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„Sheriff …“

„Nicht jetzt.“ Sie ging an ihnen vorbei, ohne ihr Tempo zu verlangsamen, die Tasche schwang an ihrer Seite. Als der Beutel das Bein des Sheriffs streifte, glaubte Dean ein Klimpern zu hören.

„Komm mit“, sagte er zu Sam und deutete mit dem Kopf in Richtung der Leichen neben der Feuerstelle. „Bevor sie weggebracht werden.“

Dean und Sam näherten sich den Rettungssanitätern, die gerade dabei waren, die beiden Leichensäcke zum Abtransport auf Tragen zu heben. Dean ließ mit einer flüchtigen Handbewegung seinen Ausweis aufblitzen.

„Bundesagenten Townes und Van Zandt. Macht’s Ihnen was aus, wenn wir uns das mal ansehen?“ Ohne eine Erlaubnis abzuwarten, beugte Dean sich nach unten und zog den Reißverschluss eines der Leichensäcke herunter, bis er das Gesicht des Mannes darin erkennen konnte. Das Opfer war Anfang zwanzig. Verschmiertes Blut klebte an Mund und Kinn wie nach einem misslungenen Versuch, sich ein Clownsgesicht zu schminken. Seine leeren Augen waren weit aufgerissen.

„Erkennst du den Typen wieder?“, fragte Dean seinen Bruder.

„Nein“, antwortete Sam. „Aber den hier kenne ich.“

Dean warf einen Blick auf die zweite Leiche und identifizierte sie sofort als Phil Oiler. Es war der breitschultrige Rollenspieler, mit dem sie am Tag zuvor noch gesprochen hatten.

„Ich glaube“, sagte einer der Sanitäter, „dass Oiler Johnson erstochen und sich dann den Hals aufgeschlitzt hat. Muss das ganz leise durchgezogen haben, wie ein Auftragskiller. Keiner im Zelt hat einen Schrei gehört.“

„Haben Sie ein Paar Handschuhe übrig?“, fragte Sam. Der Sanitäter warf ihm das Gewünschte zu. Sam griff nach unten und drehte Oilers Kopf zu Seite.

„Dean?“

„Ja?“

„Schau dir das mal an!“

Dean hockte sich neben ihn und sah sich die Seilabschürfungen an den Überresten von Oilers Hals an.

„Hatte er etwas um den Hals hängen, als Sie ihn gefunden haben?“, fragte Sam den Rettungshelfer. „Ein Seil oder so etwas?“

„Nein, das nicht“, antwortete der Mann. „Aber wir sind auch gerade erst gekommen. Sheriff Daniels war schon eine halbe Stunde vor uns hier. Vielleicht fragen Sie sie mal.“

„Tolle Idee“, sagte Dean und stand auf. Er sah Sam an. „Fertig?“

Sam nickte. Aber seine Augen waren auf etwas ganz anderes gerichtet. In einiger Entfernung schoben ein paar Gestalten in Konföderiertenuniform eine Feldkanone auf das Heck eines Ford Bronco zu. Sam blickte sich um und sprach einen der Rollenspieler an, der neben ihm stand.

„Was koppeln die Typen da an ihr Auto an?“

Der Mann kniff die Augen zusammen.

„Sieht aus wie eine Belagerungshaubitze. Eine Kanone mit gezogenem Lauf.“

„Was verschießt sie?“

„Im Krieg? Alles, was man reintut. Kanonenkugeln, Kartätschen, Granaten, selbst Kettenkugeln – das sind zwei Eisenkugeln, die mit einer Kette verbunden sind. Wenn die einschlagen, ist es, als ob der Teufel höchstpersönlich mit seinem behaarten Sack auf dich einprügelt.“ Der Mann klang ein wenig neidisch. „Das ist echt ultrabrutal.“ Er schüttelte den Kopf. „Natürlich wird das Ding da niemals einen Schuss abfeuern.“

„Das ist also ein Nachbau?“

Der Rollenspieler schnaubte.

„Hoffen wir’s! Sonst würden die Jungs sich da mit einem echten Kriegsrelikt aus dem Staub machen. Das ist ein Bundesvergehen – aber das wissen Sie ja wohl selbst am besten, oder?“

Er deutete zurück zum Tatort, wo die Sanitäter die Tragen mit den Leichen aufhoben. „Kann man so was glauben?“

„Das müssen wir wohl“, sagte Sam. „Fahren Sie weg?“

„Bestimmt nicht. Keiner von uns haut ab. Nicht, bis wir herausgefunden haben, wer das war.“ Der Rollenspieler sah Sam mit stählernem Blick tief in die Augen. Er wirkte, als seien er und seine Kameraden wirklich im Krieg.

