Und dann kam er mit seiner großen Überraschung. »Du hast mir, Herr König«, sagte er, »dein Mißvernügen darüber ausgesprochen, daß ich dir noch keine Goldschmiede und Münzmeister ins Land gebracht hätte. Erlaube mir, dir heute ein erstes Erzeugnis deiner Goldschmiede ehrerbietig zu überreichen.« Und lächelnd und stolz übergab er Don Alfonso das Etwas, das er mitgebracht hatte.
Der König nahm und sah und strahlte auf. Bisher waren in den christlichen Ländern der Halbinsel nur arabische Goldmünzen in Umlauf gewesen. Was er jetzt in Händen hielt, war die erste Goldmünze des christlichen Spaniens, und es war eine kastilische. Leuchtend in blitzendem, rötlichem Gelb hob sich sein, des Königs, Profil, deutlich erkennbar das seine, und ringsum stand auf lateinisch: »Alfonsus von Gottes Gnaden König von Kastilien.« Auf der andern Seite aber sah man den Schutzpatron Spaniens, den Apostel Jakob, den Santiago; er saß zu Pferde, das Schwert erhoben, so wie er oftmals in den Lüften den christlichen Heeren geholfen hatte, die Ungläubigen zu zerschmettern.
Gierig, mit kindlichem Vergnügen, beschaute und betastete Don Alfonso das schöne Werk. So also wird fortan in gutem, schwerem Golde sein Gesicht durch die Länder der Christenheit gehen und auch durch die des Islams und alle daran erinnern, daß Kastilien in guter Hut ist, in der des Santiago und in der seinen, Don Alfonsos. »Das hast du trefflich gemacht, Don Jehuda«, lobte er, und es ging von seinem hellen Gesicht und seinen hellen Augen so viel Freudigkeit aus, daß Don Jehuda alle Unbill vergaß, die der Mann ihm angetan hatte.
Dann aber erinnerte das Bild des streitbaren Santiago den König an sein Vorhaben und an den Grund, aus welchem er seinen Escrivano berufen hatte, und munter, ohne Übergang, sagte er: »Da wir also Geld haben, kann ich ja eigentlich gegen die Castros vorgehen. Glaubst du, daß sechstausend Goldmaravedí für die Expedition genügen?«
Don Jehuda, jäh aus seiner Freude gerissen, legte dar, daß die Castros zweifellos die Schutzherrschaft des Königs von Aragon anrufen und daß König Raimundez sie als Vasallen annehmen werde. »Dein erlauchter Oheim Raimundez wird eingreifen«, erklärte er dringlich. »Er hat die ansehnliche Kriegsmacht schlagbereit, die er für seine Unternehmung in der Provence gesammelt hat, und sein Kriegsschatz ist gefüllt. Du wirst dich, Don Alfonso, unter denkbar ungünstigen Umständen in einen Krieg mit Aragon verwickelt sehen.«
Don Alfonso wollte davon nichts hören. »Geh mir mit deinen lahmen Bedenken!« wies er Jehuda ab. »Ein paar hundert gute Lanzen genügen gegen die Castros, ich verstehe mich auf schnellen Angriff, es wird ein Handstreich sein, nicht mehr. Hab ich aber erst Albarracín oder auch nur Santa María genommen, dann begnügt sich mein mattherziger Onkel von Aragon, zu schimpfen, und greift nicht mehr ein. Schaff mir die sechstausend Goldmaravedí, Don Jehuda!« bestand er.
Jehuda wußte: was der König ihm und sich selber vormachen wollte, war eitle Hoffnung. Don Raimundez, wiewohl ein verträglicher Herr, wird, wenn er jetzt den guten Vorwand hat, gegen Alfonso Krieg führen.
König Raimundez nämlich spürte tiefe Abneigung gegen seinen Neffen Alfonso, und nicht ohne Grund. Kastilien, sich auf alte Papiere stützend, beanspruchte Lehenshoheit über das Land Aragon. Solche »Oberhoheit« war reine Prestigesache. Der sehr mächtige König von Engelland etwa anerkannte in seiner Eigenschaft als Inhaber vieler fränkischer Herrschaften die Oberhoheit des Königs von Francien, wiewohl dieser einen viel kleineren Teil Franciens beherrschte als er selber. Im Grunde war es auch dem alten König Raimundez von Aragon gleichgültig, ob er etwas mehr oder weniger »Prestige« besaß. Aber er sah in seinem ungestümen Neffen die Verleiblichung eines leeren, veraltenden Ritterideals, und es verdroß ihn, daß viele, ja, sein eigener Sohn, solch wirklichkeitsfremdem Rittertum anhingen und zu Alfonso als zu einem Helden aufschauten. Deshalb hatte er Don Alfonsos Forderung, ihn als Oberherrn anzuerkennen, für verjährten Unsinn erklärt. Alfonso seinesteils brachte seinen Anspruch bei jeder Gelegenheit von neuem vor und prahlte, der Tag werde kommen, da der unverschämte Aragon vor ihm als vor seinem gottgewollten Oberherrn niederknien werde.
