Выбрать главу

Es sieht mich an.

Deans Nackenhaare stellten sich auf.

Das ist unmöglich, es hat noch nicht einmal …

Dann sprang das schwarze Etwas mit einem schrillen Quieken hoch – direkt auf Deans Gesicht zu. Der schreckte reflexartig zurück, und das Ding landete auf dem Boden. Dean sprang nach vorne, stampfte darauf und versuchte es unter dem Absatz zu zerquetschen. Eine klebrige Masse spritzte unter Deans Schuh hervor und ließ ihn sein Gesicht zu einer angewiderten Grimasse verziehen. Aber das Wesen wand sich immer noch und pulsierte heftig, während es versuchte, nach oben über Deans Knöchel zu kriechen. Er konnte spüren, wie es sich an seine Haut ansaugte und in Richtung seiner Wade hochglitt.

„Es bewegt sich immer noch!“, rief Dean. „Mach es weg!“

Ohne zu zögern, griff Castiel nach der Wasserflasche. Er schloss die Augen, murmelte etwas, dann schüttete er das Wasser über Deans Unterschenkel.

Es gab ein rauchendes Zischen, und das Wesen stieß ein weiteres Kreischen aus. Dann fühlte Dean, wie es auf seiner Haut erschlaffte. Fieberhaft riss er sein durchnässtes Hosenbein hoch, aber er sah nichts außer einer schwachen Rötung über der Achillessehne.

Dean nahm ein Papierhandtuch, um sich den Rest des Weihwassers abzuwischen, knüllte es zusammen und warf es in einen Mülleimer.

„Was war das?“, fragte er und versuchte seine Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen.

„Moa’ah“, sagte Castiel.

„Was?“

„Das ist so etwas wie eine dämonische Nachgeburt, die nur in dieser Region des amerikanischen Südens vorkommt.“ Das Gesicht des Engels verfinsterte sich. „Ich habe ihn das letzte Mal auf den Schlachtfeldern des Bürgerkriegs gesehen. Als Engel und Dämonen um die Seelen der Gefallenen kämpften.“

„Und jetzt ist er zurückgekehrt“, sagte Dean und warf voller Ekel einen prüfenden Blick auf seine Schuhsohle. „Aber warum? Und warum Wolverton?“

Castiel sah ihn an.

„Er wurde von dem Zeugen berührt.“

„Also ist dein Zeuge so eine Art dämonischer Rotzlappen?“

„Du verstehst das nicht“, beharrte Castiel. „Moa’ah ist nicht mehr als eine Fußnote im Inventar des luziferianischen Giftschranks. Er dürfte gar nicht mehr existieren. Seine bloße Präsenz ist ein Vorbote der Apokalypse. Und der Zeuge weiß das. Er will, dass wir das wissen.“

„Und du suchst diesen Typen wirklich?“, fragte Dean. „Mit Absicht?“

„Ich muss ihn finden.“

„Ja, gut.“ Dean schüttelte den Kopf. „Dann viel Glück dabei!“

Winston war in seinem Büro und hielt den Telefonhörer ans Ohr. Dean ging zu ihm hinüber und drückte die Aus-Taste.

„Hey!“, protestierte der Gerichtsmediziner und sprang auf. Einen Augenblick lang sah es so aus, als würde er noch einen Schritt näher kommen, aber dann entdeckte er etwas in Deans Gesichtsausdruck, was ihn erstarren ließ.

„Wer war noch mit der Leiche allein?“, fragte Dean eindringlich.

„Was?“

„Sie haben mich schon verstanden. Außer Ihnen, wer war noch da hinten?“

„Niemand. Sheriff Daniels, glaube ich. Das war’s dann aber auch. Die Sache ist schließlich mitten auf dem Schlachtfeld passiert, vor Gott und allen anderen. Wenn da ein Seil um Wolvertons Hals gewesen wäre, hätte es jemand gesehen.“ Winston klang schon ein wenig verzweifelt. „Oder?“

„Das Seil ist Ihre geringste Sorge“, sagte Dean und blickte zur Decke auf. „Haben Sie hier Überwachungskameras? Bewegungsmelder?“

Castiel sah Dean an.

„Der Zeuge besitzt alle dämonischen Kräfte. Er könnte hier vollkommen unbemerkt durchgeschlüpft sein.“

Winstons Augen weiteten sich.

„Was?“

„Quatsch. Etwas so Ekelhaftes muss doch Spuren hinterlassen.“

Castiel schüttelte den Kopf.

„Aber …“, warf Dean ein und wandte sich wieder dem Gerichtsmediziner zu. „Wann kommt der toxikologische Bericht?“

Winston schluckte mühsam.

