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Alle Glocken läuteten, als der junge Herr durch rosenbestreute Straßen zur Kirche des Santiago geführt wurde. Hier, inmitten der Granden und Damen von Kastilien und Aragon, erwartete ihn Don Alfonso. Edelknappen setzten dem feierlich gerührten Don Pedro den Helm auf, taten ihm das Panzerhemd an, überreichten ihm den dreieckigen Schild; jetzt besaß er die Waffen, sich zu verteidigen. Sie gürteten ihm das Schwert um; jetzt besaß er die Waffe, anzugreifen. Zwei Edelfräulein legten ihm die goldenen Sporen an; nun konnte er für Recht und Tugend in den Kampf reiten.

So angetan, kniete Don Pedro nieder, und Erzbischof Don Martín betete mit schallender Stimme: »Vater unser, der du bist im Himmel, und der du befohlen hast, auf Erden das Schwert zu gebrauchen, um die Bosheit zu bestrafen, und der du, um das Recht zu schützen, die christliche Ritterschaft eingesetzt hast: mache, daß dieser dein Knecht dieses sein Schwert niemals gebrauche, einen Unschuldigen zu treffen, doch immer, dein Recht und deine Ordnung zu verteidigen.«

Don Alfonso dachte daran, wie damals er, ganz jung noch, und nachdem er sich in den Straßen von Toledo blutig mit den Rebellen herumgeschlagen hatte, in die Ritterschaft aufgenommen worden war. Das war in der Kathedrale von Toledo gewesen, vor der Statue des Santiago; der Apostel selber hatte ihm die Ritterschaft verliehen. Vielleicht freilich hatte, wie die Zweifler vermuteten, nur das Standbild mittels eines kunstvoll automatischen Mechanismus ihm den Schwertschlag versetzt. Vielleicht aber auch hatte sich wirklich, wie ihm der Erzbischof versicherte, in jenem hohen Augenblick das Standbild in den Apostel zurückverwandelt. Warum sollte nicht Santiago selber kommen, den königlichen Knaben von Kastilien zum Ritter zu schlagen?

Mitleidig und verächtlich blickte er nieder auf den jungen Vetter, der demütig vor ihm kniete. Was alles hatte er selber schon vollbracht, als er nicht älter war als dieser! Aufständige Ricoshombres hatten von ihm eidliche Versicherungen verlangt, auf die sie angeblich Anspruch hatten; er aber, denn er war von Gottes Gnaden König von Toledo und Kastilien, hatte sie zornig angeschrien mit einer Stimme, die noch eine hohe Knabenstimme war: »Nein, nein!« und: »Auf die Knie mit euch, ihr Lumpen von Granden!« Und sie hatten ihm mit blankem Schwert gedroht und Truppen gegen ihn geschickt, und nochmals Truppen, und er hatte mit sehr wirklichen Feinden sehr wirkliche Hiebe und Stiche getauscht. Dieser aber, der da vor ihm kniete, sein junger Vetter, war nichts als ein armseliger König von Aragon, und der dumme Knabe wird sich ohne weiteres bequemen, seinen frechen Granden den knechtischen Eid zu leisten, den diese aragonischen Barone ihren sogenannten Königen abforderten: »Wir, die wir mehr sind als du, erwählen dich zu unserm König mit der Bedingung, daß du unsere Rechte und Freiheiten aufrecht hältst, und zwischen dir und uns wählen wir einen Schiedsrichter, der mehr Macht haben soll als du. Wenn nicht, nicht. Si no, no!« Es war große Gnade, wenn er einen solchen »König« zum künftigen Mann seiner Infantin und zu seinem Nachfolger annahm, und es war sehr wenig, wenn er dafür verlangte, daß er, Alfonso, bei Lebzeiten Oberhoheit ausübte in Hispanien.

Don Pedro jetzt, voll tiefer, ritterlicher Frömmigkeit, leistete den Schwur: »Ich gelobe, ich werde dieses mein Schwert niemals gebrauchen, einen Unschuldigen zu treffen, doch immer, das Recht und die heilige Ordnung Gottes zu verteidigen.« Und er neigte den Kopf und wartete auf den demütigenden, erhebenden Schwertschlag, der ihm seinen Ritterschwur für immer einprägen sollte.

Da kam der Schlag. Don Alfonso schlug ihm mit der flachen Klinge die Schultern, nicht sehr heftig, doch stark genug, daß der Schlag durch die Maschen des Panzerhemdes schmerzhaft spürbar war.

Don Pedro zuckte unwillkürlich mit den Schultern. Richtete den Kopf hoch, wollte sich erheben. Aber Don Alfonso hielt ihn zurück. »Nicht doch, Herr Vetter, noch nicht!« sagte er. »Wir verbinden Schwertleite und Lehenseid.« Und: »Gebt mir die Fahne!« befahl er. Auf die Fahne wartend, zog er den Handschuh von der rechten Hand. Dann, die Fahne Kastiliens in der Linken, sagte er: »Da du es so wünschest, mein Vetter Don Pedro von Aragon, nehme ich dich an zu meinem guten Vasallen und gelobe in Treuen, dich zu schützen, wenn du mich brauchst. So wahr mir Gott helfe.« Er sprach nicht laut, aber seine herrische Stimme füllte die Kirche.

