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Aber seine übel zerhaute Hand schwoll, der Arm schwoll. Er konnte nicht daran denken, sich in solchem Zustand durch die Moslems durchzuschlagen, die die Wege weit hinauf nach dem Norden beherrschten.

Die Wunde brannte, tobte. Der König bat, er möge Musa zu Rate ziehen. Der erklärte, es gebe kein anderes Mittel, als den Arm abzunehmen. Bertran wehrte sich. Spaßte: »Im Kampf habt ihr mir die Hand nicht abnehmen können, ihr Moslems. Jetzt wollt ihr’s mit List machen und mit Gelehrsamkeit.« – »Behalte du den Arm, Herr Bertran«, antwortete gelassen Musa. »Aber dann wird in einer Woche von dir nichts mehr dasein als deine Verse.« Lachend, fluchend fügte sich Bertran.

Er lag auf dem Spannbett, festgebunden. In Augenweite, auf einem kleinen Tisch, lag der Handschuh des Auftrags, den ihm Alfonso gegeben hatte, und neben dem Tisch stand der alte Schildknappe und Sänger Papiol. Musa und der Meister Reinero, nachdem sie Bertran einen starken, schmerzbetäubenden Trank gegeben hatten, machten sich mit Eisen und Feuer an ihr Werk. Bertran aber, während sie an ihm herumhantierten, diktierte seinem Papiol ein Gedicht an Alfonso, den »Sirventés vom Handschuh«.

Der alte Musa hatte viel erlebt, aber kaum je ein so greulich großartiges Schauspiel. Da lag der alte Ritter, aufs Spannbett festgebunden, in dem von verbranntem Fleisch stinkenden Raum, und in Ohnmacht fallend, wieder aufwachend, stöhnend vor Schmerz, Schreie unterdrückend, wieder bewußtlos, wieder aufwachend, diktierte er seine Verse, lustige, grimmige. Manche mißlangen, andere glückten. »Sag’s nach, Papiol, du Dummkopf!« befahl Bertran, und: »Hast du’s begriffen? Wirst du dir’s merken? Hast du die Weise?« fragte er. Der alte Papiol sah, wie begierig sein Herr auf die Wirkung seiner Verse wartete, er bemühte sich, fröhliche, stürmische Anerkennung zu zeigen. Er wiederholte voll Anerkennung die Verse, lachte krampfhaft, konnte nicht aufhören, bis unvermittelt sein Lachen in Geheul und Geschluchze überging.

Alfonso, den Tag darauf, besuchte Bertran. Fragte nach seinem Befinden. Bertran wollte leicht abwinken, aber die Hand war nicht da. »Nun ja«, sagte er, und er berichtete: »Der Arzt glaubt, in zwei Wochen werde ich so weit sein, daß ich verreiten kann. Dann laß ich dich also allein, Herr König, und geh in mein Kloster Dalon. Mein wackerer Papiol ist den Strapazen des Krieges nicht mehr gewachsen. Er besteht darauf, daß wir uns zu Gott zurückziehen.«

Alfonso hatte viel Ruhm und Preis übrig für den »Sirventés vom Handschuh« und versprach eine hohe Schenkung für das Kloster Dalon. »Eine Liebe mußt du mir tun«, bat er. »Sing du mir selber den Sirventés.«

Und Bertran sang:

»Den Handschuh geb ich dir zurück Nach stolz erfüllter Pflicht. Wohl stritt ich diesmal ohne Glück. Doch grämt’s mich nicht Und macht mich nicht geschämig. Daß mir die Hand verlorenging Im Streit für dich, acht ich gering. Du bist ein großer König. Drum acht auch du es wenig, Daß, Herr Alfonso, dieses Mal Die Überzahl Den Tag dir stahl. Ein andrer Tag, ein andres Glück. Mir fiel die Hand, Dir fiel ein Stück Von deinem Land. Du holst’s zurück. Mir ist es um die Hand nicht leid, Sie kam mir ab in gutem Streit, Ich mag um sie nicht klagen. Sie hat, da sie den Handschuh trug, Mit Mut und Fug Viel Dutzend Feind’ erschlagen. Jetzt kehr ich in mein Kloster ein Und will den Rest der Tage mein In Gottes Zucht verbringen. Und hab ich auch die Hand nicht mehr, So will ich doch fürs Christenheer Noch manche Lieder singen. Und übers Land und übers Meer Soll’s allen Rittern klingen: Auf, Ritter gut und Christenmut! Haut ein! Stürmt vor! A lor! A lor!«

