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„Es ist zu früh, um das zu sagen“, antwortete Sam.

„Schauen Sie“, sagte Sarah, „wenn Sie etwas wissen, müssen Sie es mir sagen. Dave war mir nicht egal. Ich möchte die Wahrheit erfahren.“

Sie rieb sich die Augen. „Darum dachte ich, dass Sie beide vielleicht – ich meine, ich habe gehört, dass Sie gesagt haben, Sie seien Bundesagenten, also …“

Sam berührte ihren Arm.

„Nun, wir tun, was wir können. Wenn Ihnen sonst noch etwas einfällt, irgendetwas, reden Sie nicht mit dem Sheriff. Kommen Sie direkt zu uns.“

Er gab ihr eine Visitenkarte mit einer Handynummer.

„Das werde ich.“ Sie blickte auf ihre Kappe, die sie immer noch mit einer Hand umklammerte. „Sie kennen inzwischen sowieso mein Geheimnis.“

„Morgen früh“, sagte Sam, „fahren wir zum Schlachtfeld und reden mit Phil Oiler über seinen Hochzeitstag.“

„Ich danke Ihnen beiden.“ Sie hielt ihnen einen Fetzen Papier hin. „Das ist meine Handynummer.“

„Wir melden uns“, sagte Dean und griff nach dem Papierstück. Während sie zum Auto gingen, betrachtete Dean die Nummer und atmete tief durch. Dabei stieß er die Luft ruckartig in einem erschöpften Seufzer aus.

„Was für ein Tag! Alles, was ich jetzt noch will, ist ins Hotel, einen Absacker trinken und ein bisschen den Erotikkanal schauen.“

Sam schüttelte den Kopf.

„Nicht heute Abend, Dean.“

„Was? Warum?

„Ich möchte, dass du ein paar Leute kennenlernst.“

Neun

Sam rief Bobby an, als sie unterwegs zum Haus der McClanes waren. Während er Bobby nach der Judasschlinge und dem Moa’ah fragte, erklärte er Dean nebenbei den Weg. Eine längere Gesprächspause entstand, und Sam hörte im Hintergrund Seiten rascheln.

„Es sieht so aus, als gehörten Geschichten über die Schlinge zu den ganz frühen Überlieferungen aus dem Bürgerkrieg“, sagte Bobby schließlich. „Es gibt sogar Lieder über das Ding.“

„Was ist mit Moa’ah?“

„Für mich scheint es, als wären Moa’ah und Judasschlinge zwei Seiten ein und derselben Medaille. In dieser besonderen Region des Südens ist er die treibende Kraft hinter beinahe jeder Art von schlechtem Mojo, die man sich nur vorstellen kann. Wie so eine Art Brandbeschleuniger. Hört sich an, als hätte euer Bürgerkriegssoldat etwas davon abbekommen, während er die Schlinge getragen hat.“

„Also, auch wenn die Schlinge selbst weg ist …“, begann Sam.

„Moa’ah bleibt trotzdem kleben. Jep.“

„Was können wir dagegen unternehmen?“

„Fürs Erste gar nichts. Geht diesem Moa’ah bloß verdammt noch mal aus dem Weg, bis ich mehr Informationen habe. Ich rufe zurück, sobald ich etwas herausgefunden habe.“

„Danke, Bobby!“ Sam legte auf und sah Dean an. Dann bemerkte er, dass der Impala so langsam fuhr, dass er im Licht der Scheinwerfer jeden einzelnen Kiesel und alle Grasbüschel auf dem Weg erkennen konnte. „Was ist los?“

„Wir haben uns verfahren“, sagte Dean. „Das kann hier nicht richtig sein.“

„Nein, haben wir nicht.“ Sam zeigte geradewegs durch die Windschutzscheibe. „Tommy hat mir den Weg beschrieben. Bieg hier nach links ab! Schau mal – da oben auf dem Hügel!“

„‚Tommy‘ also? Hört sich an, als wärt ihr beide schon ganz dicke miteinander.“

„Also …“, sagte Sam. „Als er erst mal herausgefunden hatte, dass wir Jäger sind …“

Dean wandte ihm den Kopf zu und starrte ihn an.

„Warte mal“, sagte er, und seine Stimme wurde lauter. „Du hast es ihm erzählt? Was ist denn eigentlich der Sinn und Zweck einer Tarnidentität, wenn du –“

„Warte erst mal ab, das ist schon in Ordnung“, schnitt Sam ihm das Wort ab. „Er ist derjenige, der Rufus angerufen hat.“

„Klar, das hat er dir erzählt …“

Sam fühlte, wie langsam Wut in ihm aufstieg.