Der junge Pedro, noch benommen von den Erregungen, Demütigungen, Erhebungen der Schwertleite und des Ritterschlages, wußte nicht, wie ihm geschah. Doña Leonor hatte ihm das Verlöbnis mit der Infantin und die Nachfolge in Kastilien in Aussicht gestellt. Oder hatte sie mehr getan, hatte sie ihm ein Versprechen gegeben? Und was war es mit diesem zweiten Eide, dem Vasalleneid? Hatte er sich mit seinen ungeübten Worten bereits verpflichtet? Aber durfte er überhaupt solche mißtrauischen Erwägungen anstellen? Gerade erst hatte er ritterlichen Gehorsam gelobt, und versagte er schon in der ersten Prüfung?

Da kniete er, der jüngere Ritter vor dem älteren, und dieser, mit männlicher, schmetternder Stimme jetzt, verlangte: »Du aber, Don Pedro, zum Zeichen, daß du mir dienen willst in Treuen und in der Furcht Gottes, wann immer ich dich brauche und rufe, küß mir die Hand!« Und er streckte die Hand dem Knienden hin.

Eine geradezu körperhafte Stille war in der menschenvollen Kirche. Bestürzt standen die aragonischen Herren. Seit mehr als einem Menschenalter hatte sich Aragon von der lästigen Vasallenschaft frei gehalten. Warum hatte ihr junger König dem Kastilier den schimpflichen Eid zugestanden? Waren die Verlöbnisurkunden ausgetauscht?

Und noch immer kniete Don Pedro, vor ihm die fordernde Hand. Die rückwärts standen, streckten sich, um zu sehen, was nun geschehe.

Und da geschah es. Der junge Aragon küßte die rechte Hand des Mannes, der mit der Linken die Fahne Kastiliens hielt. Und dieser gab ihm den Handschuh, und der Aragonier nahm ihn.

Kurze Zeit später, aus dem Dämmer der Kirche ins Helle, Freie tretend, umringt von seinen finster schweigenden Herren, erwachte Don Pedro aus Traum und Schwärmerei und erkannte, was geschehen war, was er angerichtet hatte.

Aber hatte er’s angerichtet? Der andere hatte ihn überrumpelt, ihn in eine freche Falle gelockt. Der hochverehrte Mann, der Spiegel alles Rittertums, hatte die heilige Handlung der Schwertleite und des Ritterschlags zu einem schurkischen Tort mißbraucht!

Ein Volksfest sollte sich der Kirchenfeier anschließen. Schon wartete das Ehrengeleit kastilischer Barone. Aber: »Wir brechen auf, Herren, und sogleich!« befahl Don Pedro den Seinen. »In unserer Hauptstadt werden wir beschließen, was weiter geschehen soll.« Und tumultuarisch klirrend, ohne den Kastiliern Blick und Gruß zu gönnen, verließ der junge König mit seinem Gefolge die Stadt Burgos. Dieses Mal verlor sogar die Königin ihren Gleichmut. Nun war es aus mit der Allianz, die ihr so am Herzen lag. Es war nicht Heldentum, es war kindischer Übermut gewesen, durch einen Gewaltstreich erzwingen zu wollen, was man durch gütliche Rede bestimmt hätte erhalten können.

Aber ihr Zorn hielt nicht vor. Alfonso war nun einmal nicht der Mann langwieriger Verhandlungen. Er wollte fliegen, nicht mühsam klettern. Sogar ihr Vater von Engelland, der größte König und klügste Staatsmann, hatte solche zornigen Anwandlungen; er hatte jene wilden Worte nicht zurückgehalten, die seine Ritter getrieben hatten, den Erzbischof von Canterbury umzubringen, wiewohl das größte Unheil daraus hatte wachsen müssen.

Don Manrique und Don Jehuda baten um Gehör. Sie ließ sie kommen.

Jehuda war voll von fressendem Ärger; wiederum war, was er mit so viel Mühe und Geduld aufgebaut hatte, durch das hirnlose Soldatentum des Königs zerschlagen. Auch Don Manrique war empört. Allein Doña Leonor wies jeden Tadel gegen Alfonso königlich fremd und würdig zurück. Alle Schuld lag bei dem jungen Pedro, der so brüsk und gegen alle Regeln der Courtoisie davongelaufen war, ehe man das offenbare Mißverständnis hatte aufklären können.

Don Manrique meinte, gewiß wäre es manierlicher gewesen, wenn der junge Herr in Burgos geblieben wäre. Aber dieser unmanierliche Fant war nun einmal König von Aragon. Zweifellos werde er jetzt den Gutierre de Castro zum Vasallen annehmen, und der Krieg, den ein günstiger Himmel abgewandt hatte, werde nun doch ausbrechen.