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„Ja.“

„Hier, ich zeige dir mal was“, sagte Oiler. Seine Stimme klang nun anders, sehr sanft und fremd. Das Feuer knisterte und knackte hypnotisch zu ihren Füßen.

„Was denn?“, fragte Johnson.

Oiler antwortete nicht sofort. Einen Moment lang flackerten die Flammen schwächer und tauchten sie fast vollkommen in Dunkelheit.

Als das Feuer wieder heller leuchtete, dachte Johnson einen Moment lang, dass der andere etwas um den Hals hängen hatte. Dann war es fort. Die Schatten hatten ihm wohl einen Streich gespielt. Er rieb sich die Augen.

Das muss wohl der Whiskey sein, dachte er. Ich fange schon an, komische Sachen zu sehen.

„Phil …“

„Nenn mich Norrie!“ Oiler lächelte. „Hast du es gesehen?“

„Habe ich was … gesehen?“

„Ich weiß mehr über Jubal Beauchamp, als ihr denkt“, sagte Oiler. „’ne ganze Menge mehr.“

„Du meinst Dave?“

Oiler schüttelte den Kopf und lächelte.

„Er hat sie mich anprobieren lassen, weißt du – um meinen eigenen Hals. Und es hat sich gut angefühlt.“

Johnson stand etwas unsicher auf. Vielleicht war er betrunkener, als er dachte. Es war Zeit, ins Bett zu gehen.

„Wo glaubst du, dass du hingehst?“, fragte Oiler mit sanfter Stimme.

„Ich … ich wollte nur …“

Plötzlich schoss ein reißender Schmerz wie eine Explosion durch seinen Fuß. Er blickte nach unten und sah, dass Oiler das Bajonett durch seinen Stiefel gerammt und seinen Fuß im Boden festgenagelt hatte.

Aber noch bevor Johnson schreien oder sich befreien konnte, riss Oiler die Klinge heraus, legte ihm die Hand auf den Mund und warf ihn zu Boden. Oiler drückte ihn mit dem ganzen Gewicht seines Körpers in den Staub. Johnson wehrte sich, aber sein Gegner war zu stark. Einer von beiden versetzte dem Banjo während des Kampfes einen Tritt. Es landete im Feuer und gab wütende kleine Plonks und Twengs von sich. Dann war Oilers Gesicht ganz nahe an Johnsons. So nahe, dass der Unterlegene die Bartstoppeln des Widersachers an seiner Wange kratzen und den Whiskey in seinem Atem riechen konnte.

Da ist keine Schlinge um seinen Hals, dachte Johnson benebelt. Da ist überhaupt nichts.

„Der Krieg ist die Hölle“, flüsterte Oiler ihm ins Ohr.

Er schien übermenschlich stark zu sein, wie aus puren Muskeln gemacht. Ganz vage roch Johnson trotz der Agonie, was der andere Mann in Wellen ausdünstete: Alkohol, Tabak und noch etwas anderes, das an den Geruch eines schimmeligen alten Kellers erinnerte.

„Willkommen in der Hölle!“

„Bitte“, murmelte Johnson in die Handfläche des anderen.

„Steck das in den Mund!“

„Was?“

„Du hast mich schon verstanden.“

Johnson sah nach unten und sah das Bajonett direkt unter seinem Kinn.

„Bitte nicht!“

Oiler stieß die Spitze der Klinge nach oben und zerbrach Johnsons Zähne. Der musste würgen, als das ölige Metall in seinen Mund eindrang, und ein tiefer Schmerz durchschoss ihn, als die geschliffene Spitze durch seine Lippen und Zunge schnitt. Seine Nebenhöhlen füllten sich mit salziger Wärme. Sein Leben lang hatte er sich gefragt, was jemandem durch den Kopf ging, der gleich sterben würde. Nun wusste er es.

Seine Gedanken kreisten um seine Eltern, seine Exfrau und seine Schwester in New Jersey und um alle Dinge, die er nie getan hatte und bald nicht mehr würde tun können. Er versuchte etwas zu sagen, aber seine Lippen konnten außer ein paar verzweifelten Lauten keine Worte formen. Seine Augen füllten sich mit Tränen, die ihm die Wangen herunterliefen.

Am Himmel über Johnson hatten die Sterne ihre festen Formen verloren. Sie huschten und strömten wie verrückte Planeten gegen den Rand eines Universums, das aufgehört hatte, einen Sinn zu ergeben. Oiler drückte ihn immer noch zu Boden und flüsterte etwas, sprach in einer anderen Sprache, die Johnson nicht verstehen konnte. Er fühlte, wie die Klinge nach vorn schoss.

