischen zwei leeren Tischen durch und setzte sich in die Ecke.

»Wenigstens können wir hier drinnen nicht dieses elende Glockenspiel hören«, sagte sie und stellte ihre Einkaufstasche neben sich auf die Holzbank. »Nein, ich werde die Getränke besorgen. Setzen Sie sich. Dieser Radfahrer hätte Sie beinahe umgefahren.«

Sie kramte ein paar zerdrückte Pfundnoten aus der Einkaufstasche und ging zur Theke. »Zwei Pint Bitter«, sagte sie zum Barkeeper.

»Möchten Sie etwas essen?« fragte sie Dunworthy über die Schulter. »Es gibt belegte Brote und Käsesemmeln.«

»Haben Sie gesehen, wie Gilchrist in die Konsole grinste? Er sah nicht mal nach, ob Kivrin fort war oder ob sie noch da lag, halbtot.«

»Sagen wir, zwei Pint Bitter und einen doppelten Whisky«, sagte Mary.

Dunworthy setzte sich. Auf dem Tisch stand eine kleine Krippe, mit winzigen Plastikschafen und einem halbnackten Jesuskind. »Gilchrist hätte sie vom Ausgrabungsort fortschicken sollen«, sagte er. »Die Berechnungen für eine Ferndistanz sind ungleich komplizierter als für ein Absetzen an Ort und Stelle. Ich glaube, ich sollte dankbar sein, daß er sie nicht auch noch mit Zeitverzögerung schickte. Der Lehrling hätte die Berechnungen nicht machen können. Als ich ihm Badri auslieh, fürchtete ich, Gilchrist würde sich für Zeitverzögerung anstelle von Realzeit entscheiden.«