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Als die arme Margot zurück nach Nérac fuhr, glaubte sie fest, sie wäre vorbereitet. Nun zog ihr geliebter Herr eines Morgens den Vorhang von ihrem Bett; angstvoll und verlegen bat er um ihren Beistand für Fosseuse. Sie möge ihm verzeihen, daß er bis jetzt verheimlicht hatte, was geschehen war. Darauf sagte sie: Soviel ihr von ihm auch immer käme — und konnte nicht weitersprechen. Ging aber in das Zimmer der Wehmutter, nachdem sie alle fortgeschickt hatte, denn bis zuletzt hatte Fosseuse die anderen getäuscht — und dort half Margot, die hier die Demut erreicht hat, ein Mädchen zur Welt zu bringen. Es war kein Sohn, die Gefahr war überstanden, Fosseuse sollte sie nie verdrängen. Henri ließ sogar zu, daß Margot die Abgedankte mit an den Hof von Frankreich nahm, als sie dorthin aufbrach. Das war ein bequemer Abschluß für Henri und erleichterte ihn.

Für Margot war es mehr. Sie reiste, zuerst um ihrer Würde willen; denn wäre sie nicht die Schwester des Königs von Frankreich, die sich herabgelassen hatte zu Henri, bevor sie für ihn sogar die Demut erlernte — ist sie doch immer eine Frau. Zwar bleibt sie unfruchtbar, hofft auf den Sohn nicht mehr, und auch nicht mehr auf Ruhe. Sie entfernt sich im Grunde, damit der Kampf zwischen ihr und ihrem geliebten Herrn nicht ausbricht, während sie noch beisammen sind, und nicht der Haß, solange sie noch Bett an Bett liegen. Nichts anderes bewegte sie anfangs; aber natürlich wurde Margot benutzt für die gewohnten Pläne, den König von Navarra an den Hof von Frankreich zu ziehen — als ob die Gefahren dieses Hofes ihr weniger bekannt gewesen wären als ihm. Indessen leugnete sie alle und beschrieb in ihren Briefen seine Feinde als ganz heruntergekommen, Guise gealtert, sein Bruder Mayenne entsetzlich fett. Warum tat die arme Margot es? Sie schrieb: «Wären Sie hier, Ihnen würden alle sich anbieten. In acht Tagen bekämen Sie mehr Freunde, als Ihr Leben lang dort unten.» Und das schrieb sie, weil sie es wünschte, stolz wie sie war auf ihren Herrn. Es konnte sogar die Wahrheit sein, oder die eine Seite der Wahrheit. Die andere dagegen blieb, daß ihr Herr den Guise verhaßt und bei ihrem königlichen Bruder nicht beliebt war. Da die Bartholomäusnacht von Karl dem Neunten nicht aufgehalten worden war, was konnte wohl sein Nachfolger verhindern. Schwach war dieser; so ungleich, verstört, gehetzt und alleingelassen war kein König gewesen. Die Herren von Lothringen sahen in Wirklichkeit anders aus, als Margot sie beschrieb. Die Stadt war voll ihrer Reiterei: sie ernannten, hoben Steuern ein und befahlen, nicht aber der König. Hätte Henri sich hinbegeben in die Mörderhöhle, die er kannte, der König von Frankreich begrüßte ihn vielleicht dennoch als seinen Retter, aber die Guise? Navarra, der einzige, der ihren Plänen noch im Wege war, wie sie dem König von Spanien ausdrücklich meldeten, was hätten sie getan mit Navarra? Man tötet nicht mehr eigenhändig, wenn schon gleich der Thron erreicht ist. Das war zur Zeit des Admirals Coligny. Jetzt veranstalteten Guise und seine Liga, sooft sie wollten, eine Volksbewegung: darin wäre, wie zufällig, Navarra umgekommen.

In Nérac bestand hierüber kein Zweifel; der Geheime Rat erwog es, Mornay setzte es auf. Las nun Henri die Briefe der armen Margot, dann hielt er sie für Verräterei, er konnte gar nicht anders — und sie waren einesteils wohl auch das. Abgesehen davon sprachen ihre ehrlichen Herzenswünsche für die Größe ihres Herrn. Da es aber mit ihr dahin kommen soll, verwirrt und entwertet Margot selbst ihr Verdienst, und Henri erkennt es nicht mehr.