„Morgen wahrscheinlich.“

„Haben Sie sonst noch etwas Außergewöhnliches im Körper oder an den Kleidern festgestellt? Irgendwelche Zeichen oder Spuren eines Rituals wie Brandwunden oder Narben?“

„Nein“, antwortete Winston, aber der Ton seiner Stimme verriet etwas anderes.

„Sind Sie sicher?“

„Ja.“ Winston starrte hilflos auf die Schreibtischoberfläche. „Jesus, ja.“

Deans Augen wanderten zum Telefon.

„Lassen Sie uns mal sehen, wen Sie angerufen haben“, murmelte er, drückte auf Lautsprecher und dann auf die Taste für Wahlwiederholung.

„Lassen Sie das“, bettelte Winston. „Sie wollen das wirklich nicht …“

„Oh, und ob ich das will!“, antwortete Dean, während das Telefon auf der anderen Seite bereits klingelte. Endlich nahm jemand ab. Eine Frauenstimme drang durch den Lautsprecher.

„Hallo“, sagte sie. „Hier ist …“

Dean sah Castiel stirnrunzelnd an.

„Warte mal, die Stimme kenne ich doch.“ Er starrte das Telefon an. „Wer ist da?“

Aber die Stimme auf dem Band fuhr bereits fort.

„… Candy. Meine Freundinnen und ich feiern gerade eine Party in unserem Whirlpool, aber wir haben unsere Bikinioberteile verloren, und jetzt …“ Die Stimme begann zu seufzen und heftiger zu atmen. „Jetzt musst du uns helfen, sie zu finden. Gib uns einfach deine Kreditkartennummer für drei Minuten …“

„Du kennst diese Frau?“, fragte Castiel.

Dean unterbrach die Frauenstimme mitten im Satz und blickte Winston an. Das Gesicht des Gerichtsmediziners war knallrot angelaufen.

„Ich hoffe, dieser Anruf ging nicht auf Kosten der Stadt“, murrte Dean und wandte sich zum Gehen. „Wir werden wiederkommen, um uns den toxikologischen Bericht anzusehen.“

„Sicher“, sagte Winston. „Wie Sie wollen. Bloß … Geben Sie mir nächstes Mal eine kleine Vorwarnung, ja?“

„Er hat nicht gelogen“, sagte Castiel, als sie nach draußen in die anbrechende Dunkelheit traten.

„Ich weiß“, seufzte Dean. „Das bedeutet, wir haben absolut nada.“

„Nicht unbedingt.“ Sie gingen unter den Straßenlampen auf dem Bürgersteig entlang. „Wolverton könnte dem Zeugen auf dem Schlachtfeld begegnet sein oder …“

„Warte mal.“ Dean ging nicht weiter. „Du sagst immer, der Zeuge dies, der Zeuge jenes. Aber wenn dieser Zeuge mit Jesus rumgehangen hat und etwas für Seilschlingen übrig hatte, dann lässt das für mich nur einen Schluss zu.“

„Und der wäre?“

„Judas. Du jagst Judas.“

Castiel schüttelte den Kopf.

„Ich weiß nicht“, sagte er.

„Warum nicht?“, bohrte Dean nach.

„Judas hatte eher mit Versuchung und Verrat zu tun als mit blutiger Gewalt.“

„Ja, hm, wenn ich eine Sache über die Menschheit weiß, dann die, dass Verrat ziemlich hässlich werden kann, wenn erst mal Schusswaffen im Spiel sind.“

Weiter vorne hörte Dean ausgelassene Stimmen und Gelächter. Zum ersten Mal achtete er wieder auf die Umgebung. Sie standen jetzt gut einen Block von einer riesigen alten Holzkirche entfernt. Das Holz sah aus, als hätte es schon Jahrhunderte des Kriegs und rauen Wetters überstanden, beinahe wie das Wrack eines Schlachtschiffs, das hier gestrandet war.

Trauben von Menschen in Anzügen und festlichen Kleidern strömten gerade durch den hohen Eingangsbogen ins Freie.

„Ist das eine …?“, fragte Castiel.

„Eine Hochzeit.“ Applaus und Jubelrufe brandeten auf, während Dean zusah, wie das Brautpaar die Kirchentreppe herunter auf eine Limousine zuschritt, die an der Straße wartete.

Die Braut trug ein antikes Hochzeitskleid und der Bräutigam eine konföderierte Uniform, die so originalgetreu war, dass Dean tatsächlich sehen konnte, wie Staubwölkchen von ihr aufstiegen, als jemand dem Bräutigam auf die Schulter klopfte.