Выбрать главу

«Gavarret», sagte er, «ich weiß, daß du mich töten willst. Jetzt kann ich dich selbst töten, wenn ich will.» Dabei schoß er in die Luft.

«Sire!» antwortete der Mörder. «Ihre Großmut ist bekannt, Sie werden mir mein Pferd nicht fortnehmen, es ist sechshundert Taler wert.»

Das war dem König von Navarra schon berichtet, und auch, daß der Mörder es geschenkt bekommen hatte, damit er ihn tötete. Er wendete daher das Pferd und ritt im Galopp nach dem Ort Gontaud, wo er es abgab. Seinem Offizier befahl er, diesen Gesellen auf gelegene Art loszuwerden, wie es auch geschah. Der Mann kehrte dann zu der römischen Religion zurück. Als er für ein gutes Pferd den König von Navarra töten wollte, gehörte er zur reformierten — war aber nicht dies noch das. Sondern er war von einer Gattung Mensch: die haßt nun einmal Henri, er fühlt es schon hier und wird Rache allmählich ganz unnütz finden. Die Mörder wachsen immer nach. Dieser war nur der erste.

Fama

Der zweite liess nicht warten, und er war ein Spanier: man mußte sich nicht den Kopf zerbrechen, woher er kam. Er schielte, hatte klaffende Nüstern und eine rundum geschwollene Stirn — kein schöner Mann. Dieser Loro, wie er sich nannte, wollte eine spanische Grenzfestung an den König von Navarra verraten, oder gab es vor, um bis in seine Leibesnähe zu gelangen, was aber fehlschlug. Dieselben Edelleute, die den König von Navarra vor Gavarret geschützt hatten, stellten den Spanier in einen offenen Gang: der umgibt das Schloß von Nérac. Dort stemmte jeder eines seiner Beine gegen die Mauer, und über diese lebenden Schranken hinweg sollte Loro zu dem König sprechen. Da er nichts vorzubringen hatte, außer betrügerischem Geschwätz, und auch am nächsten Tage nichts, wurde er erschossen. Es ist nicht leicht, fertig zu werden mit einem, den das Schicksal aufhebt, und es zeigt sogar schon flüchtig sein Gesicht. Die beiden Mordversuche verrieten, mehr als alles andere, daß Henri anfing, eine Macht zu werden.

Er beschränkte sich und blieb auf seinem eigenen Boden, den aber durchackerte er mit den Hufen seines Pferdes, bis jede Scholle sein war und für ihn Frucht trug. Die Städte waren jede einzeln gewonnen und erschlossen, die Menschen erobert von Grund auf — nicht mit Gewalt; erstürmen soll man Mauern, nicht Menschen. Diese sind freundlichen Beispielen zugänglich, wenn man sie statt dessen auch hängen könnte. Dann erreicht sie der Ruf, vernünftig und menschlich zu sein, was übrigens die Absicht der Religion ist. Sie hängten sich anfangs lieber selbst auf, endlich aber begriffen viele ihr wirkliches Wohl, wenn auch nur für eine Weile und wenige Geschlechter.

Der neue Stellvertreter des Gouverneurs der Guyenne war nicht sein Feind, er hätte es sich gar nicht mehr erlauben können. Damville, Gouverneur der benachbarten Provinz Languedoc, war sein Freund. Unerschütterlich stand vor dem Ozean, auf dem Mittelpunkt der langen Küste die Festung La Rochelle. Von ihr schräg abwärts gegen Süden führte die Linie: unterhalb ihrer hatte der König von Navarra für sich eine Mehrheit; diese erhoffte von ihm das verschiedenste, aber es war eine große Zahl Hoffender.

Die Gewöhnlichsten nannten ihn einfach lou noust Henric, und meinten damit nachgerade vieclass="underline" seine täglichen Mühen und Arbeiten unter ihren Augen seit langen Jahren; das Geld, das er aufwandte, die Waffen, die er führte — und seine Gestalt, den Reiter im Wams aus geripptem Samt, gebräunt die Wangen wie ihre eigenen, sanfter, fester Blick, und der kurze junge Bart. Wenn er vorbeikam, wurde ihr gefährdetes Leben sicherer; der Friede des Landes, der immer schwankt, stand diesmal fest im Gleichgewicht. Die anderen, Gelehrte oder auch nur Verständige, sprachen untereinander herum, was jetzt im mehr geistigen Sinn zu halten war vom König von Navarra. Sie fingen damals an zu sagen, sein Geist wäre lebhaft, sein Verhalten schlechthin unvergleichlich und sehr mutig die Art, wie er sich durchsetzte. Aus solchem Stoff sind die größten Fürsten erwachsen, versicherte jeder dem anderen und hatte sich wirklich davon überzeugt — wenn auch nicht ohne Dazutun der Kanzlei von Navarra.

