Die Königin sprach als erste. »Friede sei mit dir, Ibrahim von Sevilla«, sagte sie arabisch. Die Gebildeten auch in den christlichen Königreichen der Halbinsel sprachen neben dem Lateinischen arabisch.
Die Höflichkeit für den Gast hätte verlangt, daß auch Alfonso ihn arabisch anredete, und so hatte er’s vorgehabt. Aber die Arroganz des Mannes, der nicht niederkniete, bewog ihn, lateinisch zu sprechen. »Salve, Domine Ibrahim«, grüßte er brummig.
Don Manrique legte in ein paar allgemeinen Sätzen dar, zu welchem Zwecke der Kaufmann Ibrahim kam. Doña Leonor mittlerweile, mit ruhigem, zeremoniösem Lächeln damenhaft vor sich hin schauend, musterte den Mann. Er war mittelgroß, doch ließen ihn die hohen Schuhe und die bei aller Lockerheit aufrechte Haltung groß erscheinen. Aus dem mattbräunlichen, von dem kurzen Vollbart umrahmten Gesicht schauten stille, mandelförmige Augen, wissend, etwas hochmütig. Lang und wohlgeschnitten fiel ihm von den Schultern der blaue Mantel des Geleites. Doña Leonor betrachtete neidisch den kostbaren Stoff; es war schwer, in der Christenheit solche Stoffe aufzutreiben. Aber wenn der Mann erst in ihren Diensten ist, wird er ihr vielleicht solchen Stoff beschaffen können, und auch gewisse, geradezu wundertätige Parfüms, von denen sie viel gehört hatte.
Der König hatte sich auf ein Spannbett gesetzt, eine Art Sofa; da saß er, halb liegend, in betont lockerer Haltung. »Ich hoffe nur«, sagte er, nachdem Don Manrique zu Ende war, »du wirst die zwanzigtausend Goldmaravedí, die anzuzahlen du dich verpflichtest, auch zur Zeit aufbringen.« – »Zwanzigtausend Goldmaravedí sind viel Geld«, antwortete Ibrahim, »und fünf Monate sind wenig Zeit. Aber das Geld wird in fünf Monaten zur Stelle sein, Herr König – vorausgesetzt, daß die Vollmachten, die der Vertrag mir einräumt, nicht Pergament bleiben.« – »Deine Zweifel sind verständlich, Ibrahim von Sevilla«, sagte der König. »Es sind geradezu unerhörte Vollmachten, die du dir ausbedungen hast. Meine Herren haben mir erklärt, du willst deine Hand auf alles legen, was die Gnade Gottes mir beschert hat, auf meine Steuern, meine Staatsgelder, meine Zölle, auf meine Eisen- und Salzbergwerke. Du scheinst ein unersättlicher Mann, Ibrahim von Sevilla.« Der Kaufmann antwortete ruhig: »Ich bin schwer zu sättigen, weil ich dich zu sättigen habe, Herr König. Wer ausgehungert ist, das bist du. Ich zahle zunächst die zwanzigtausend Goldmaravedí. Wieviel von den Geldern, aus denen eine kleine Kommission mir gehört, hereinzubekommen ist, bleibt fragwürdig. Deine Granden und Ricoshombres sind schwierige, gewalttätige Herren. Verzeih es dem Kaufmann, Dame«, wandte er sich mit tiefer Verneigung an Doña Leonor, und nun sprach er arabisch, »wenn er in deiner mondhaften Gegenwart von so nüchternen, langweiligen Dingen redet.«
Allein Don Alfonso bestand: »Ich hätte es angemessen gefunden, wenn du dich begnügt hättest, mein Alfakim zu sein, wie mein Jude Ibn Schoschan. Er war ein guter Jude, und ich bedaure seinen Hingang.« – »Es ehrt mich hoch, Herr König«, antwortete Ibrahim, »daß du mir die Nachfolge dieses klugen und erfolgreichen Mannes anvertraust. Allein wenn ich dir so dienen soll, wie es mein brennendes Verlangen ist, durfte ich mich mit den Vollmachten des edeln Ibn Schoschan – Allah bereite ihm alle Freuden des Paradieses – nicht begnügen.« Der König indes, als hätte der andere nichts gesagt, sprach weiter, und er glitt jetzt in die Landessprache, ins niedrige Latein, ins Kastilische: »Aber daß du verlangtest, mein Siegel zu führen, das fand ich, gelinde gesagt, ungebührlich.«
»Ich kann deine Steuern nicht eintreiben, Herr König«, erwiderte ruhig in langsamem, mühseligem Kastilisch der Kaufmann, »wenn ich nur dein Alfakim bin. Ich mußte verlangen, dein Escrivano zu sein. Denn wenn ich dein Siegel nicht führe, werden mir deine Granden nicht gehorchen.« – »Deine Stimme und die Wahl deiner Worte«, antwortete Don Alfonso, »ist bescheiden, wie es sich geziemt. Aber du täuschest mich nicht. Was du meinst, ist sehr stolz, ich möchte sagen« – und er gebrauchte ein starkes Wort des niedrigen Lateins –, »du bist unverschämt.« Manrique fiel rasch ein: »Der Herr König findet, du kennst deinen Wert.« – »Ja«, sagte mit ihrer hellen Stimme freundlich und in sehr gutem Latein Doña Leonor, »genau das meint der König.«
