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«Töchterchen, sei gut, wie könnt ich seinem Kinde weh tun!» — «Madame, auch noch Beleidigungen!»

Die ehemals Sanftmütige erstickte vor Zorn, ihr Hals lief blau an. «Wenn er nicht ausgeritten wäre, sollt er mir gleich bezeugen, daß ich fälschlich verdächtigt werde. Madame, alle will ich Lügen strafen. Madame, Sie mögen mich nicht und wollen mich stürzen», schrie Fosseuse, da sie wieder bei Atem war. Margot sprach um so leiser.

«Uns muß nicht jeder hören. Töchterchen, vertrau mir doch. Ich meine es mit dir wie eine Mutter. Wir beide können zusammen fortgehn, ich will dir selbst beistehn und Hilfe leisten.»

«Madame, Sie wollen mich töten lassen. Was Sie sich einbilden, ist nicht wahr.»

«Hör mich nur an. Wir nehmen als Vorwand unserer Reise die Pest, denn wirklich ist sie aufgetreten in einem Hause nah von hier, das dem König gehört.»

«Der König!» kreischte die Wütende, da sie Hufschläge hörte, stürzte aus dem Zimmer, stolperte und wäre zu Fall gekommen. Margot hielt sie aufrecht um seines Kindes willen. Kurz darauf aber trat er selbst bei ihr ein und zeigte sich erbittert gegen die arme Margot. Ihr glaubte er nicht, wie genau sie ihm alles erklären mochte. Er glaubte der albernen kleinen Lügnerin. Daran erkannte Margot zum erstenmal deutlich, daß ihr Glück zu Ende war. Sie verlor ihr Selbstvertrauen, das stolz gewesen war die Zeit über am Hof von Navarra. Mit der gesicherten Zukunft gab sie alsbald auch ihre Haltung auf und ließ ihre Natur ausschweifen wie nur jemals in Schloß Louvre.

Ihr geliebter Bruder d’Anjou, früher d’Alençon, traf etwas später zu Verhandlungen ein, und mit ihm sein schöner Oberstallmeister. Kaum erblickt, überwältigte dieser Edelmann die arme Margot und wurde der Herr ihrer Gedanken. Gegen ihren Bruder verstellte sie sich nicht. Als Mann und häßlich wie er, wäre sie ungefähr das gleiche geworden, ein Irrwisch, und hätte ihr Leben ganz vergeudet, anstatt nur Teile davon. «Champvallon ist der schönste Mann seit dem Altertum!» beteuerte Margot.

«Schneid ihm den Kopf ab», schlug ihr Bruder vor. «Balsamier ihn, setz ihm Edelsteine ein und führ ihn mit dir über Stock und Stein: das ist das Sicherste, wie du aus Erfahrung weißt, liebe Schwester.»

«Er ist die einzige Sonne meiner Seele! Mein schönes Herz, mein alles, mein Narziß!»

«Jedes Wort bestell ich ihm», versprach ihr Bruder, und tat es gern. «Deinem Hahnrei Navarra wird es eine Lehre sein. Er hat mich der Engländerin verleidet, und sie brachte mir doch jeden Morgen selbst die Schokolade. Nannte mich ihr Italienerchen und wollte immer fühlen, ob ich keinen geheimen Höcker hätte. Ha ha!» Das Lachen hatte er wie seine wohlgebildete Schwester — weich wie der Strich auf dunklen Geigen. Leider wurde der schöne Ton unheimlich, da er aus dem kleinen Körper kam.

«Mir ist, als würde ich eine gewisse Königin, die ihren Hof höchst satt hat, bald in Paris wiedersehen», sagte er später zum Abschied und fuhr dahin mitsamt der unvergleichlichen Antike, die ihm als Oberstallmeister diente. Margot aber reiste in ein Bad, nur ihre Mädchen und Edelleute begleiteten sie, nicht Henri. Er brachte Fosseuse in ein anderes Bad. Vorher hatte er sich dringend bemüht, damit beide Frauen dasselbe aufsuchten. Er hoffte, die Liebe zu ihm würde sie versöhnen — welchen Irrtum beide ihm übelnahmen, obwohl es der gewöhnlichste Irrtum ist. Henri beging ihn eigentlich wegen seines mitfühlenden Herzens, da er die arme Margot viel weinen sah. Nun weinte sie gewiß, weil Fosseuse ein Kind bekommen sollte und sie nicht, weinte über sich, die ihr Glück verloren hatte durch ihre Unfruchtbarkeit — beweinte ihre Unrast, der sie wieder verfallen war, und die neu hereingebrochenen Abenteuer. Aber auch dem Abenteuer, der schönen Antike, schickte sie Tränen nach; und es entschädigte sie, daß wenigstens diese Trauer ihr eigenes Werk und keine Demütigung durch andere war.

‹Wenn du wüßtest!› dachte sie in ihrem gequälten Herzen, weil Henri sie drängte, mit ihm und Fosseuse in dasselbe Bad zu kommen. ‹Ich hasse dich und liebe nur meinen Narziß!› So war es nicht; Margot haßte Henri hier noch durchaus nicht; durch Bemühungen aber, die man zuerst selbst nicht ernst meint, kann es schließlich wahr werden. Da Henri wählen mußte, entschied er sich für seine Geliebte anstatt für seine beste Freundin und führte sie oberhalb von Pau in das Gebirge, Eaux-Chaudes heißt der Ort. Er war einsam und schwer zugänglich. Vor der Ankunft bei den Bädern mußte man durch eine der gefährlichsten Stellen der Pyrenäen, «das Loch» genannt, und dies mit einer Frau in den Umständen wie Fosseuse.