Und dann nichts mehr.

Zwölf

Sam und Dean erwachten kurz vor Morgengrauen, als Polizeisirenen irgendwo draußen durch Mission’s Ridge rasten. Dean kletterte aus dem Bett und zog die schweren Vorhänge zurück. Das Tageslicht begann gerade, am Horizont ein einzelnes, müdes Augenlid zu heben.

„Das verheißt nie etwas Gutes“, sagte er und sah Sam an. „Sollte das hier nicht ein ruhiges kleines Kaff sein?“

„Es hört sich so an, als käme es von Westen.“

Dean nickte.

„Ich denke: Schlachtfeld.“ Er deutete mit dem Kopf aufs Badezimmer. „Willst du zuerst duschen?“

„Nach dir.“

Mit geübten, effizienten Bewegungen zogen Sam und Dean kurz darauf ihre FBI-Anzüge an und gingen nach draußen zum Impala. Sie bogen auf die Straße nach Westen und hielten unterwegs an einem kleinen Laden an, um Kaffee zu kaufen. Zwanzig Minuten später rollten sie auf den Parkplatz vor dem Schlachtfeld. Der Himmel über ihnen war eine blutige, von Wolken durchzogene Masse mit meilenlangen Streifen aus Dunkelheit und Bronze, die sich von Horizont zu Horizont spannten.

„Wir hätten gestern Abend herkommen sollen“, sagte Sam.

Dean schüttete einen brühend heißen Schluck Kaffee hinunter.

„Hätte das einen Unterschied gemacht?“

Sie stiegen aus und gingen über das von Tau benetzte Gras. Durch den Morgennebel konnte Sam bereits das gelbe Tatortabsperrband erkennen, das um die Zelte des Zweiunddreißigsten Georgia herum flatterte. Konföderierte und Unionsrollenspieler drängten sich hinter der Polizeiabsperrung, um einen Blick auf den Tatort zu erhaschen.

Dean zog einen der Konföderierten zur Seite, während Sam zu erkennen versuchte, was sich jenseits der Traube aus Schaulustigen abspielte. Als er gerade aufgeben wollte, kam Dean zurück.

„Einer von den Jungs hat sie hier draußen gefunden, als er gerade ’ne Stange Wasser abstellen wollte“, sagte er. „Das war vor ungefähr einer Stunde. Sie haben wohl fast die ganze Nacht hier gelegen. Phil Oiler und ein Freund.“

„Verdammt!“

Sie schoben sich durch die Menge und hielten einem Cop, der gerade protestieren wollte, ihre Ausweise unter die Nase. Dann gingen die Winchesters auf eine Reihe von Rettungsfahrzeugen mit blitzenden Signalanlagen zu, die am Fuße des Hügels aufgereiht standen. Sie näherten sich dem Zelt, stiegen über das Absperrband und steuerten auf zwei lange graue Säcke zu, die neben der erloschenen Feuerstelle lagen. Sheriff Daniels beugte sich gerade über einen der Leichensäcke und zog den Reißverschluss zu. Ihr Gesichtsausdruck spiegelte unverkennbar Missfallen wider.

„Sheriff?“, rief Sam.

Daniels machte sich nicht einmal die Mühe, zu ihnen aufzusehen. Die State Police und die örtlichen Rettungshelfer leiteten die Fußgänger um oder forderten sie mit ihren routiniert lauten, unpersönlichen Stimmen auf umzukehren. Über ihnen ertönte ein lautes Knacksen, und aus den Lautsprechern rund um das Gelände drang eine Stimme mit einem schweren, unverkennbaren Südstaatenakzent.

„Achtung! Hier spricht Sergeant Earl Ray Harris von der Georgia State Police. Wegen der Ereignisse der vergangenen Nacht wird die für heute geplante Veranstaltung abgesagt. Bitte packen Sie Ihre Sachen ordentlich zusammen, und verlassen Sie dann unverzüglich das Gelände!“

Warum zur Hölle machen die das?, fragte sich Sam. Das ist immerhin ein Tatort …

Ein kollektives Aufstöhnen stieg aus den Mündern von den Hunderten von Männern auf, die am Hügel kampierten, und die Menge begann sich zu zerstreuen. Sam drehte sich zum Tatort um und sah Sheriff Daniels mit einem Einkaufsbeutel aus Leinen in der Hand auf sie zukommen.