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„Das haben wir bereits getan“, sagte Dean.

„Sehr gut.“ Sie nahm den Kaugummi aus dem Mund und schaute ihn an, als hätte er sie persönlich beleidigt. Dann stopfte sie ihn in den Aschenbecher. „Dann sind wir uns ja einig. Sie machen ihre Hausaufgaben selbst und lassen mich meine Arbeit machen. Wenn Sie ein paar intelligente Fragen haben, dann kommen Sie wieder, okay?“

Demonstrativ richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf den Papierkram auf ihrem Schreibtisch. Die Diskussion war eindeutig beendet.

„Richtig“, sagte Dean. „Intelligente Fragen.“

Sam blickte auf.

„Ich habe eine.“

Der Sheriff sah aus den Abgründen einer bodenlosen Gleichgültigkeit zu ihm hoch.

„Ja?“

„Wolverton hat sich mit seinem eigenen Bajonett erstochen, oder?“

„Ja.“

„Also“, sagte er und zeigte auf das Foto. „Was sind das für Male an seinem Hals?“

„Wo?“

„Genau da.“ Sam tippte auf das Foto und zeigte auf Wolvertons Hals, auf dem sich ein Paar roter Würgemale rund um den Hals wanden. „Sieht aus wie Blutergüsse, nicht wahr?“

„Das müssten Sie den Gerichtsmediziner fragen.“

„Sie haben also selbst nichts Merkwürdiges entdeckt?“

„Etwas Merkwürdiges?“ Der Sheriff zog eine Augenbraue hoch. „Machen Sie Witze?“

Dean entging nicht, dass Daniels die Frage nicht beantwortet hatte.

„Vielleicht sollten wir mal selbst mit dem Gerichtsmediziner reden“, sagte er.

„Bitte. Sein Büro ist nur zwei Blocks entfernt.“ Sie schaute auf die Uhr. „Ich sage Ihnen etwas – es wird langsam spät, aber ich rufe ihn an und informiere ihn, dass Sie kommen.“

„Blutergüsse.“ Dean untersuchte das Foto immer noch eingehend. „Sieht fast so aus, als wäre er erwürgt worden oder so etwas. Nicht wahr, Sam?“

Als er nicht sofort eine Antwort bekam, drehte er sich um und blickte über die Schulter zu seinem Bruder. Er erwartete Zustimmung oder zumindest ein Nicken zur Bestätigung.

„Sam?“

Aber Sam Winchester tat etwas sehr Ungewöhnliches.

Er blieb plötzlich vollkommen stumm.

Sechs

„Okay“, sagte Dean, während sie zum Büro des Gerichtsmediziners gingen. „Willst du mir nicht sagen, was das gerade sollte?“

„Ich weiß nicht, was du meinst.“

„Komm schon.“

„Ich habe diese Male an Wolvertons Hals gesehen, und ich glaube … es hat etwas in meinem Unterbewusstsein ausgelöst.“ Er hielt an und sah Dean in die Augen. „Es hat mit diesem Traum zu tun. Aber ich kann mich nicht genau erinnern.“

„Du verheimlichst mir doch nichts, oder, Sammy?“

Sam schüttelte den Kopf.

„Du weißt doch, dass das sowieso nicht funktionieren würde“, fügte Dean hinzu.

„Ich weiß“, sagte Sam. „Es ist einfach – es ist, als wäre einfach alles, was da passiert ist, vollkommen ausgelöscht.“

„Hm, vielleicht hilft ein Blick auf die Leiche deinem Erinnerungsvermögen auf die Sprünge.“

Das Büro des Gerichtsmediziners von Mission’s Ridge County verbarg sich hinter einer unprätentiösen Stahltür in einem länglichen braunen Gebäude der Stadtverwaltung, das sich in einer Seitenstraße der Main Street befand. Dean und Sam kamen an einem Müllcontainer und einem einzeln parkenden Fahrzeug vorbei. Es war eine beigefarbene, unscheinbare Limousine mit Regierungskennzeichen. Der Boden auf dieser Seite des Gebäudes war mit Lotterielosen und Kippen übersät. Es wirkte, als ob dort jemand ziemlich lange dabei zugesehen hätte, wie sein Glück ihn verließ.

Dean rüttelte an der Tür.

„Verschlossen.“ Er drückte auf einen Summer, wartete ein paar Sekunden und begann dann damit, an das mit Drahtgeflecht verstärkte Glasfenster in der Tür zu klopfen.

