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«Ich denke, es ist d’Anjou, der Sohn Katharinas.» Sie winkte den Bewaffneten, den Gesandten loszulassen. Heiratspläne — die mußte sie erst hören.

«Ich fürchte, d’Anjou wäre ein Fehler. Ich weiß doch, daß Sie mit Recht nicht viel halten von den Valois. Nein, da ist ein kleiner Protestant aus dem Süden, den wollen die Valois sich als Schwager zulegen, und das wäre nicht dumm. Der könnte sie heraushauen.»

«Aber dann fallen sie in Flandern ein! Die Heirat der Prinzessin von Valois mit einem protestantischen Prinzen — ich weiß natürlich, wer! —, das bedeutet Krieg Frankreichs mit Spanien und den Einfall in Flandern. Ein geeinigtes Frankreich, das will ich nicht. In Frankreich muß Bürgerkrieg bleiben. Und in Flandern seh ich tausendmal lieber die Spanier, die ohnedies immer mehr herunterkommen durch ihren Papismus, als ein Frankreich, das sich einigt unter einem Protestanten.»

Um sich selbst besser reden zu hören, durchmaß Elisabeth langbeinig und mit großen Schritten den Saal. Den Wächtern hatte sie ungeduldig abgewinkt, und Walsington zog sich nach der entgegengesetzten Seite zurück, um seiner Königin Raum zu geben. Plötzlich blieb sie vor ihm stehen.

«Und ich soll den jungen Navarra heiraten, sagst du. Wie sieht er aus?»

«Nicht schlecht. Wenn es nur daran läge. Er ist allerdings kleiner als Sie.»

«Ich habe nichts gegen kleine Männer.»

«Sie sind als Mann oft sogar tüchtiger.»

«Was du sagst, Walsington! Ich habe darin so gar keine Erfahrung. Und sein Gesicht?»

«Er hat eine Farbe bräunlich wie Oliven und ein volles Oval.»

«Oh!»

«Nur die Nase — sie ist zu lang.»

«Das ist praktisch ein Vorteil.»

«Ja, die Länge. Aber nicht die Form. Denn sie senkt sich. Sie wird sich weiter senken mit der Zeit, fürchte ich.»

«Schade. Nun, es ist gleich. Ich werde ja doch einen so armseligen jungen Tropf nicht zum Mann nehmen. Und er? Sehr jung, wie?» fragte die Frau unbestimmten Alters. «Du hast ihm Hoffnungen auf mich gemacht? Da war er natürlich begeistert.»

«Ihn begeistert die Schönheit. Das Bild Eurer großen Majestät hat er mit Küssen und mit Tränen bedeckt», log der Gesandte.

«Das glaube ich. Und die Verbindung mit den Valois hast du ihm verleidet?»

«Da ich weiß, daß sie Ihnen unerwünscht wäre.»

«Schließlich bist du doch vielleicht kein Dummkopf. Wenn du nur kein Verräter bist!» Ihr Ton war scharf, aber gnädig. Der Gesandte begriff, daß die Gefahr, hingerichtet zu werden, zurücktrat, und er verbeugte sich tief.

«Herr Gesandter», begann Elisabeth und ließ sich endlich in ihren Sessel nieder, «ich warte noch immer darauf, daß Sie mir von den Verhandlungen zwischen den beiden Königinnen sprechen. Sehen Sie mich nur an! Ich meine die Königinnen Jeanne und Katharina. Ich weiß, daß die eine so gut mitbestimmt wie die andere, was aus Frankreich werden soll.»

«Meine Bewunderung Ihrer Geistesschärfe grenzt an Schrecken.»

«Das verstehe ich. Sie haben sich wohl nie gesagt, daß ich für meine Gesandten, die meine Spione sind, wieder andere Spione habe, und die beobachten sie selbst.»

Walsington nahm dies mit allen Zeichen des Erstaunens zur Kenntnis, so gut er es auch schon gewußt hatte.

«Ich gestehe», antwortete er schlicht, «daß ich zuerst nur von dem kleinen Prinzen Navarra, nicht aber von seiner Mutter gesprochen habe, weil meine Herrin eine schöne junge Königin ist. Hätte ich als Herrn einen alten König, dann unterhielte ich ihn ausschließlich von der Mutter des Prinzen. Denn die Gefährliche ist nur die Königin Jeanne.»

Er sah ihr an, daß er halb gewonnen hatte; daher blieb seine Stimme besonders ergeben und durchdrungen.

«Ich muß Eurer Majestät eine traurige Geschichte erzählen, daraus zu ersehen ist, daß die Menschen entsetzlich falsch und listig sind. Und so wurde die arme Königin Jeanne betrogen von einem Engländer.» Er schien selbst bestürzt und wehrte mit der Hand ab.