Alfonso hörte aufmerksam zu; er spürte den Schwung der Verse, sie gingen ihm ins Blut. Aber sie übertönten nicht die Stimme der Vernunft, die ihm redete von dem Vergeblichen, ein wenig Lächerlichen des alten Ritters. Überall rings um Toledo schwärmten moslemische Truppen, sie riegelten alle Verbindungsstraßen ab. Aber der umsichtige Kalif ließ sich Zeit, ehe er die Stadt ernstlich und mit ganzer Macht einschloß. Dafür rückte er weit nach Norden vor und unterwarf sich einen großen Teil Kastiliens. Eroberte Talavera, eroberte Maqueda, Escalona, Santa Cruz, Trujillo, eroberte Madrid. Die Kastilier hielten sich mutig. Kräftig wehrten sich vor allem die geistlichen Fürsten; es fielen die Bischöfe von Avila, Segovia, Sigüenza. Aber die ungeheure Überzahl der Moslems warf jeden Widerstand nieder, die Heftigkeit der Abwehr reizte nur ihre Wut. Sie verwüsteten das Land, zerstampften die Äcker, schnitten die Weinreben ab, trieben das Vieh fort.

Unterwarfen auch den größern Teil des Königreichs León. Drangen vor bis zum Flusse Duëro. Zerstörten die alte glorreiche Hauptstadt Salamanca. Besetzten auch in Portugal weite Gebiete. Nahmen das heilige, hochberühmte Kloster Alcobaza. Plünderten es, machten die meisten Mönche nieder. Überall im christlichen Hispanien war Hungersnot, Seuche, Elend. Seit Beginn der Rückeroberung war das Land nicht in solcher Bedrängnis gewesen wie jetzt, nach der sinnlosen Schlacht von Alarcos.

Die christlichen Könige maßen Alfonso die ganze Schuld bei. León und Navarra verhandelten mit den Moslems. Der König von Navarra ging so weit, dem Kalifen ein Bündnis gegen die andern christlichen Fürsten anzubieten. Sein Erbprinz sollte eine Tochter Jakúb Almansúrs heiraten, er wollte den Kalifen als Lehnsherrn anerkennen und alles Gebiet, das die Moslems den andern christlichen Ländern abgenommen hatten, als Vasall des Kalifen verwalten.

Und nun, da er den Norden gesichert hatte, machte sich der Kalif an die Einschließung Toledos. Von den Zinnen der Königsburg sah Alfonso die Mauerbrecher und Belagerungstürme näher rücken, langsam, immer gewaltiger.

Der Castro verlangte Urlaub, um sein eigenes Land, die Markgrafschaft Albarracín, zu verteidigen. Alfonso hatte kein Wort der Widerrede. »Und wie ist es mit meinem Dank, Herr König?« fragte der Castro. »Dank wofür?« antwortete Alfonso.

Doña Leonor war all die Zeit her in Toledo geblieben. Sie glaubte, Alfonsos Wut habe sich in jenem furchtbaren Ausbruch erschöpft, und nun sein Sinn ausgefüllt sei von den Geschäften des Krieges, werde die Erinnerung an die Jüdin schnell verblassen. Wohl vermied er jede persönliche Aussprache und beschränkte sich auf kühle Höflichkeit, aber Leonor war sicher, sie werde ihn zurückgewinnen, wenn sie nur lang genug warte. Sie wartete. Jetzt aber, da der Feind Toledo einschloß, konnte sie’s nicht länger. Hier störte ihre Anwesenheit, in Burgos brauchte man sie.

Im stillen hoffte sie, Alfonso werde sie bitten, zu bleiben.

Sie suchte ihn auf. Nahm ihren ganzen, starken Willen zusammen, jung zu sein, schön zu sein. Sie wußte, ihr ferneres Leben hing ab von dieser Zusammenkunft.

Alfonso, wie die Courtoisie es verlangte, führte sie zu einem Sitz, ließ sich ihr gegenüber nieder, sah ihr höflich aufmerksam in das weiße, schöne Gesicht. Sie, mit ihren ruhigen, grünen Augen, prüfte ihn. Es war nichts mehr in ihm von dem Knabenhaft-Ungestümen, das sie hingerissen hatte; was ihr jetzt entgegenschaute, war ein hartes, scharfzügiges Männergesicht, tief verfurcht, das Gesicht eines Mannes, der viel Pein erfahren hatte und kaum lange Bedenken trug, Pein zuzufügen. Aber auch diesen Alfonso begehrte sie mit ihrem ganzen Wesen.

Hier in Toledo, begann sie, könne sie ihm nicht mehr von Nutzen sein. Sie kehre wohl am besten, solang das noch möglich sei, nach Burgos zurück, um dort für die Töchter zu sorgen und den weitern Verlauf des Krieges abzuwarten. Dort auch könne sie verhandeln mit den wankelmütigen Königen von León und Navarra.