Ihre doppelsinnigen Einladungen beantwortete er mit einer offenen Kränkung. Er verlangte, daß sie Fosseuse nicht fortschickte, sondern immer um sich behielt: damit beendete er absichtlich den gütlichen Verkehr. Übrigens dachte er damals schon nicht mehr an Fosseuse. Er war inzwischen von einer neuen Frau beglückt und hingerissen worden. Keine leichte Zärtlichkeit spielte sich diesmal ab und noch weniger eine Leidenschaft, dunkel wie Schicksal oder wie Blut. Als Henri diese Dame aus Bordeaux näher kennenlernte, gefiel ihm ihr selbstgewählter Name Corisande, der sie zu einem erlesenen Geschöpf wie aus romantischen Dichtungen machte. Ihn überraschte ihr phantastischer Aufzug, ein kleiner Narr, ein langer Mohr, Papageien, Affen und anderes mehr, womit umgeben sie zur Messe ging. Die Gräfin von Gramont war klug, sie war wohlredend und besonders war sie reich. Anstatt anderer Schönheiten hatte sie eine sehr weiße Haut. Da sie eine Freundin seiner Schwester war von Kindheit auf, hatte Henri sie auch früher schon gesehen. Jetzt auf einmal große Liebe, oder was er dafür hielt.

Zweifellos hat vom ersten Tage an die Dame ihn mehr geliebt als er sie. Sie hat ihn sogar vorher unbekannt erträumt, und ihr ganzer Aufzug war bestimmt, ihm aufzufallen. Er geisterte durch ihre Nächte, seitdem Fama seinen Namen ausrief, und sie hatte sich vorgesetzt, seine Muse zu sein. Die Muse eines großen Fürsten und Soldaten wird ihm Regimenter aufstellen mit ihrem Geld, nach Schlachten und Siegen wird sie ihm ihre weißen Arme öffnen. Besonders wird sie ihn schreiben lassen, Briefe und kein Ende; bei ihr wird er der unvergleichliche Schriftsteller sein. Das wird dauern die ganzen Jahre, bis der Ehrgeizige sich ausgestürmt hat. Dann wird es aufhören auch darum, weil das Antlitz der Muse nicht mehr blendend, sondern rot gefleckt ist. Diese wird, wie jede andere, enttäuscht und bitter sein, uneingedenk der erfüllten Aufgabe, die selbst erwählt war wie der Name Corisande.

All und jedes liegt verschieden bei Margot. Er schreibt ihr keine schönen und meisterhaften Briefe. Sie ist da, wenn ihr Körper da ist. Unverlierbar ist sie nicht, das ist keine; sie aber hat seine Jugend durch und durch geformt, mit Zauber und mit Fluch: beides geht ans Leben, anders als bei edlen Musen. Sie wird keine Regimenter aufstellen für ihren einzig geliebten Herrn, wird eher gegen ihn die Truppen schicken. Denn sie ist die unfruchtbare letzte und soll ihn vergeblich aufzuhalten suchen auf seinem Weg zum Thron. Sogar mit der Liga des Guise und des Teufels selbst wird sie sich zuletzt noch verbünden gegen ihr eigenes Haus, nur aus Haß gegen ihren geliebten Herrn. Als ihr Bruder Irrwisch tot ist, wird sie verstört umherfahren statt seiner, wie man sich benimmt beim Einsturz des Hauses; und gehetzt von dem Haß ihres Bruders König verschwindet sie schließlich als eine Frau allein — konnte nicht einmal mehr schaden, so allein, und verschwindet. Margot!

Noch ist sie im Louvre und will Henri dorthin locken mit den Beschreibungen der Feste. Natürlich weiß sie, daß er eine neue Freundin hat: darüber schweigt sie, aber sie rächt sich. Leider heiratet der unvergleichliche Narziß, sie ersetzt ihn bald und reichlich. Ihr königlicher Bruder wirft ihr, auf offenem Hofball, alle Namen ihrer Liebhaber ins Gesicht. Nächsten Tages muß sie fort, entehrt, verlassen, ja, noch auf ihrer Rückreise nach Süden wird sie plötzlich aufgehalten von Offizieren des Königs und durchsucht wie eine Diebin. Wer aber reitet ihr entgegen und nimmt sie mit sich in sein Schloß, zeigt sich mit ihr am Fenster? Wer ist gut für Margot, umarmt sie wortlos, damit sie weiß: einer leidet mit ihr, schämt sich auch mit ihr?

Am Abend saß sie neben Henri, der sich zum Schein unterhalten ließ von seinen Edelleuten: nur, damit er nicht viel sprechen mußte, besonders nicht zu Margot. Ihr wäre die Stimme erstickt, man sah sie wortlos weinen. Das waren Freudentränen, weil er gut war. Hinein mischten sich Tränen der Erbitterung über ihre eigene Ohnmacht. ‹Er liebt, und diesmal ernstlich! Ich bin allen im Wege, seiner Geliebten mit dem lächerlichen Namen, die mich noch vergiften wird, und darum ihm selbst. Was hilft gut sein. Ich bin schon nicht mehr da.›