Выбрать главу

Aber da war Jehuda Ibn Esra, und er sagte: »Ich schlage also ehrerbietig vor, daß du aus Mitteln deines Schatzes die Gefangenen auslösest. Und den Herren, denen das zugute kommt, legen wir als einzige Gegenleistung auf, daß sie ihre Pflicht, jetzt schon Steuern für deinen Krieg zu zahlen, im Prinzip anerkennen.«

»Und kann denn mein Schatz das tragen?« fragte beiläufig Don Alfonso.

»Ich werde dafür sorgen, Herr König«, sagte ebenso beiläufig Jehuda.

Ein Strahlen ging über Alfonsos Gesicht. »Das ist ein großartiger Plan«, anerkannte er. Er trat nahe an seinen Familiar heran und spielte mit dessen Brustplatte. »Du verstehst dein Geschäft, Don Jehuda«, anerkannte er.

Sogleich aber mischte sich in seine dankbare Freude erbitternd die Erkenntnis, daß er dem klugen, widerwärtigen Händler immer mehr verpflichtet wurde. »Nur schade«, sagte er bösartig, »daß wir nicht auch die Castros und ihre Freunde auf solche Art beschämen können«, und: »Siehst du«, fügte er hinzu, »mit den Castros hast du mir einen übeln Handel eingebrockt.«

Diese Verdrehung der Tatsachen empörte Jehuda. Die Feindschaft zwischen dem König und den Castros bestand seit den Kinderjahren Don Alfonsos, sie hatte sich verschärft, als er ihnen ihr Castillo in Toledo weggenommen hatte. Und jetzt wollte der König ihm, Jehuda, die ganze Verantwortung für diese Feindschaft aufbürden. »Ich weiß«, erwiderte er, »die Barone de Castro legen dir’s zur Last, daß ein beschnittener Hund ihre Burg beschmutzt. Aber es ist dir sicher nicht unbekannt, Herr König, daß sie Beschimpfungen deiner Majestät schon seit Jahren ausstoßen.«

Don Alfonso schluckte und erwiderte nichts. »Nun ja«, sagte er achselzuckend. »Versuch es mit deinen Mätzchen und Mittelchen. Aber meine Granden sind harte Kämpfer, das wirst du sehen, und auch die Castros werden uns noch manches zu schaffen machen.«

»Es ist große Gnade, Herr König«, erwiderte Jehuda, »daß du meinen Plan billigst.« Er ließ sich auf ein Knie nieder und küßte dem König die Hand. Es war eine männliche, kräftige Hand, übersät mit winzigen roten Haaren, doch schlaff und danklos lagen die Finger in denen Don Jehudas.

Den Tag darauf fand sich Don Manrique de Lara, der Erste Minister des Königs, im Castillo Ibn Esra ein, um dem neuen Escrivano seine Aufwartung zu machen; begleitet war der Minister von seinem Sohn Garcerán, einem nahen Freunde Don Alfonsos.

Don Manrique, der vom Verlauf der gestrigen Audienz genau unterrichtet schien, meinte: »Ich war überrascht, daß du dem König Unserm Herrn den ungeheuern Betrag für den Loskauf der Gefangenen vorstrecken willst.« Und: »Ist es nicht ein wenig gefährlich«, warnte er scherzhaft, »wenn einem ein mächtiger König so viel Geld schuldet?«

Don Jehuda blieb wortkarg. Er hatte den Zorn über den Hochmut und das Mißtrauen des Königs nicht überwunden. Wohl hatte er gewußt, daß hier im barbarischen Norden nur der Krieger galt und daß man von den Männern, die für den Wohlstand des Landes sorgten, mit dummer Geringschätzung sprach; aber er hatte nicht geglaubt, daß man es ihm so schwer machen werde, sich einzufügen.

Don Manrique hatte ihn wohl erraten, und als wollte er des Königs Plumpheit entschuldigen, meinte er, man dürfe es dem jungen, streitbaren Monarchen nicht verübeln, wenn er Schwierigkeiten lieber mit dem Schwert zerhauen als durch Vertrag lösen wolle. Don Alfonso sei eben seit frühester Kindheit von einem Kriegslager ins andere gezogen und fühle sich im Felde mehr zu Haus als am Verhandlungstisch. Aber, unterbrach sich Don Manrique, er sei nicht gekommen, um über Geschäfte zu reden, sondern um den Kollegen hier in Toledo zu begrüßen, und er bat Don Jehuda, ihm und seinem Sohne das Haus zu zeigen, von dessen Wundern die ganze Stadt spreche.

