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Nicht ganz so einfach verlief seine Unterhaltung mit Doña Raquel. Man wechselte, lateinisch, ein paar nichtssagende Eingangssätze. Sie beschaute ihn dabei mit ihren großen, blaugrauen Augen, ruhig prüfend, und auch ihm mißfiel ihre Unbefangenheit. Nach einem Thema suchend, fragte er: »Verstehst du, was meine Joglares da singen?« Es sangen aber die Joglares, seine Spielleute, kastilisch. Doña Raquel antwortete ehrlich und genau: »Vieles verstehe ich. Ganz freilich kann ich ihrem niedrigen Latein nicht folgen.« – »Niedriges Latein« war die übliche Bezeichnung der Volkssprache, und wahrscheinlich wollte die Fremde nichts Kränkendes sagen. Alfonso indes ließ die Sprache seines Landes nicht schlechtmachen und wies sie zurecht: »Wir nennen diese Sprache Kastilisch. Viele Hunderttausende guter Leute, fast alle meine Untertanen sprechen sie.« Kaum hatte er’s gesagt, kam es ihm unnötig streng und schulmeisterlich vor, und er bog ab: »Das Land Kastilien leitet übrigens seinen Namen hier von diesem Castillo ab. Von hier aus hat Graf Fernán González es erobert. Gefällt dir die Burg?« Und da Doña Raquel nach einer Antwort suchte, fügte er, jetzt auf arabisch, hinzu: »Sie ist sehr alt und voll von Erinnerungen.« Doña Raquel, gewohnt, herauszusagen, was ihr durch den Sinn ging, antwortete: »Da begreife ich, daß dir diese Burg gefällt, Herr König.« Das verstimmte Don Alfonso. Fand sie, daß einem das altberühmte Schloß nur gefallen konnte, wenn einen persönliche Beziehungen damit verknüpften? Er wollte etwas Maliziöses erwidern. Aber schließlich war diese Doña Raquel sein Gast, und es war nicht seine Sache, der Tochter des Juden Courtoisie beizubringen. Er sprach von anderm. Ohne das Eingreifen des Don Manrique hätte man den Judenjungen Don Alazar, wiewohl er der Sohn des Escrivanos war, schwerlich zum Wettbewerb im Armbrustschießen zugelassen. So aber durfte er teilnehmen und gewann den zweiten Preis. Der Freimut und das liebenswerte Ungestüm des Knaben, seine Freude über den Preis, seine Beschämung, daß es nur der zweite Preis war, der Stolz auf seine Armbrust, die in Wahrheit in Burgos nicht ihresgleichen hatte, das alles gewann ihm gegen ihren Willen die Zuneigung der andern.

Der König gratulierte ihm. Alazar stand da, erfreut, doch sichtlich gequält von schweren Zweifeln. Dann, mit Entschluß, hielt er Alfonso die Armbrust hin und sagte: »Hier hast du sie, Herr König. Wenn sie dir gefällt, schenk ich sie dir.« Alfonso war überrascht. Der Junge war anders als der Vater; an Geld und Gut hing er nicht, eine der großen Rittertugenden, die Largesse, besaß er. »Du bist ein wackerer Junge, Don Alazar«, rühmte er ihn. Der Knabe erzählte zutraulich: »Du mußt wissen, Herr König, es war keine Kunst für mich, zu gewinnen. Schon seit meinem fünften Jahr übe ich mich im Armbrustschießen. Wer kein guter Schütze ist, wird bei den Moslems in keinen Ritterorden aufgenommen.« – »Wird das im Ernst verlangt?« fragte Don Alfonso. »Aber gewiß, Herr König«, antwortete Alazar und zählte die zehn Tugenden eines moslemischen Ritters her, in geläufigem Arabisch, wie er sie hatte lernen müssen: »Güte, Tapferkeit, Höflichkeit und Takt, Begabung für die Poesie, für die Beredsamkeit, Stärke und Gesundheit des Körpers, Begabung fürs Reiten, fürs Lanzenwerfen, fürs Fechten und fürs Armbrustschießen.« Es flog Don Alfonso durch den Sinn, daß also er selber mit seiner geringen Übung in der Poesie und in der Beredsamkeit wenig Aussicht hätte, in einen moslemischen Ritterorden aufgenommen zu werden.

Am dritten Tage fanden die Stierkämpfe statt. An diesen Spielen durften nur die edelsten der Granden teilnehmen. Den Prälaten war, seitdem Eusebius, Bischof von Taragona, im Stierkampf schwer verwundet worden war, die Teilnahme verboten; sehr zum Leidwesen des Erzbischofs Don Martín, der sich zu gern in dieser ritterlichen Übung betätigt hätte.

