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„Ich glaube, wir haben sie abgeschüttelt.“ Eine weitere Explosion donnerte in der Ferne. „Und ich dachte schon, die Nachstellung der Schlacht wäre abgesagt.“

„Ich glaube nicht, dass das ein Teil der Show ist“, sagte Sam.

„Was zur Hölle soll das sonst …“ Dean riss die Augen auf, sah seinen Bruder an, und die Worte blieben ihm im Halse stecken. Sam hatte eine kleine, mit Blut befleckte Ledertasche auf dem Schoß und riss an der Lederschnur, mit der der Beutel zugezogen war. „Was zur Hölle ist das?“

Sam hielt es hoch.

„Ich habe das auf dem Weg zur Tür aus der Tragetasche des Sheriffs mitgehen lassen.“

„Gar nicht schlecht, Sammy“, sagte Dean. „Hast du darin zufällig auch die Schlinge gefunden?“

„Ich hatte noch keine Zeit, reinzusehen.“

„Mist!“

Dean fuhr aus der Waschanlage, winkte dem Angestellten auf der anderen Seite zu und trat wieder aufs Gaspedal. Der Impala kurvte mit quietschenden Reifen durch die schmale Ausfahrt.

„Mann, dieser Beutel stinkt! Was ist denn eigentlich drin?“

„Guck mal!“ Sam holte eine abgewetzte Silbermünze hervor und hielt sie hoch, um die Prägung zu begutachten.

„Konföderiert?“

Sam schüttelte den Kopf.

„Älter, glaube ich.“ Er zog sein Handy hervor und machte ein Foto. „Ich schicke das an Bobby, vielleicht kann er uns helfen, die Prägung zu identifizieren.“

Er verschickte das Bild und fuhr fort: „Nach diesen Blutflecken zu urteilen und nach der Tatsache, dass dieses Leder wie Galle stinkt …“

„Ich werde nicht mal fragen, woher du so was weißt …“

„… glaube ich, dass das aus einer der Leichen vom Schlachtfeld stammt“, beendete Sam seine Schlussfolgerung.

„Also wie jetzt? Der Fluch dieser Schlinge macht aus dir ’nen Psycho und bezahlt dich auch noch dafür?“

„Jep.“

„Irre.“

„Dean! Sieh mal!“ Sam zeigte nach vorne. Ungefähr eine Meile voraus stieg eine riesige Wolke aus schwarzem Rauch in den Himmel. „Glaubst du immer noch, dass das Teil der Show ist?“

„Wir müssen dahin.“

„Wenn Sheriff Daniels uns erwischt …“

„Ich glaube, die Frau hat gerade alle Hände voll zu tun“, sagte Dean und gab Gummi.

BUMM!

Eine weitere Explosion ließ den Boden unter ihnen beben, als Dean und Sam aus dem Impala sprangen und in Windeseile über den Parkplatz jagten. Überall um sie herum heulten Polizeisirenen auf. Der Rauch war bereits so dick, dass ihnen die Augen brannten und die Nasen liefen.

Vor ihnen schien das ganze Schlachtfeld von Mission’s Ridge in Flammen zu stehen. Männer in Konföderierten- und Unionsuniformen – Hunderte Männer – stoben in einem wilden Durcheinander in alle Richtungen davon, fort von den brennenden Zelten und riesigen, rauchenden Kratern, die sich in dem kurzen, geradezu manikürten Rasen wie bösartige Riesenmäuler aufgetan hatten.

Aus den Streifenwagen strömten Polizisten und State Trooper, Officer brüllten in ihre Funkgeräte und versuchten inmitten des Chaos Gehör zu finden.

„Die Schüsse“, rief Dean. „Wo kommen die her?“

Sam deutete den Hügel auf der anderen Seite des kleinen Flusses hinauf. Ungefähr einen Kilometer entfernt parkten auf der Spitze des Hügels eine Reihe von SUVs und Pick-ups mit den Ladeflächen zum Abhang. Neben ihnen war eine Phalanx aus Belagerungshaubitzen aufgebaut, die genauso aussahen wie die, die Sam am Vortag gesehen hatte. Zwei Gestalten in Uniform – von hier aus sahen sie zumindest so aus, als würden sie eine Uniform tragen – packten Munition in die Kanonenläufe.

„Achtung!“ Sam zuckte zusammen, als eine der Haubitzen feuerte. Das Projektil zischte heulend über den Abhang und das Flüsschen, bevor es mit einem ohrenbetäubenden Donner in den Erdboden einschlug. Große Brocken aus Steinen, Dreck und zersplitterten Baumwurzeln stoben in die Luft und prasselten in weitem Umkreis wieder zu Boden.

„Ich dachte, das wären Replika-Waffen!“, brüllte Dean.

