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Nur Geld muß er haben, Geld für einen Feldzug von mindestens einem halben Jahr, Geld, die Hilfsvölker zu lohnen.

Er befahl Jehuda zu sich.

Jehuda hatte, als der Kreuzzug ausgerufen wurde, schwere Sorge gespürt und gleichzeitig Erhebung. Da war nun der große Krieg da, den alle gefürchtet hatten, die Grenzen zwischen Islam und Christenheit wurden von neuem unsicher, seine, Jehudas, Aufgabe wuchs in den Himmel. Denn der Escrivano des Königs von Kastilien konnte mehr als andere tun, der Halbinsel den Frieden zu erhalten.

Wieder einmal erkannte er, wie weise sein Freund Musa war. Zeitlebens hatte Musa ihm zugeredet: sei gelassen, tu nicht zuviel, rechne nicht zuviel, füge dich dem Schicksal, vor dem alles Planen eitel ist. Er aber, Jehuda, konnte es nicht lassen, zu rechnen und zu planen und zu tun. Da hatte er, als der König den Krieg mit Aragon heraufbeschwor, Listen erdacht und war geschäftig übers Land gefahren, nach Norden und zurück nach Süden und wiederum nach Norden, und hatte verhandelt und gezettelt, und so hatte er’s ein zweites Mal getan, und da sich all sein Planen als vergeblich erwies, hatte er verzweifelt mit Gott gehadert. Das Schicksal aber, weise und scherzhaft wie sein Freund Musa, hatte gerade das, was ihm als höchstes Übel erschienen war, zum Keim des Segens werden lassen. Gerade dieses Zerwürfnis mit Aragon, das er geschäftig zu heilen versucht hatte, zwang nun Don Alfonso, sich dem Krieg fernzuhalten. Nicht aus seinem, Jehudas, klugen Rechnen und Wägen, sondern aus dem frechen, hirnlosen Tun Alfonsos wuchsen Glück und Frieden für die Halbinsel.

Aus Sevilla kam der Buchhändler und Verleger Chakam. Er war der größte Buchhändler der westlichen Welt, er beschäftigte vierzig Schreiber, in seinem schönen Hause gab es für die Bücher jeglicher Wissenschaft eine Sonderabteilung. Er überbrachte dem Don Jehuda als Geschenk des Emirs Abdullah die »Autobiographie« des Persers Ibn Sina in der Originalhandschrift. Ibn Sina, der vor nunmehr einhundertfünfzig Jahren gestorben war, galt als der größte Denker der islamischen Welt; auch die christlichen Gelehrten, die ihn unter dem Namen Avicenna kannten, schätzten ihn hoch. Um das Manuskript, welches jetzt der Verleger Chakam überbrachte, waren heftige Kämpfe gekämpft worden; ein Kalif von Córdova hatte den Inhaber der Handschrift und sein ganzes Geschlecht vernichtet, um sich in den Besitz des Manuskripts zu setzen. Jehuda konnte sich nicht fassen vor Freude über die kostbare Gabe des Emirs, er lief sogleich zu Musa, zärtlich und gerührt betrachteten die beiden die Schriftzeichen, mit denen jener Weiseste aller Sterblichen sein Leben festgehalten hatte.

Mit dem Geschenk überbrachte der Verleger Chakam dem Jehuda eine vertrauliche, mündliche Botschaft des Emirs. Der Fürst ließ seinem Freunde mitteilen, der Kalif Jakúb Almansúr treffe jetzt schon Vorbereitungen, bei der ersten Meldung eines Angriffs auf Sevilla an der Spitze eines Heeres nach der Halbinsel überzusetzen; er sei zu diesem Zweck aus dem Osten nach Marakesch zurückgekehrt. Emir Abdullah sei überzeugt, seinem Freunde Ibrahim liege an der Erhaltung des Friedens nicht weniger als ihm selber; vielleicht also tue er gut, die Könige der Ungläubigen zu warnen.

An dieses alles dachte Jehuda, als er jetzt vor Don Alfonso trat. »Da bist du ja endlich, mein Escrivano«, empfing ihn mit hämischer Höflichkeit der König. »Bist du wiederhergestellt, armer Kranker? Schade, daß du an meinem Kronrat nicht teilnehmen konntest.« – »Ich hätte«, erwiderte Jehuda, »keine andere Meinung abgeben können als deine andern Familiares. Als dein Escrivano muß ich deine Neutralität noch eifriger befürworten als sie. Denn bedenke dieses, Herr König. Nimmst du jetzt das Kreuz, so werden zahlreiche dir folgen, die du nicht unter deinen Kriegsknechten haben möchtest. Sehr viele deiner halbhörigen Bauern werden sich ins Heer einreihen lassen und Gebrauch machen von den Vergünstigungen, die den Kreuzfahrern zustehen. Sie werden ihre harte Tagesarbeit abschütteln und sich von dir ernähren lassen, statt dich und deine Barone zu ernähren. Das wäre verderblich für deine Wirtschaft.«