Auf einer Tribüne, umgeben von den Ersten des Reiches, wohnte Don Alfonso mit seiner Königin den Spielen bei. Er war gut gelaunt; dem Kampf der Männer und der Stiere zuzuschauen, wärmte ihm das Herz.

Auf einer andern Tribüne und auf den Balkonen der Häuser ringsum saßen die geschmückten Damen, unter ihnen Doña Raquel. Wieder saß sie hinter den andern, halb verborgen, aber Don Alfonsos helles Aug erspähte sie, und er merkte auch, daß ihr Blick nicht immer dem Kampfe folgte, sondern manchmal auf ihn gerichtet war. Er erinnerte sich, wie sie, dieses junge Ding, kaum weniger dreist als der Vater, ihm ins Gesicht gesagt hatte, daß ihr seine Königsburg nicht gefalle. Und plötzlich kam ihn Lust an, sich an den Spielen zu beteiligen. Er durfte den netten Knaben, der ihm seine Armbrust hatte schenken wollen, nicht enttäuschen, er mußte sich vor seinem jungen Vetter bewähren, der ihn bewunderte. Es war klar, er mußte selber den Stier herausfordern und bestehen.

Don Manrique beschwor ihn, sein heiliges Leben nicht in unnützem Kampf aufs Spiel zu setzen. Doña Leonor bat ihn, abzulassen. Don Rodrigue gab zu bedenken, daß seit dem Sechsten Alfonso kein hispanischer König an einem Stierkampf teilgenommen habe. Erzbischof Don Martín wies darauf hin, wie er selber sich bezähme. Aber Don Alfonso, scherzend, voll jungenhafter Freude, ließ keinen Einwand gelten.

Er hatte den Königsmantel abgeworfen, schon legte man ihm das weitmaschige Panzerhemd an. Und es klangen die Trompeten, und der Herold rief: »Den nächsten Stier besteht Don Alfonso, von Gottes Gnaden König von Toledo und Kastilien.«

Er sah sehr gut aus, wie er da in die Schranken ritt, nicht in schwerer Rüstung, nur im beweglichen Panzerhemd, Hals und Kopf frei, das rotblonde Haar von der Eisenkappe gehalten. Er war ein ausgezeichneter Reiter, er verstand sich mit seinem Pferd bis in die kleinste Bewegung. Aber trotz aller Kunst mißglückten die drei ersten Stöße, und das dritte Mal sah es so gefährlich aus, daß alle aufschrien. Schnell indes hatte er wieder Gewalt über sich und das Pferd. Mit schmetternder Stimme rief er: »Für dich, Doña Leonor!«, und der vierte Stoß gelang.

Des Abends, im Bad, erzählte Doña Raquel der Amme Sa’ad: »Er ist sehr tapfer, dieser Alfonso, und es war wie in der Geschichte von dem Kaufmann Achmed, dem Weitgereisten, wie er in die Innere Kammer ging zu dem Ungeheuer. Ich habe solche Stierkämpfe nicht gern, ich finde es gut, daß man sie bei uns in Sevilla abgeschafft hat. Aber für diese Christen sind sie vielleicht das Richtige, und es war großartig anzusehen, wie ihr König auf den wilden Stier losritt. Vor dem letzten Stoß hat er die Lippen gerührt, das hab ich ganz deutlich gemerkt. Der Kaufmann Achmed hat, bevor er in die Innere Kammer ging, die Erste Sure gebetet; wahrscheinlich hat auch dieser König einen heiligen Spruch hergesagt. Geholfen hat es auch ihm. Und er hat ausgesehen wie der junge Morgen und sehr glücklich, als das Tier zusammenbrach. Er ist ein Held. Aber ein richtiger Ritter ist er nicht. Dazu fehlen ihm wichtige Tugenden. Er ist ungeschickt in der Rede und hat keinen Sinn für Poesie. Sonst könnte ihm auch seine alte, finstere Burg nicht so gefallen.« Don Alfonso und Doña Leonor hielten es nicht für angebracht, die Festlichkeit dieser Tage durch Gespräche zu trüben, in denen Streitpunkte erwähnt und geregelt werden mußten, und so blieb die Frage des Verlöbnisses und des Vasalleneides in der Schwebe.

Die Festwoche verging. Der große Tag war da, der Tag des Adoubements, der Schwertleite, der Tag, an dem Don Pedro den Ritterschlag erhalten sollte.

Am Morgen nahm der junge Prinz ein feierliches Reinigungsbad. Zwei Priester kleideten ihn an. Das Kleid war rot wie das Blut, das der Ritter vergießen sollte zur Verteidigung der Kirche und der göttlichen Ordnung; die Schuhe waren braun wie die Erde, in die er einmal eingehen wird; der Gürtel war weiß wie der reine Sinn, den zu wahren er geloben soll.