Mornay leitete sie, und er behauptete in Berichten, die er umgehen ließ, über die Stellung seines Fürsten, daß alle guten Franzosen anfingen, den Blick auf ihn zu richten. Viele taten es erst darum wirklich: sogar die Fremden; denn Mornay schickte seine Werbeschrift nach England. Daraus ersahen Elisabeth und ihr Hof allerdings Günstiges genug über Henri von Navarra. Wenig blieb zu hoffen, wenn man Mornay hörte, von dem gegenwärtigen König von Frankreich, noch auch von seinem Bruder, der sich nach wie vor um die Königin bewarb und soeben bei ihr zu Gast war. Mornay fuhr sogar selbst hin, er übertraf persönlich die Tätigkeit seiner Partei und verhinderte die englische Heirat des Mannes mit den zwei Nasen: dies aber nur durch eine richtige Kennzeichnung des Irrwischs. Die Diplomatie soll Verwirrungen nicht aufkommen lassen. Wenn sie gut ist, bleibt sie bei der Wahrheit.

Eine andere Meinung wurde bekannt: zuerst in der Gegend ihres Ursprungs, dann weiterhin ging sie von Mund zu Mund. Der neue Bürgermeister von Bordeaux sollte sie zu einem anderen Humanisten geäußert haben. «Deutlich tritt in Erscheinung, daß alle diese Religionskriege nichts weiter sind als Unternehmungen zur Zerreißung Frankreichs.»

Vorbei die Zeiten, als Herr Michel de Montaigne sich hierüber in größter Heimlichkeit verständigte mit Henri von Navarra. Jetzt bekannte er es laut, und nicht nur in der Bibliothek seines kleinen Schlosses oder im Rathaus der Stadt Bordeaux, die ihn zu ihrem Oberhaupt erwählt hatte unter tätigem Beistand des Gouverneurs. Er hatte es auch geschrieben. Aus dem Turmzimmer seines kleinen Schlosses war ein Buch hervorgegangen, alle anderen Humanisten des ganzen Königreiches lasen es, sie ließen sich von ihm bestärken in der Mäßigung und im Zweifel. Beide waren ihnen angemessen, und wären dennoch durchaus verderblich gewesen, gesetzt, die Humanisten hätten nur denken gelernt, nicht aber auch reiten und zuschlagen. So stand es nicht. Sogar Montaigne war Soldat gewesen, trotz seinen ungeschickten Händen hatte er dies notwendige Handwerk getrieben — notwendig, weil es sonst allein den Hirnlosen überlassen bliebe. Das muß man wissen: wer denkt, soll handeln, und nur er. Dagegen gibt es das sittlich Ungeheure außerhalb der Grenzen der Vernunft. Das ist die Sache der Unwissenden, die gewalttätig werden durch ihre ausschweifende Dummheit. Ihre Versuchung und Gelegenheit ist die Gewalt. Seht den Zustand des Königreiches! Es verwahrlost, es wird ein Morast aus Blut und Lüge, und kein gerades, gesundes Geschlecht könnte auf einem solchen Boden noch heranwachsen, wenn nicht wir Humanisten auch ritten und zuschlügen. Des werden wir Sorge tragen. Verlaßt euch, daß wir reiten und zuschlagen! Zu unseren Häupten, auf den niedrigsten der Wolken, fahren mit uns über das Land hin sowohl Jesus von Nazareth als auch mehrere Gottheiten Griechenlands.

Herr Michel de Montaigne, seines Wertes bewußt, übersandte durch Kurier dem König von Navarra sein Buch — in Leder, und eingeprägt mit Gold das eigene Wappen des Edelmannes, wenn auch nur rückwärts. Vorn prangte das Wappen von Navarra; und eine solche Anordnung war sinnvoll, sie hieß: Fama hat uns einen Augenblick lang gleichgemacht. Sire, ich lasse Ihnen den Vortritt.

Die stolze Sendung sagte noch mehr. Dies Buch ist gedruckt worden in Bordeaux, von wo die Schiffe durch Sturm und Stille bis zu den fernen Inseln reisen. Es kann sein, daß dies Buch schließlich noch weiter als sie und durch die Jahrhunderte bis in die Unvergänglichkeit reist. Gewiß ist, Sire, daß ihm voraneilen wird Ihr Name. Eins wünsch ich mir so ehrlich wie das andere, da ich Ihr Gefährte bin, und nicht anders als Sie, das Recht, das mit mir geboren wurde, als einzelner Mann behaupte durch Kampf und Verdienst. Sire, Sie und ich sind, wie nicht leicht jemand, angewiesen auf Fama. Den Ruhm darf nicht leichtnehmen, wer dauerhafte Werke schreiben will oder den Geschmack der Menschen zu treffen gedenkt durch Taten.