Als sie ihn längst nicht mehr erwartete, bog auf einmal wieder ihr lieber Schwiegersohn um die Ecke. Er mußte sie ein allerletztes Mal sehen und ihr eine Haarlocke opfern. Es sind dicke Locken, wie die Protestanten sich eine um jedes Ohr schlingen. Die um das rechte hatte er seiner lieben Schwiegermutter gleich anfangs überlassen; zum Schluß durfte sie ihm auch noch die linke abschneiden. Dies ereignet sich bei einem ländlichen Friedhof, und in traulicher Stimmung wünscht Madame Catherine dort einzutreten. «Wenig Friedhöfe bei euch.» Sie schüttelt den Kopf. «Werden die Leute so alt?» Bleibt vor mehreren Gräbern stehen. Murmelt: «Wie die gut aufgehoben sind!» Unter der Erde sind die Menschen ihr lieber. Dann ist Friede, auch in ihrem Gemüt.
Später einmal, als König von Frankreich, wird Henri hinabsteigen zu der Gruft Katharinas von Medici, bei Lebzeiten Madame Catherine; wird ihren Sarg betrachten, und rückwärts zu seinem Gefolge wird er sagen — mit einem Ungewissen Lächeln, das niemand ganz versteht, wird er sagen: «Wie sie gut aufgehoben ist!»
Moralité
Il a choisi de combattre: s’est-il bien demandé ce que combattre veut dire? C’est surtout endurer, sans les mépriser, des peines multiples, très souvent perdues ou d’une portée infirne. On ne commence pas dans la vie par livrer de grandes batailles décisives. On est déjà heureux de se mainte-nir, à la sueur de son front, tout au long d’une lutte obscure et qui chaque jour est à recommencer. En prenant pierre à pierre des petites villes récalcitrantes et une province qui se refuse, ce futur roi fait tout à fait figure de travailleur, bien que son travail soit d’un genre spécial. Il lui faut vivre d’abord, et pauvre il paie en travail. C’est dire qu’il apprend à connaître la réealité en homme moyen. Voilà une nouveauté considerable: le chef d’un grand royaume et qui sans lui irait en se disso-ciant, débute en essuyant les misères communes. Il a des en-nemis et des amours pas toujours dignes de lui, ni les uns ni les autres, et qu’il n’aurait certainement pas en faisant le fier.
Cela pourrait très bien le rendre dur et cruel, comme c’est généralement le cas pour ceux qui arrivent d’en bas. Mais ju-stement, lui ne vient pas d’en bas. Il ne fait que passer par la condition des humbles. C’est ce qui lui permet d’être généreux et de se réclamer de tout ce que dans l’homme il peut y avoir d’humain. D’ailleurs l’éducation reçue pendant ses années de captivité l’avait prépare à être humaniste. La connaissance de l’intérieur de l’homme est bien la connaissance la plus chère-ment acquise d’une époque dont il sera le prince. Attention, c’est un moment unique dans l’histoire de cette partie du monde, qui va s’orienter moralement, et même pour plusieurs siècles. Ce prince des Pyrénées en passe de conquérir le royaume de France, pourrait ecouter les conseils d’un Ma-chiaveclass="underline" alors, rien de fait, il ne réussira pas. Mais c’est le ver-tueux Mornay qui le dirige et même qui le soumet à des épreuves qu’un autre ne tolérerait pas. Les secrets honteux de la personne la plus vénérée, voyez Henri y être initié et en souffrir en silence: vous aurez la mesure de ce qu’il pourra faire pour les hommes.[9]
Der Weg zum Thron
So bleibt es nicht
Zuerst war noch nicht alles in Ordnung. die königlichen Gatten Henri und Marguerite zogen feierlich in ihre Hauptstadt Pau ein, was sich alsbald als ein Irrtum erwies. Margot litt bei den eifersüchtigen Hugenotten große Kränkungen wegen ihres papistischen Gottesdienstes. Sie beschloß ein für allemal, Pau nicht wieder zu betreten. Außerdem verliebte der König von Navarra sich dort in eines ihrer Mädchen, was sie peinlicher empfand, als wenn es nur die Ehrenfräulein ihrer Mutter waren. Alles wurde beigelegt dadurch, daß Henri wieder einmal seine gewohnte Schwäche, ein mit nichts zu erklärendes Fieber bekam. Die Kopfschmerzen setzten nicht aus, weder bei Tag noch bei Nacht, er mußte immerfort umgebettet werden, unablässig brauchte er Kühlung sowie auch Zuspruch.
