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Sie strich sich manchmal über die Stirn. Kein einziger Giftmord bis jetzt? Kein Erdolchter hinter einer Tür? Mich schlägt niemand, und sogar vor meinen Sinnen habe ich Ruhe. Ich muß weder meinen Bruder d’Alençon am Seil vom Fenster hinablassen noch selbst auf Abenteuer ausziehn. Demütigungen, Komödianterei, das Grauen um mich, in mir der quälende Drang — alles vorbei? Wirklich, hier bin ich. Ihre wunderbare Hand hatte über ihre Stirn gestrichen: die war schon wieder heiter, und die Königin dieses Hofes schritt zum Tanz mit artigen Edelleuten und Fräulein, die sich wohlverhielten. Sanfte Musik, die Flammen der Kerzen schwankten wenig in dem Hauch vom geöffneten Fenster; mild wie der Klang, das Licht, der Hauch, waren die Gesichter und die Herzen. Tanzen und Holdsein, die lange Nacht hinbringen in einer leichten Verliebtheit, die ganz unbestimmt ist. Margot könnte jedem den Mund reichen, sie küßt aber keinen, nur ihren Herrn.

So sind am Hof von Navarra alle, auch die Schwester des Königs, eine so strenge Protestantin. Obwohl durch einen ihrer Füße ein wenig gestört, bringt die junge Catherine dem jungen Rosny einen neuen Tanz bei, alle beneiden ihn um die Ehre. Sie übersieht sogar die Leidenschaft ihres Lebens für diese Weile, vergißt den Vetter in seinem Wald, entschlägt sich den Qualen des Gewissens und erlaubt dem leichtherzigen Turenne, ihr den Hof zu machen, als hätte es nichts zu sagen. Auch ihr Bruder Henri lebt und liebt, als bedeutete es nichts. So kann es nicht bleiben.

Der Erste

Von dem Anfall seines Leberleidens erholt, wurde Marschall Biron bösartiger als je; er glaubte den Gouverneur eingeschläfert. Nach besten Kräften verleumdete er ihn beim König von Frankreich. Die Kanzlei von Navarra und Philipp Mornay hatten alle Hände voll zu tun, wollten sie seinen Berichten begegnen. Voraussichtlich konnte der Streit nicht mehr lange auf schriftlichem Wege ausgetragen werden. Die Königin von Navarra sorgte für noch anderes Unbehagen. Eine Frau, die zum erstenmal im Leben glücklich ist, und ihr lieber Herr hat arge Feinde: wie kommt sie ihm zu Hilfe? Sie hinterbringt ihm, was sie erfährt; sie macht sich unentbehrlich.

Worte der Geringschätzung, die der König von Frankreich in der Stille seines Zimmers sollte gesprochen haben über seinen Schwager Navarra, Margot kannte sie; und war sie gerade ohne Nachrichten, erfand sie etwas. Sie haßte ihren königlichen Bruder, er hatte sie nur mißhandelt; darum sollte auch Henri gegen ihn aufgebracht sein. Wurde doch sie selbst verwundet von Kränkungen, die ihr Herr erfuhr. Der Herzog von Guise hatte sich über ihn lustig gemacht, sogar ihr geliebter Bruder Alençon war eingegangen auf den Spott, und dies bei der Dame Sauves, ihrer einstigen Freundin. Margot sah im Geist das gewitzte Lächeln der Frau, um so weniger wollte sie die gefallenen Worte mit eigenem Mund wiederholen: besonders nicht ihrem Herrn ins Gesicht.

Sie hatte aber unter ihren Fräulein ein sehr junges, fast ein Kind, ihr ganz ergeben: Franchise, aus dem Hause Montmorency-Fosseux. Man nannte sie Fosseuse. Henri sagte zu ihr: Töchterchen; und ihm zuliebe gab auch Margot der Kleinen den Namen Töchterchen — obwohl sie wußte, daß Henri ein nicht ausschließlich väterliches Gefühl nährte für Fosseuse. Das junge Fräulein erzählte ihrer verehrten Herrin alles, oder wenn nicht alles von ihren Anfechtungen, dann um so mehr von ihrem Widerstand. Dieses schüchterne Wesen schickte Margot ihm mit den ärgsten Botschaften: von kindlichen Lippen ausgesprochen, sollten sie ihn noch mehr reizen. Genug, in Schloß Louvre lachte man ihn aus, weil er noch immer nicht die Mitgift seiner Frau in Besitz genommen hatte: darunter mehrere Städte seiner eigenen Provinz Guyenne. Biron hielt sie vor ihm verschlossen.

«Mein lieber Herr», sagte das schüchterne junge Kind, kniete vor Henri hin und erhob die Hände zum Bitten. «Holen Sie sich doch die Mitgift der Königin von Navarra! Bestrafen Sie gefälligst den bösen Marschall!»