«Ich war es nicht. Denn wir sollen uns stets richtig verhalten. Es war nur einer meiner Beauftragten, und er selbst hatte den Einfall gehabt. Ich ließ ihn gewähren, und so begab er sich nach La Rochelle, wo alle Freunde der Königin Jeanne unfehlbar anzutreffen sind, auch Graf Ludwig von Nassau. Diesen Deutschen veranlaßte mein Agent, sich zu Bett zu legen und den Kranken zu spielen, so lange bis Jeanne ihn besuchte an seinem Schmerzenslager …»

Der Gesandte fuhr fort in seiner Geschichte, die weiterging wie eine Posse von Shakespeare; um so ernster blieb er, und das erhöhte das Vergnügen seiner Königin. Als sie schon viel gelacht hatte, stellte sie fest: «Wer naiv ist, wie Nassau, sollte nicht den Schlaukopf spielen. Redet Jeanne die französische Heirat aus, das einzige, was den deutschen Protestanten, wie den französischen, helfen könnte! Sie hat doch alles wirklich geglaubt? Daß ich ihren Sohn zum Mann nehme? Daß ihre Tochter Königin von Schottland wird?»

«Die allzu blendenden Aussichten werden immer für wahr genommen — gerade weil man nichts sieht», versicherte der Gesandte. Elisabeth sagte mit offener Anerkennung:

«So also war es, als Sie mich mit dem kleinen Navarra verlobten! Warum sind Sie damit nicht gleich anfangs herausgekommen? Muß ich Sie erst hinrichten lassen, Walsington, bevor ich von Ihnen etwas Erfreuliches höre?»

«Es hätte Ihnen noch nicht denselben Spaß gemacht wie jetzt, und ich denke nur daran, Eurer großen Majestät zu gefallen, selbst auf die Gefahr von Block und Beil.»

«Diesen guten Streich vergesse ich Ihnen nicht!»

«Er entstand ganz und gar im Kopf meines Agenten, eines gewissen Beel.»

«Das glaube ich Ihnen nicht. Sie versuchen, Ihr Verdienst durch Bescheidenheit zu vergrößern. Zahlen Sie immerhin Ihrem Beel eine Belohnung aus. Aber eine mäßige!» setzte Elisabeth, die rechnen konnte, sofort hinzu.

Stricke, Fallen und ein reiner Sinn

Jeanne, seine Mutter, war die dritte der gereiften Frauen, die an den Geschicken Henris arbeitete, und sie allein tat es um seinetwillen. Daher vertraute sie auch nur sich selbst, und durchaus nicht der Aufrichtigkeit der beiden anderen Königinnen. Sie ging allerdings zu dem Grafen von Nassau auf seinem Schmerzensbett, weil sie schon seit Tagen davon hörte, wie sehr ihr guter Freund stöhnen sollte. Sie fand ihn zwar hitzig und rot in seinen Kissen, aber eher vom Wein als vom Fieber, so schien es ihr. Dennoch ließ sie sich zuerst alles erzählen, was sein Kumpan, der Engländer Beel, ihm Schönes beigebracht hatte für sie: den Einbruch in der spanischen Gesandtschaft, die gefundenen Beweise, daß der Hof von Frankreich ein doppeltes Spiel trieb. Ihr bot man die Prinzessin als Schwiegertochter an, inzwischen aber versöhnte man sich mit Philipp von Spanien. Wie konnte Katharina dann noch die Bedingung Jeannes erfüllen und zusammen mit dem protestantischen Heer das spanische Flandern befreien!

Jeanne bedachte: ‹Von wem sollte er dies alles wissen, wenn nicht von den Engländern, die den Einbruch veranstaltet haben.› Inzwischen befühlte sie den dicken Ludovicus hinter den Ohren, auf der Stirn und fand, daß er kerngesund war. Infolgedessen ließ sie ihren Chirurgen eintreten und dem Patienten einige Mittel reichen, er mußte sie schlucken, ob er wollte oder nicht. Es dauerte nicht lange, bis der Arme ganz ungeheuer schwitzte; noch andere Wirkungen traten ein, die es Jeanne erwünscht machten, eine Weile das Zimmer zu verlassen. Als sie zurückkehrte, war ihr Opfer schon mürber, es gestand ohne Umschweife, daß ihm all seine Weisheit nur von Herrn Beel kam, und dieser war allerdings ein Agent Walsingtons. «Aber er ist mein Freund», sagte der vertrauensvolle Nassau, «und um meinetwillen dürfen Sie ihm alles glauben, Madame. Mich würde er nicht belügen.»

«Lieber Vetter, die Welt ist schlecht — außer Ihnen», bemerkte Jeanne mitleidig. Hierauf beschwor der protestantische Deutsche sie voll wirklich warmer Sorge, daß sie nur sich nicht auf die französische Heirat einlasse. Ihr Sohn würde durch diese Heirat dem Katholizismus verfallen, die Protestanten verlören ihren Führer, der Prinz dagegen gewänne nichts für sich selbst, obschon er die Religion verraten haben würde. Was wäre er denn als Gatte der Prinzessin von Valois? Noch längst nicht König von Frankreich. «Anderswo aber» — hier machte Nassau eine schwerwiegende Pause, «kann er König werden. Ein großer König. Seine Schwester, Ihre Tochter Catherine — Madame, sie wird gleichfalls Königin. Dies ist alles so sehr zum Vorteil der Religion, daß es schon darum wahr sein muß», setzte der Gute hinzu, «und ich glaube fest, daß der Auftrag, es Ihnen zu eröffnen, mir von Gott kommt.» Jeanne sah: seinen Beel hatte er vergessen.