„Ein paar von denen waren meine Freunde.“

„Sam!“, rief Dean, der schon auf halbem Weg zum Parkplatz war. „Kommst du jetzt, oder was?“

Sam schloss zu seinem Bruder auf. Als er sich noch einmal zum Schlachtfeld umdrehte, hängten die Männer in den grauen Uniformen gerade eine zweite Haubitze hinten an ihren Pick-up.

Dreizehn

Als Sam und Dean zurück in die Stadt kamen, drängten sich die Reporter bereits vor dem Büro des Sheriffs. Die nächste Parklücke fand sich zwei Blocks entfernt zwischen zwei Ü-Wagen des Fernsehens. Als Dean mit dem Impala zurücksetzte, um einzuparken, sah er in den Rückspiegel. Auf dem Rücksitz saß Castiel und starrte ihn an. Dean schreckte zusammen und trat reflexartig auf die Bremse.

„Verdammt, Cass, wie oft muss ich dir noch sagen, dass du das bleiben lassen sollst!“ Sam drehte sich ebenfalls ruckartig um.

„Ihr beide müsst hier verschwinden.“

„Was? Wieso?“

„In dieser Gegend kommt es gerade zu extrem starken Dämonenaktivitäten. Ihr beide solltet so weit weg davon sein, wie es nur geht.“

„Klar“, grollte Dean. „Vor Dämonen weglaufen. Das ist ja genau unser Stil.“

„Du verstehst mich nicht ganz“, entgegnete Castiel. Er beugte sich nach vorne, packte die Sitzlehne so kräftig mit beiden Händen, dass Dean die Federn im Polster quietschen hören konnte. Castiel sprach mit einer Intensität, die jedes Wort wie in kaltes Wasser tauchende Eisenschmelze zischen ließ. „Ich dachte, dass ich herausfinden könnte, wo das Moa’ah hergekommen ist. Aber ihr seid hierher in eine Falle gelockt worden. Der Zeuge ist näher denn je.“

„Judas, oder?“, fragte Sam. „Über den reden wir doch, nicht wahr?“

„Ja“, gab Castiel zu.

„Warum hast du das denn nicht gleich gesagt?“

Der Engel schüttelte den Kopf.

„Anfangs ergab es einfach keinen Sinn, dass ein so mächtiger Zeuge in so ein einfaches lokales Geplänkel verwickelt sein sollte.“

„Und jetzt ist das anders?“

„Judas ist der Hüter der Schlinge. Er und seine Helfer waren gezwungen, nach Mission’s Ridge zu kommen, weil jemand die Macht der Schlinge aktiviert hat. Und sie sind darüber nicht gerade glücklich.“

„Woher weißt du das alles?“, fragte Sam.

„Das Wissen wurde mir eingegeben …“

„Von …?“

Castiel betrachtete Sam mit absoluter Ernsthaftigkeit.

„Von dem Einzigen, der zu so etwas fähig ist, nehme ich an. Gott selbst.“

„Du weißt schon, Cass, dass Gott einer ganzen Menge verrückter Gestalten befohlen hat, eine ganze Menge verrückter Dinge zu tun. Und ein paar von den Typen sind nicht besonders nett.“

„Das war noch nicht alles.“

„Na super!“

„Du bist nicht der, auf den sie es abgesehen haben.“ Castiel drehte sich um und richtete seine Augen auf Sam. „Wer immer dahintersteckt, er lässt dir keine Wahl, Sam. Sie nutzen die Judasschlinge, um das Kommen der Apokalypse zu beschleunigen. Sie versuchen eine Situation zu erzeugen, in der du keine Wahl mehr hast und dich als Luzifers Gefäß zur Verfügung stellen musst.“

Bevor Sam etwas entgegnen konnte, sprach Dean.

„Aber natürlich hat sich der Allmächtige nicht dazu bequemt, dir zu sagen, wie das ablaufen soll?“, fragte er.

„Nein.“

„Hört sich mehr und mehr nach ihm an.“ Dean sah seinen Bruder an. „Bist du bereit?“

Sam nickte.

„Dean, warte“, sagte der Engel, seine Stimme klang fast wie ein Betteln.

„Sei mir nicht böse, Cass, aber das konnte ich noch nie gut.“

Dean und Sam stiegen aus dem Impala und bahnten sich einen Weg durch die Menge zum Büro des Sheriffs. „Dir ist klar, dass er wahrscheinlich recht hat“, sagte Sam, ohne seinen Bruder anzusehen.

„Hm, hm!“

„Und wir gehen trotzdem rein?“

„Hast du ein Problem damit?“