Das hatte er auch vor, indessen hütete er sich, es den Frauen einzugestehen. Als sein Heer schon zusammengezogen war und bereitstand, verriet er sich noch immer durch kein Wort, verbrachte vielmehr die letzte Nacht bei seiner Königin im Schlafzimmer. Dann ritt er fort, mit der Rose zwischen den Zähnen — wie zu einem Ringelspiel oder heiteren Wettstreit. Ging sein Vorhaben schlecht aus, wenigstens mußte Margot nichts verantworten und blieb verschont. Alle seine Edelleute waren so guter Dinge wie er selbst, es war wieder Mai, verliebt war der ganze Haufe: nannten auch den Feldzug, in den sie aufbrachen, den Krieg der Verliebten. D’Aubigné und sogar der nüchterne Rosny meinten im Ernst, nur aus Ritterlichkeit gegen die Damen sollte die Stadt Cahors gestürmt werden. Henri eröffnete sich niemandem, der ihn nicht selbst erriet: das war einzig Mornay. Es kommt darauf an, ein und dasselbe zu wollen auf allen Wegen, im Schwanken der Menschen und Dinge treu zu bleiben dem inneren Gesetz: aber das ist nicht angemaßt; es kommt weither, es reicht weithin. Auf Jahrhunderte blickt Gott, wenn er diesen anblickt. Davon wird Henri unbeirrbar — und unerforschlich, da nichts einen Menschen Ungewisser, geheimnisvoller erscheinen läßt als eine tiefe Festigkeit.

Es war sehr warm; in Sicht der Stadt, die es erstürmen sollte, trank das Heer zuerst noch aus einer Quelle im Schatten von Nußbäumen. Dann ging es an die Arbeit, die nicht leicht war. Auf drei Seiten wurde die Stadt Cahors vom Wasser des Flusses Lot geschützt, und auch die Besatzung verteidigte sie hauptsächlich dort; denn der vierte Zugang schreckte von selbst ab: so viele Hindernisse waren aufgehäuft schon unterwegs, noch bevor jemand durchdrang bis an das Stadttor. Dieses war aber insgeheim untersucht worden von zwei Offizieren des Königs von Navarra, die sich besonders auf das Sprengen verstanden. Kleine gußeiserne Mörser, mit Pulver gefüllt, wurden gegen ein Hindernis gelehnt und mit einer Lunte angezündet. Elf Uhr abends, unter einem dunklen Gewitterhimmel betrat das Heer ungesehen die feste Brücke, auf die niemand achtete: voran die beiden Hauptleute mit ihren Sprengkörpern. Damit räumten sie von der Brücke die Fallen und die Verschlüsse, ohne daß die in der Stadt das Krachen hörten, denn es donnerte grade. In einigem Abstand, wegen der fliegenden Trümmer, folgten fünfzig Arkebusiere, dann Roquelaure mit vierzig Edelleuten und sechzig Garden, und hinterher führte der König von Navarra die Hauptmacht, zweihundert Edelleute, zwölfhundert Schützen.

Wegen der Neuheit der Sache gelang die Sprengung des Tores nur halb. Die ersten krochen unten hindurch und erweiterten dann mit Axthieben die Öffnung, wovon die Bewohner der Stadt endlich erwachten und ihre Verteidiger herbeiriefen. Die ganze Stadt in Waffen, Sturmgeläut, und im Dunkeln sausen den Eingedrungenen um die Köpfe viele Wurfgeschosse wie Ziegel, Steine, Brandfackeln und Klötze Holz. Da hört man Waffen knistern, knattern und zerbrechen; «Schlag sie tot», wird geschrien, aber von erstickten und keuchenden Hälsen. In der Enge halten die Gegner einander tödlich umschlungen. Nach einer Viertelstunde des Handgemenges hätten die Angreifer verloren, aber Turenne griff ein, er bringt weitere fünfzig Edelleute, dreihundert Schützen, mit ihrer Hilfe gelangt der König von Navarra bis mitten in die Stadt.

Weiter ging es nicht. Ein großes Gebäude, und darin alle Verteidiger, hielten das Heer in gemessener Entfernung. Darüber wurde es Tag, auch das Heer befestigte sich jetzt in Häusern. Die Soldaten durften nicht plündern, der König von Navarra drohte, sie dafür zu erschießen, und wirklich wurden mehrere erschossen. In der Nacht darauf hatten sie noch immer nichts Rechtes gegessen, und schlafen mußten sie im Stehen; neben ihnen auf den Auslagen der Läden ruhten ihre Waffen und Rüstungen. Ein neuer Morgen, und neue harte Arbeit erwartete die Soldaten: Häuser zu durchbrechen, bis zehn Schritt von der Festung. Weiter ging es auch diesmal nicht, und schon wurde wieder Nacht.