„Tut mir leid, Dean, ich hatte meinen tragbaren Lügendetektor gerade nicht dabei.“

„Aber das ist es ja gerade – du solltest so etwas gar nicht brauchen“, antwortete Dean und wollte nicht nachgeben. „Vertraue niemals einem Fremden, Sam! Das ist die Grundregel der Dämonenjagd. Nimm mal an, dieser McClane hat Rufus’ Namen einfach fallen lassen, um an uns ranzukommen. Jetzt gehen wir da ohne Deckung rein, und er weiß bereits alles über uns.“

„Nicht alles“, entgegnete Sam.

„Was? Bist du nicht mehr dazu gekommen, ihm zu erzählen, dass du die Apokalypse ausgelöst hast? Warte es nur ab – das findet er bestimmt ganz von alleine heraus.“

„Schön, ich sag dir was. Ich rufe jetzt Bobby noch mal an und frage, ob er McClane kennt. Dann wird sich zeigen, ob er Bescheid weiß.“

„Vergiss es!“, grollte Dean. „Jetzt sind wir schon da.“

Sam drehte sich wieder nach vorne und schaute durch die Windschutzscheibe auf den Lichtkegel, den die Scheinwerfer auf die Straße warfen. Sie kurvten eine ringförmig angelegte Zufahrt entlang, das Herrenhaus im Südstaatenstil erstreckte sich oberhalb und lag halb verloren inmitten von Pappeln und Weiden, die über dem Haus hingen wie Trauernde über einem aufgebahrten Verstorbenen. Alles war hoffnungslos verfallen, aber Sam konnte sich gut vorstellen, wie das Haus in seiner Glanzzeit ausgesehen hatte. Damals, als die abblätternde Farbe noch frisch gewesen war und die imposanten dorischen Säulen noch kerzengerade gestanden hatten.

Inzwischen war alles abgesackt, und die Flügel und Kuppeln gaben der Schwerkraft nach. Das ganze Gebäude schien sich langsam in die Südstaatenerde zu senken. Es wirkte, als hätten Tommy McClane und sein Sohn ihre gesamte Energie in die Arbeit für die Historische Gesellschaft gesteckt und dabei die Instandhaltung ihres eigenen Zuhauses vernachlässigt.

Im Haus brannte Licht – es schien gedämpft durch die großen Fenster. Auf der Veranda hing eine Laterne, deren Licht im Abendwind flackerte.

Sie parkten neben einem großen schwarzen Ford Ranger, stiegen aus und sahen zur Veranda hoch, die sich über die gesamte Vorderseite des Hauses erstreckte. Dort saßen zwei Gestalten im Schein der Laterne und blickten zu ihnen herunter. Sam nahm den moosigen Geruch eines Sumpfes wahr, der irgendwo in der Nähe liegen musste.

„Mr McClane?“, rief Sam nach oben.

„Sam“, sagte Tommy. „Ich freue mich, dass Sie sich entschlossen haben, meine Einladung anzunehmen.“

Sie erklommen die knarrende Treppe zur Veranda, auf der Tommy und Nate auf Stühlen aus Bambusrohr saßen. Sam sah, dass beide gelesen hatten. Tommy hielt ein Buch des Pulitzerpreisträgers Tony Hurwitz über den Bürgerkrieg in der Hand, während Nate vollkommen gefesselt auf ein flaches Ding herunterstarrte, das Sam als elektronisches Lesegerät identifizierte. Es warf ein geisterhaftes Licht auf sein Gesicht.

„Der Junge ist eine Leseratte, was soll ich sagen?“, meinte Tommy. „Als ich in seinem Alter war, habe ich Batman-Comics gelesen. Er hat sich dieses Ding zum Geburtstag gewünscht und es seither nicht mehr aus der Hand gelegt.“

„Tommy, das hier ist mein Bruder Dean“, sagte Sam.

„Ich freue mich, Sie kennenzulernen“, sagte Tommy und streckte die Hand aus.

„Ein ziemlich beeindruckendes Haus haben Sie hier“, sagte Dean und schlug ein.

„Es gehört seit fünf Generationen meiner Familie. Wir wollten es schon verkaufen, aber der Zusammenbruch am Immobilienmarkt kam uns dazwischen. Sieht so aus, als säßen wir hier erst mal fest.“

„Was liest du denn da?“, fragte Dean den Jungen.

Nate grinste verlegen und hielt den Kindle hoch, sodass Dean draufschauen konnte. Hammer of the Gods: Die Led-Zeppelin-Saga.

Dean zog die Augenbrauen hoch.

„Du magst Zeppelin?“

„Ich habe versucht, den Jungen dazu zu kriegen, die Allmans oder Skynyrd zu hören …“ Tommy schüttelte den Kopf. „Vollkommen sinnlos.“