Man ist tapfer, alle sind es. Viele ertragen, daß ihnen Beine abgeschnitten werden bei vollem Bewußtsein. Ein Offizier, dessen Fuß unbrauchbar geworden ist, wird ihn sich eigens vom Körper trennen lassen, damit er auf einem angeschnallten Stock dem König von Navarra wieder dienen kann. Das alles geht. Unerträglich ist nur das Wanken des geistigen Innern, das Versagen der natürlichen Sicherheit, die Angst, die Angst.
Das war in Eauze, derselben Stadt, wo Henri schnell entschlossen einer Lebensgefahr begegnet war und wo er als eine kühne Neuerung gewagt hatte, menschlich zu sein. Eben dort lag er siebzehn Tage und glaubte sich als Mensch geschlagen, verworfen, gestrichen, unfähig zur Vollendung der Arbeiten und Mühen, denen er sich sonst gewachsen hielt. Er hielt sich ihnen sonst gewachsen in dem Grade, daß er ein Übermaß von Vergnügen hinzufügte und erschöpfenden Leidenschaften nicht auswich. Dafür liegt die reiche Natur zuweilen da wie ein Geschlagener, hat sich aufgegeben, und eine andere Person muß statt ihrer an sie glauben, falls das noch möglich ist. Hier war es seine Margot, seine wirklich treue Frau, so viele Liebhaber sie noch nehmen sollte. Sie kam die ganze Zeit seiner Krankheit nicht aus den Kleidern, wachte bei ihm, sprach ihm zu und rief ihn aus den Ängsten zurück. Nachher als Genesener sagte er etwas, das von ihm noch nicht war gehört worden: «Es steht geschrieben dort oben.» Was? Das wußten er und die Frau: überaus deutlich war es ihnen seit den Nächten von Eauze.
Dieser inhaltsreiche Aufenthalt hatte die beiden zu den allerbesten Freunden gemacht. Zurück in Nérac, durfte die Königin von Navarra ihren Hof einrichten nach Belieben und sogar ihren Gebieter zum feinen Herrn erziehen — was er in seinem Leben mehrmals wurde, wenn es darauf ankam. Diesmal blieb er es neun Monate, damals trug er die teuersten Anzüge, alles aus Holland oder Spanien, alles Samt und Seide, Purpur und Gold. Seiner Königin kaufte er allein zehn Fächer, einer glitzerte mehr als der andere. Er versah sie mit Duftwässern, den reichsten Kleidern und sogar mit Handschuhen aus Blumen. Er hielt ihr Zwerge, schwarze Pagen und Vögel «von den Inseln». Sie hatte im Park La Garenne ihre Kapelle, hörte die Messe; und dann war Empfang unter den wiegenden Wipfeln, es war Musik, es waren Verse, es war der Tanz und Frauendienst — alles von verklärter Einfachheit in der Luft des Parkes. Am Hof zu Nérac, einige Zeit unter wiegenden Wipfeln, wurde geistreich geschmachtet und töricht geträumt. Sehr hell war der Himmel, silbern sein Licht, und die Abende waren so mild.
Die Geister wurden geschmeidig, mochten die Waffen einmal rosten. Henri schrieb mit eigener Hand eine vollständige Übersetzung der Kommentare Caesars über den Feldzug in Gallien wie auch über den Bürgerkrieg. Die Federn bezog er aus Holland, die Tinte aus Paris, und das Papier vergoldete ihm sein Kammerdiener. Er liebte die prachtvollen Einbände der Bücher; aber diese hatte er auch schon schmücken lassen, als er selbst noch im abgeschabten Wams ging. Für den Geist hielt er beständig auf Form und wurde in Briefen, Erlassen, ja in Gesängen, die er später sollte anstimmen lassen während seiner Schlachten — wurde ein um so besserer Schriftsteller, je größer er zu handeln lernte: das eine um des anderen willen, und weil klarer Ausdruck durch dieselbe Seele geschieht wie echte Tat.