Hier kam denn auch die neidische Rebours dahinter: solange hatte sie noch an ein Magenleiden geglaubt, infolge zu vieler Süßigkeiten. Sie behielt ihre Kenntnis für sich allein und benutzte sie nur, um die verhaßte Geliebte zu ängstigen, sooft sie allein waren. Die arme Margot konnte sich nichts Besseres wünschen. Grade darum hatte sie Rebours den Reisenden mitgegeben; ihr Geist weidete sich wenigstens an dieser einzigen Rache, wenn sie badete, allein und verlassen in Bagneres. Das Städtchen liegt an flacheren Abhängen, im Lande Bigorre, nicht in dem hugenottischen Bearn, das zu betreten Margot verschworen hatte, seitdem sie in Pau beleidigt worden war wegen der Messe.

Die arme Margot, sie verließ ihr Gefolge, irrte durch Wälder, und da sie zu ihrem Schutz einen Dolch bei sich trug, ritzte sie Worte in die Felsen. Zuerst war es der Name ihrer verlorengegangenen Antike, ihres Narziß, ja, seine körperlichen Vorzüge fügte sie im Umriß hinzu. Dabei weinte sie alle Tränen ihres Leibes, bis sie selbst nicht mehr sah, was sie tat. Als sie ihre Augen getrocknet hatte, las sie die zuletzt geschriebenen Buchstaben, und diese ergaben: Henri. Die arme Margot wurde wütend, sie setzte dahinter ein Kreuz. Dann weinte sie um so heftiger.

In Eaux-Chaudes inzwischen war alles eifrig beim Genuß der Natur und ihrer wunderbaren Kräfte. Eine Frau besonders, die sich in die heißen Quellen legt, ist sicher, glücklich niederzukommen. Andererseits ist dieses Wasser wirksam für die Heilung aller Verwundungen und gegen die Schmerzen, die verursacht sind durch häufiges Nächtigen im Freien auf kaltem Erdboden sowie durch alle übrigen Mühen des Krieges. Beide, Fosseuse und Henri, benutzten das Bad viele Stunden lang. Lauben aus Blättern faßten es ein, und diese waren eigens angefertigt für den Aufenthalt und den Arbeitern bezahlt mit sechs Pfund. Unter jeder Laube badete ein kranker Offizier oder sonst ein Gast, dem Henri alle seine Kosten vergütete, damit in der Welt die Rede wäre von den Quellen der Pyrenäen. Dichter wie Du Bartas verfaßten Verse auf sie und empfingen gleichfalls den Lohn. Den Weg herauf mitsamt seinen Gefahren machten daher viele Leute: der König von Navarra war immer umringt. Seine Schwester, die während seiner Abwesenheit in Pau das Land verwaltete, schickte ihm Berichterstatter auf Maultieren. Auch schwankten die steilen Pfade hinan Maultiere mit Schläuchen voll Wein. Tätigkeit und geselliger Eifer belebten das Hochgebirge.

Margot, dort unten, bewohnte eine bequeme Stadt, Bagneres, mit gutgehaltenen Thermen: schon die Damen und Herren des Altertums haben dort gebadet und den Sprudel getrunken. Die besten Häuser waren alle belegt mit der Begleitung der Königin von Navarra; um sie her schwirrte man, duftete, und redete ihr zu Ehren gut. Sie aber bedachte unablässig, was alles ihr geliebter Herr dort oben aufwendete an Mühen, Aufmerksamkeiten und Geduld — für Fosseuse, die seinen Sohn im Schoß trug. Die unfruchtbare Margot war alleingelassen. Sieh selbst zu, ob dieses Gewässer auch dich endlich fruchtbar macht. Solange bleibt dein geliebter und gehaßter Herr bei der anderen, die das Kind schon im Schoß trägt!

Trank sie den heißen Quell und legte sich hinein, dann war es ihr, als tränke sie das Nichts, läge in der steinernen Zelle wie eine Entschlafene. Schnell mußten laute, frohe Reden angestimmt werden durch die offenen Türen der Badestuben, längs des geweißten Ganges. Sie wollte Verse und ihre eigene klangreiche Stimme hören. Was sie überdies anhörte und täglich verschlang, inbrünstiger als das Heilwasser, war die heilige Messe, war der Zuspruch durch den Priester und das Gebet um das Kind. ‹Es wird sein: ich fühl es, es ist verheißen. Ich werd in meinem Schoß seinen Sohn tragen: dann verstößt er mich nicht und nimmt nicht Fosseuse. Ich muß ihn nicht hassen. Er soll König von Frankreich sein, ich seine Königin, der Dauphin wird geboren aus meinem Schoß. Das Glück ist erreicht, eingetreten ist die Ruhe. Nicht vergeblich war unsere große Liebe, die Blutschuld, wir beide soviel umgetrieben. Ruhe, Ruhe, und das Glück!›