»Meine Wirtschaft!« höhnte Alfonso. »Begreife doch, du trauriger Rechner, es geht nicht um die ›Wirtschaft‹, es geht um die Ehre Gottes und des Königs von Kastilien.«

Don Jehuda blieb hartnäckig, obwohl er die gefährliche Wildheit Don Alfonsos erkannte. »Ehrerbietig bitte ich dich, Herr König«, sagte er, »mich nicht mißzuverstehen. Keineswegs rate ich dir vom Kriege ab. Im Gegenteil, ich rate dir, den Krieg vorzubereiten. Ja, ich bitte dich, jetzt schon Kriegssteuern einzuziehen, eben jene zusätzlichen Kriegssteuern, welche der Papst ausgeschrieben hat. Ich arbeite an einem Memorandum, welches beweist, daß du das Recht hast, diese Steuern zu erheben, auch wenn du noch nicht im Kriege bist.«

Er gab dem König Zeit, seinen Vorschlag zu bedenken, und fuhr fort: »Auch anderer Zufluß wird deinem Schatze kommen, solange du an dem Krieg nicht teilnimmst. Der Handel mit den Ländern des östlichen Islams hat aufgehört. Die großen Reeder und Kaufleute der Christenheit, die Venezier, die Pisaner, die flandrischen Händler, sie können nichts mehr aus dem Osten einführen. Die Produkte der reicheren Hälfte der Welt können nur mehr über die Kaufleute deiner Länder bezogen werden, Herr König. Wer immer etwas haben will vom Getreide der islamischen Welt, von ihrem Vieh, ihren edeln Pferden, er muß sich an dich wenden. Wer immer etwas haben will von den Gütern, welche der Kunstfleiß der moslemischen Schmiede erzeugt, von ihren wunderbaren Waffen, von ihrem herrlichen Metallwerk, wer immer in der Christenheit Seide des Islams haben will, Pelzwerk, Elfenbein und Goldstaub, Korallen und Perlen, vielfältiges Gewürz, Farben und Glas, er muß die Vermittlung deiner Untertanen anrufen. Bedenke das, Herr König. Der Schatz der andern Fürsten leert sich, solange dieser Krieg dauert, der deine wächst. Und wenn sie erschöpft sind, dann schlage du zu, Herr König von Kastilien, und schlage du den entscheidenden Schlag.«

Der Jude sprach eindringlich. Was er sagte, lockte den König.

Aber noch mehr brachte es ihn auf. »Schaff mir das Geld!« herrschte er Jehuda an. »Zweihunderttausend fürs erste! Ich will jetzt losschlagen, jetzt, jetzt! Verpfände, was du willst! Schaff mir das Geld!« Jehuda, erblaßt, antwortete: »Ich kann es nicht, Herr König. Und niemand sonst kann es.«

Alle Wut Alfonsos gegen sich selber und gegen die unselige Schickung, welche ihm seinen edelsten Ruhm stahl, kehrte sich gegen Jehuda. »Du hast diese Schmach über mich gebracht«, wütete er. »Du mit deinem schmählichen Waffenstillstand und deinen andern hebräischen Listen. Ein Verräter bist du! Für Sevilla zettelst du und für deine beschnittenen Freunde, daß ich sie nicht angreife und mir meine Ehre wieder hole. Du Verräter!«

Jehuda, noch tiefer erblaßt, schwieg. »Geh!« schrie der König ihn an. »Geh mir endlich aus den Augen!« Die Sondersteuer, von welcher Jehuda dem König gesprochen hatte, war der sogenannte Saladins-Zehnte. Es hatte nämlich der Papst verfügt, es solle in den Ländern der Christenheit ein jeder, der an dem großen Kriegszug gegen Sultan Saladin nicht teilnahm, wenigstens Geld beisteuern, und zwar sollte er ein Zehntel seiner Einkünfte und seiner beweglichen Güter zinsen.

Dem Escrivano des Königs von Kastilien war dieser Erlaß des Heiligen Vaters willkommen. Er und seine Juristen, seine Repositarii, fanden, daß der Saladins-Zehnte auch in den Reichen des Königs Alfonso erhoben werden müsse. Denn obgleich gottgewollte Notwendigkeiten den König Unsern Herrn zwangen, vorläufig neutral zu bleiben, so war doch diese Neutralität zeitlich befristet und der König also verpflichtet, für den Heiligen Krieg zu rüsten. So legte Jehuda in einem ausführlichen Memorandum dar.