Er gebärdete sich hier, fühlte sich wohl auch die wenigen Monate wie ein gemachter Mann, ein Erbe von gesichertem Besitz, und Frieden und Glück — was alles gar nicht wirklich da war, und das heitere Traumspiel endete gleich dort, wo der Park La Garenne in das Land verläuft. Wie beglückte es ihn trotz allem, daß er seine Margot eine Weile konnte herrschen lassen über einen Hof und über einen galanten König, der er selbst war, denn ihr zu Ehren roch er gut, und seine Zähne waren überzogen mit Gold. Auch bestellte er für sie aus dem Schloß von Pau die schönsten Zimmereinrichtungen, das Tafelgeschirr aus Silber. Sie selbst hatte während ihres Besuches alte Harfen dort aufgestöbert: andere Damen mochten ehemals ihr Herz durch sie erleichtert haben wie jetzt Marguerite von Valois, die noch niemals in ihrem rastlosen Leben das Gleichmaß gekannt hatte, und nur hier begegnete sie ihm.
9
Er hat den Kampf gewählt: hat er sich wohl recht klargemacht, was Kämpfen bedeutet? Das heißt vor allem: vielfältige Mühen durchstehen, ohne sie gering zu achten, sie, die oft ganz umsonst oder von geringfügigster Tragweite sind. Am Anfang des Lebens liefert man nicht gleich große Entscheidungsschlachten. Man ist schon glücklich, wenn man sich im Schweiße seines Angesichts behaupten kann in einem lange währenden dunklen Ringen, das von Tag zu Tag neu zu bestehen ist. Während er so Stein um Stein der widerspenstigen kleinen Städte und eine sich zur Wehr setzende Provinz nimmt, hat dieser künftige König ganz das Aussehen eines Arbeiters, obwohl seine Arbeit von einer besonderen Art ist. Er muß zuerst einmal leben, und als Armer bezahlt er durch Arbeit. Das bedeutet, daß er die Wirklichkeit als Durchschnittsmensch kennenlernt. Das ist etwas bemerkenswert Neuartiges: der Fürst eines großen Königreiches, das ohne ihn der Auflösung entgegenginge, tut seine ersten Taten, indem er das allgemeine Elend durchlebt. Er hat Feinde und Liebschaften, die nicht immer seiner würdig sind, weder die einen noch die andern, und die er gewiß nicht haben würde, spielte er den Stolzen.
Das könnte ihn sehr wohl hart und grausam machen, wie es im allgemeinen bei denen der Fall ist, die von unten heraufkommen. Aber gerade er kommt ja nicht von unten herauf. Er macht nur das Leben der Niederen durch. Das erlaubt ihm, großmütig zu sein und sich auf alles das zu berufen, was der Mensch an Menschlichem in sich haben kann. Im übrigen hatte ihn die Erziehung, die er in den Jahren seiner Gefangenschaft erfahren hatte, zum Humanisten vorbereitet. Die Kenntnis des menschlichen Innern ist wohl die kostbarste Erkenntnis eines Zeitalters, dessen Fürst er sein wird. Achtgeben! Das ist ein einzigartiger Augenblick in der Geschichte dieses Teils der Welt, die sich — und sogar für mehrere Jahrhunderte — moralisch zurechtfinden will. Dieser Prinz aus den Pyrenäen, der darauf und dran ist, das Königreich Frankreich zu erobern, könnte auf den Rat eines Machiavelli gehört haben: nichts damit, da würde er keinen Erfolg haben. Doch der tugendhafte Mornay leitet ihn und unterwirft ihn sogar Prüfungen, die ein anderer nicht ertragen hätte. Wenn ihr seht, wie Henri in die schmachvollsten Geheimnisse des Wesens, das er am höchsten verehrt, eingeweiht wird und wie er all das schweigend erleidet, dann könnt ihr ermessen, was er für die Menschen vollbringen kann.