Jehuda willfahrte gerne. Vorbei an stillen, tief sich neigenden Dienern gingen sie durch die teppichbelegten Räume, über Korridore und Treppen. Don Manrique lobte kennerhaft, Don Garcerán naiv und bewundernd.

Im Garten trafen sie Don Jehudas Kinder. »Dies ist Don Manrique de Lara«, stellte Jehuda vor, »der Erste Rat des Königs Unseres Herrn, und sein geehrter Sohn, der Ritter Don Garcerán.« Raquel musterte die Gäste mit kindlicher Neugier. Unverlegen nahm sie teil an der Unterhaltung. Doch ihr Latein erwies sich, wiewohl sie eifrig gelernt hatte, als noch lückenhaft, und lachend über ihre Fehler, bat sie die Herren, arabisch zu sprechen. Es wurde ein munteres Gespräch. Die beiden Gäste priesen Doña Raquels Witz und Anmut in den modischen Redewendungen, die arabisch doppelt umständlich klangen, Doña Raquel lachte, die Gäste lachten mit.

Der vierzehnjährige Alazar, nicht blöde, fragte Don Garcerán nach Pferden und ritterlichen Übungen. Der junge Herr konnte sich der frischen, lebendigen Art des Knaben nicht entziehen und gab beflissene Antworten. Don Manrique riet freundschaftlich, Jehuda möge den Knaben einem großen Hause als Pagen anvertrauen. Don Jehuda erwiderte, daran habe er selber schon gedacht; er verschwieg seine stille Hoffnung, daß der König den Knaben in Dienst nehmen werde.

Andere Granden, vor allem Freunde des Hauses de Lara, taten es Don Manrique nach und machten dem neuen Escrivano Mayor ihre Aufwartung.

Vor allem die jüngeren Herren kamen gerne. Sie suchten die Gesellschaft Doña Raquels. Die Töchter des Adels nämlich zeigten sich nur bei großen Festlichkeiten des Hofes und der Kirche, man sah sie nie allein, man konnte mit ihnen nur allgemein leere Konversation machen. Da war es eine angenehme Abwechslung, sich mit der Tochter des jüdischen Ministers zu unterhalten, die, von weniger Zeremoniell behütet, doch gewissermaßen eine Dame war. Sie sagten ihr langatmig übertriebene Galanterien, wie die Courtoisie es verlangte. Raquel hörte freundlich zu und fand das verliebte Gerede eher lächerlich. Manchmal aber ahnte sie, daß sich dahinter Derbheit und Gier verbargen; dann wurde sie scheu und zugesperrt.

Der Umgang mit den christlichen Rittern war ihr schon deshalb willkommen, weil sie im Gespräch mit ihnen die Landessprache übte, das formelle Latein des Hofes und der Gesellschaft und das niedrige Latein des Alltags, das Kastilische.

Auch waren ihr die Herren dienstwillige Führer, wenn sie auszog, die Stadt zu erkunden.

Da saß sie denn in der Sänfte, zur einen Seite ritt ein Don Garcerán de Lara oder ein Don Estéban Illán, zur andern Seite ihr Bruder Don Alazar. In einer zweiten Sänfte folgte die Amme Sa’ad. Läufer machten dem Zuge Platz, schwarze Diener beschlossen ihn. So ging es durch die Stadt Toledo.

Die Stadt hatte in den hundert Jahren, da sie sich in Händen der Christen befand, manches von der Größe und der Pracht ihrer islamischen Zeit eingebüßt; sie war nicht so groß wie Sevilla, aber noch immer wohnten in ihr und um sie weit über hunderttausend Menschen, wohl an die zweihunderttausend, und so war Toledo die größte Stadt des christlichen Spaniens, auch größer als Paris und sehr viel größer als London.

In dieser kriegerischen Zeit waren alle großen Städte Festungen, sogar das heitere Sevilla. In Toledo aber war jedes einzelne Stadtviertel nochmals von Mauern und Türmen umgeben, und viele der Häuser des Adels waren Festungen für sich. Befestigt waren alle Tore, befestigt die Kirchen und Brücken, die vom Fuß des finstern, gewaltigen Stadthügels über den Fluß Tajo ins Land führten. Innerhalb der Stadt aber drängte sich auf engstem Raume Haus an Haus, hügelan, hügelab, die Treppenwege waren dunkel und schmal, häufig sehr steil, sie schienen Doña Raquel verdächtige Schluchten, überall waren Ecken, Winkel, Mauern, und immer wieder schwere, riesige, eisenbeschlagene Tore.