„Sind es auch!“

„Aber wie …“

BUMM! Eine weitere Ladung schlug so nahe ein, dass Sam spürte, wie der Boden unter seinen Füßen bebte und seitlich wegrutschte. Bevor er reagieren konnte, lag er auf den Knien und hatte Dreck und Steinchen in Mund und Nase.

Als er wieder etwas sehen konnte, zog Dean ihn auf die Beine, klopfte ihm den Dreck ab und zerrte ihn dann weg.

„Alles in Ordnung, Sammy?“

„Mir geht es gut“, presste der hervor und wischte sich ein Rinnsal Blut aus den Augen. Er war geschwächt, betäubt, und alle Poren seiner Haut fühlten sich an, als wären sie voller Splitter. Sein Instinkt sagte ihm, dass er sich in Sicherheit bringen musste, aber weglaufen kam nicht infrage, das wusste er.

„Wir werden hier noch draufgehen!“, rief Dean. „Die schießen auf uns!“

„Das glaube ich nicht.“

„Was redest du da?“

Sam drehte sich einmal um die eigene Achse und versuchte, sich wieder zu sammeln. Gleichzeitig war er bemüht, sich einen Überblick über die Geschehnisse um sie herum zu verschaffen und darin einen Sinn zu erkennen. Gruppen von Rollenspielern schwärmten in alle Richtungen aus und versuchten durch die Staub- und Rauchwolken zum Parkplatz zurückzufinden.

Weiter oben herrschte unter den Kavalleriepferden wilde Panik. Die Tiere scheuten und versuchten, sich zu befreien.

Im Gras neben einem Zelt lag ein Fernglas. Sam hob es auf und sah hindurch. Er kniff die Augen zusammen, bis er etwas erkennen konnte.

Dann sah er sie.

Die Männer, die die Haubitzen luden, trugen tatsächlich Uniformen, manche die der Konföderierten, andere die der Union. Während Sam sie anstarrte, schienen sie zu bemerken, dass sie beobachtet wurden. Einer von ihnen drehte sich um und sah Sam direkt in die Augen.

Der Mann grinste.

Seine Augen wurden schwarz.

Die Kanonen donnerten erneut, diesmal drei gleichzeitig, und die Luft war von einer Explosion erfüllt, die jedes andere Geräusch auf der Welt übertönte.

„Verdammt, Sam, wir müssen hier sofort verschwinden!“, schrie Dean ihn an, aber Sam hörte ihn kaum noch. „Die werden uns in Stücke schießen!“

„Es kommt noch schlimmer“, antwortete Sam. „Das sind Dämonen.“

„Was?“

„Sieh selbst!“ Er warf Dean das Fernglas zu und wartete, während sein Bruder die Uniformierten inspizierte.

Dean schien auf einmal ganz ruhig zu werden. Er griff nach hinten unter sein Hemd und zog das Messer aus der Scheide.

„Wie viele schätzt du?“

„Drei, vielleicht vier.“

„Zwei für jeden?“

„Hört sich gut an.“

„Willst du das Messer?“

„Nein, schon gut.“ Sam schüttelte den Kopf. „Du nimmst es.“

Dean runzelte die Stirn. „Du läufst mir doch jetzt nicht zur dunklen Seite über, Sammy, oder?“

„Was?“

„Entschuldige. Ist die Sache noch zu frisch?“

„Dean …“

„Schön.“ Dean nickte. „Ich verstehe. Wir sind uns einig.“

Sam schüttelte den Kopf. Er konnte wirklich nicht sagen, ob sein Bruder die Frage ernst gemeint hatte. Im Moment war das auch egal. Er war schlicht und einfach auf geradezu absurde Weise erleichtert, dass er Dean im Kampf an seiner Seite wusste.

Sam stampfte durch den beißenden Rauch den Hügel hinauf. Die Artilleriegeschosse krachten mit dem Hämmern eines alles verheerenden Schlaginstruments durch die Landschaft. Sam verlor fast die Orientierung. Über ihnen schnitten Geschosse durch die Luft. Für eine Zeitspanne von ein paar Minuten schien es, als würde ihm jeder Meter, den er gewann, durch eine weitere Explosion wieder entrissen. Immer wieder schlitterte er den Hügel hinab zum Flussufer. Schließlich krallte er seine Finger in die Erde und kroch den ganzen Weg nach oben. Auf halbem Weg hielt Sam kurz inne und blickte über die Schulter zurück auf das Schlachtfeld. Auf dem Parkplatz waren Krankenwagen angekommen. Er konnte ihre Signalanlagen durch die fliegenden Trümmer pulsieren sehen. Polizisten und Sanitäter bewegten sich zwischen den Kratern, um verletzte Rollenspieler in Sicherheit zu bringen. Niemand führte das Kommando, und falls doch, hatte das anscheinend noch keiner mitbekommen.