Wieder verneigte sich der Kaufmann tief, erst vor Leonor, dann vor Alfonso. »Ich kenne meinen Wert«, sagte er, »und ich kenne den Wert der königlichen Steuern. Wollet mich nicht mißverstehen«, fuhr er fort, »du nicht, Dame, du nicht, großer und stolzer König, und du nicht, edler Don Manrique. Gott hat dieses schöne Land Kastilien mit vielen Schätzen gesegnet und mit Möglichkeiten schier ohne Ende. Aber die Kriege, die deine Majestät und deine Vorfahren haben führen müssen, haben euch nicht die Zeit vergönnt, diesen Segen zu nutzen. Jetzt hast du beschlossen, Herr König, deinen Ländern acht Jahre Frieden zu wahren. Was alles kann in diesen acht Jahren an Reichtümern aus deinen Bergen und aus deinem fruchtbaren Boden und aus deinen Flüssen herausgeholt werden. Ich weiß Männer, die deine Knechte lehren können, ihre Äcker ertragreicher zu machen und ihr Vieh zu mehren. Und ich sehe das Eisen, das in deinen Bergen wächst, kostbares Eisen in unendlicher Menge. Ich sehe Kupfer, Lapislazuli, Quecksilber, Silber, und ich werde geschickte Hände herbeischaffen, die das alles herausholen und bereiten und mischen und mengen und schmieden. Ich werde aus den islamischen Ländern Leute herbeiholen, Herr König, die deine Waffenwerkstätten denen von Sevilla und von Córdova ebenbürtig machen. Und es gibt einen Stoff, von dem ihr in diesen Reichen des Nordens kaum noch gehört habt, einen Stoff – man nennt ihn Papier –, auf dem es sich leichter schreibt als auf Pergament, und der, kennt man erst das Geheimnis seiner Herstellung, fünfzehnmal billiger ist als Pergament, und an deinem Fluß Tajo ist alles da, was man benötigt, diesen Stoff herzustellen. Und dann wird das Wissen, Denken und Dichten reicher und tiefer werden in euern Ländern, Herr König und Frau Königin.«
Er sprach mit Schwung und Überzeugung, er richtete die glänzenden, sanft dringlichen Augen bald auf den König, bald auf Doña Leonor, und sie hörten interessiert, fast bewegt dem beredten Manne zu. Don Alfonso fand, was dieser Ibrahim vorbrachte, ein bißchen lächerlich, ja, anrüchig; man erwarb Güter nicht mit Mühe und Schweiß, man eroberte sie mit dem Schwert. Aber Alfonso hatte Phantasie, er sah die Schätze und das Blühen, welches der Mann ihm in Aussicht stellte. Ein großes, freudiges Lächeln ging über sein Gesicht, wieder war er ganz jung, und Doña Leonor fand ihn höchst liebenswert.
Und er tat den Mund auf und anerkannte: »Du sprichst gut, Ibrahim von Sevilla, und vielleicht wirst du einen Teil von dem tun können, was du versprichst. Du scheinst ein kluger, tatkundiger Mann.«
Aber als bereute er’s, daß er sich von dem Krämergerede zu solcher Anerkennung hatte verführen lassen, änderte er jäh seine Weise und sagte hänselnd höhnisch: »Ich höre, du hast einen teuern Preis gezahlt für mein Castillo, das frühere Castillo de Castro. Hast du eine zahlreiche Familie, daß du ein so großes Haus benötigst?« – »Ich habe einen Sohn und eine Tochter«, erwiderte der Kaufmann. »Aber ich habe gerne Freunde um mich, mit ihnen des Rates und des Gespräches zu pflegen. Auch gibt es viele, die meine Hilfe anrufen, und es ist wohlgefällig in den Augen Gottes, Schutzbedürftigen die Zuflucht nicht zu versagen.« – »Du läßt es dich was kosten«, sagte der König, »deinem Gotte zu dienen. Ich hätte es vorgezogen, dir das Castillo auf Lebenszeit umsonst zu überlassen, als Alboroque.« – »Das Haus«, antwortete der Kaufmann höflich, »hieß nicht immer Castillo de Castro. Früher hieß es Kasr Ibn Esra, und darum lag mir daran, es zu besitzen. Deine Räte, Herr König, haben dir wohl mitgeteilt, daß ich trotz meines arabischen Namens ein Mitglied der Familie Ibn Esra bin, und wir Ibn Esras wohnen nicht gerne in Häusern, die uns nicht gehören. Es war nicht Frechheit, Herr König«, fuhr er fort, und nun klang seine Stimme vertraulich, ehrerbietig und liebenswürdig, »was mich bewog, mir ein anderes Alboroque auszubitten.«