Es war also, wenn Alfonso wirklich den Feldzug unternahm, ein Eingreifen Aragons unvermeidlich, und Don Jehuda überlegte, wie er das dem König in behutsamen Worten klarmachen könnte. Allein Alfonso sah Jehudas Einwände voraus, er wollte sie nicht wissen, und er kam ihm zuvor. »Schließlich bist du an allem schuld«, zürnte er, »weil du dich in das Haus der Castros gesetzt hast.«
Don Jehuda hatte sich in diesen harten Monaten ein zweites Gesicht anwachsen lassen, eine Miene stiller Höflichkeit. Nicht bezwingen aber konnte er seine Stimme; die stammelte und lispelte in der Erregung. So auch jetzt, da er antwortete: »Ein Feldzug gegen die Castros, Herr König, wird nicht sechstausend Goldmaravedí kosten, sondern zweihunderttausend. Möge mir deine Majestät doch glauben, daß Aragon es unter keinen Umständen ruhig hinnehmen wird, wenn du gegen die Castros vorgehst.« Er entschloß sich, dem König einen letzten, unwiderleglichen Einwand mitzuteilen. »Du weißt, mein Vetter Don Joseph Ibn Esra ist Alfakim am Hofe von Aragon und ist eingeweiht in die Pläne des Königs. Mehrmals schon hat dein erlauchter Oheim daran gedacht, den Castros Waffenhilfe zu leisten. Mein Vetter und ich haben Briefe und Ratschläge ausgetauscht, und es ist Don Joseph geglückt, seinen König abzuhalten. Allein er hat mich gewarnt. Die Herren de Castro haben eine bindende Zusage, Aragon werde ihnen beistehen, wenn du sie angreifst.« Die junge Stirn Alfonsos furchte sich tief. »Du und dein Herr Vetter«, sagte er, »ihr scheint ja eifrig zu konspirieren.« – »Ich hätte dir die Warnung Don Josephs schon vor Tagen mitgeteilt«, entgegnete Jehuda, »aber du hattest nicht die Gnade, mir dein Angesicht zu zeigen.«
Der König ging mit starken Schritten auf und ab. Don Jehuda setzte auseinander: »Ich begreife, daß es deine Majestät danach verlangt, die dreisten Barone zu züchtigen. Auch mich – erlaube mir die demütige Anmerkung – verlangt es danach. Aber habe die Gnade, noch ein kleines zu warten. Erwägt man es ruhig, dann ist der Schaden, den die Castros angerichtet haben, nicht groß.«
»Sie halten Untertanen von mir in ihren Verliesen!« rief Alfonso.
»Gib Auftrag«, schlug Jehuda vor, »und ich löse die Gefangenen aus. Es sind kleine Leute. Es geht um ein paar hundert Maravedí.«
»Schweig!« brauste Alfonso auf. »Ein König löst seine Untertanen nicht aus von einem Vasallen! Aber das verstehst du nicht, du Krämer!«
Jehuda war blaß geworden. Ob die Castros Don Alfonsos Vasallen waren, darum eben ging ja der Streit. Aber diese Hochmütigen hielten nun einmal Raub und Totschlag für die einzig anständige Art, Meinungsverschiedenheiten auszutragen. Am liebsten hätte er ihm gesagt: Mach deinen Feldzug, du Ritter und Narr. Die sechstausend Goldmaravedí schmeiß ich dir hin. Aber alle seine Pläne stürzten ein, wenn es zu einem Krieg mit Aragon kam. Er mußte diesen Feldzug verhüten.
»Vielleicht«, gab er zu erwägen, »kann man die Gefangenen befreien, ohne deine königliche Würde zu gefährden. Vielleicht kann man erwirken, daß die Castros die Gefangenen an Aragon ausliefern werden. Erlaube mir, darüber zu verhandeln. Vielleicht, wenn du es mir gestattest, gehe ich selber nach Saragossa, um mit Don Joseph zu beraten. Bitte, versprich mir eines, Herr König: daß du eine Expedition gegen die Castros nicht befiehlst, bevor du mir vergönnst, nochmals mit dir darüber zu reden.«
»Was nimmst du dir heraus!« grollte Alfonso. Aber er hatte das Unsinnige seines Vorhabens eingesehen. Leider hatte der Jude recht.