„Das Licht ist aus. Hat unsere süße Sheriff-Schnitte nicht gesagt, dass sie für uns anruft?“

„Vielleicht hat der Gerichtsmediziner für heute Feierabend gemacht“, schlug Sam vor.

„Oder vielleicht hat keiner Lust, sich mit ein paar Yankee-Jungs herumzuschlagen, die unbequeme Fragen stellen.“ Dean trat einen Schritt zurück und betrachtete das Tastenfeld für den Sicherheitscode. „Ich muss schon sagen, ich merke hier gerade nichts von der berühmten Gastfreundschaft der Südstaaten, Sammy.“

„Und dabei warst du derjenige, der gesagt hat, dass er den Süden so liebt.“ Sam sah zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren. „Was ist mit der Historischen Gesellschaft?“

„Was soll damit sein?“, fragte Dean.

„Vielleicht sollten wir da mal hingehen, bevor es noch später wird.“

Dean runzelte die Stirn.

„Willst du die Leiche denn nicht ansehen?“

„Die Tür ist verschlossen, Dean.“

„Ja, aber das war der Safe des Bellagio auch, und er war trotzdem kein Hindernis für Ocean’s Eleven.“

Sam sah ihn streng an.

„Ich versuche nur, die Zeit sinnvoll zu nutzen“, sagte er.

„Dann hast du also keine Angst, dir die Blutergüsse an Wolvertons Hals anzusehen?“

Angst?

„Ja, ich sage bloß ‚Albtraum‘.“ Dean sah Sam erwartungsvoll an.

„Ich habe dir doch gesagt, dass ich mich nicht daran erinnere.“

„Und du willst es auch nicht.“

„Hey, sieh mal“, sagte Sam. „Wenn du willst, dass ich bleibe …“

Dean zuckte mit den Schultern.

„Nee, du hast recht“, sagte er. „Geh du vor und schau mal, was du so ausgraben kannst. Teile und herrsche. Und zwar Apocalypse now.“

Aber Sam gab nicht nach.

„Was soll das denn, Dean?“, forderte er. „Geht es darum, dass du mir nicht traust? Wenn das so ist, gibt es nur noch wenige Möglichkeiten, wie wir zusammen weitermachen können.“

„Ja, du bist mein Bruder“, sagte Dean. „Aber du bist auch Luzifers Ballkleid. Und wenn er dir in deinen Träumen Hinweise auf seinen Masterplan gibt, wäre es vielleicht eine gute Idee, sie sich so gut wie möglich zu merken. Mehr will ich dazu gar nicht sagen.“

„Was ich fühle, hat mit Hinweisen nichts zu tun, Dean“, sagte Sam und versuchte es so gut zu erklären, wie er konnte. „Das sind keine Hinweise – wenn überhaupt halten sie mich eher davon ab, das alles zu enträtseln. Das ist so, als ob dir jemand einen elektrischen Viehtreiber ins Gehirn rammen würde. Also entschuldige bitte, wenn ich mich nicht gerade darum reiße.“

„Okay.“ Dean zog sein Handy aus der Tasche. „Ich werde noch mal Sheriff Daniels anrufen und sehen, ob ich sie nicht dazu bringen kann, selbst herzukommen und mich reinzulassen. Du mach dein Geschichtsding. Wir treffen uns später.“

Sam nickte und ging.

Dean stand neben der Tür und sah zu, wie sein Bruder mit flotten Schritten um die Ecke verschwand. Sams schneller Abgang ließ keinen Zweifel zu. Der Albtraum hatte Spuren bei ihm hinterlassen, und er war nicht bereit, sich damit auseinanderzusetzen – jedenfalls nicht in diesem Moment. Irgendwann würde Sam bereit sein, und Dean konnte nur hoffen, dass es dann nicht zu spät sein würde. Er blickte auf das drahtverstärkte Fenster in der Tür vor ihm, steckte das Handy zurück in die Tasche und hob einen Ziegelstein auf.

„George Clooney war ein Weichei“, sagte er und holte mit dem Stein aus. Er wollte ihn gerade losschleudern, als das Schloss klickte und die Tür aufging.

Castiel blinzelte ihn an.

„Wie lange bist du schon hier?“, fragte Dean und ging schnell hinein. Die Kühle in dem klimatisierten Raum war nach der brütenden Hitze draußen eine Wohltat.

„Bin gerade angekommen.“

„Hey!“, mischte sich eine Stimme ein. „Wer zur Hölle sind Sie?“