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Die Dame klatschte in die Hände, aus dem Gehölz hervor sprengten zwei Reiter: fremde Offiziere. Erst als sie absaßen, erkannte Henri, daß sie an ihren Schärpen seine Farben trugen. Sie schwenkten ihre Federhüte über den Boden hin und baten die Gräfin Gramont um die Erlaubnis, ihr neues Regiment dem König von Navarra vorzuführen. Sie winkte gewährend. Nochmals die Hüte über den Boden und ab im Galopp: kaum hatte Henri sich gefaßt. Niemand war begabt, ihn zu überraschen und in ein Reich der Wunder zu versetzen, wie Corisande.

«Sire! Ich bin selbstsüchtig», sagte sie, um jeden Dank abzuschneiden. «Ich will Sie groß sehen.»

Er sagte: «Vielleicht verlieren Sie an mir Ihr Geld. Nicht einmal als König von Frankreich hätte ich genug, um Ihnen gebührend zu lohnen, was Sie jetzt tun.»

Die Begeisterung für seine «große Freundin» ergriff ihn. In seine Augen schossen die Tränen; er mochte wollen oder nicht, er mußte huldigen. Die Frauen sind der Maßstab: ob sie ihn begeistern oder er sie mißachtet. Sie sind das Leben selbst und wechseln mit ihm an Wert. Gräfin Diana erreichte heute den allerhöchsten, und sie begriff es. Verdienstvoll war es, daß sie ihn nicht aussprechen lassen wollte, was er nachher bereuen mußte, und sehr klug, daß sie ihn aufhielt.

«Sprechen Sie nicht, Sire! Wenn Sie einst in die Hauptstadt Ihres Königreiches einziehen, werden Sie zu einem Balkon hinaufblicken. Das ist alles und ist genug.»

«Sie sollen mit mir einziehen, Madame.»

«Wie wäre das möglich?» fragte sie in angstvoller Erwartung — und leider ist die Klugheit vergessen, wenn das Herz klopft.

«Denn Sie werden meine Königin sein.» Hierbei erhob er sich feierlich und blickte umher wie nach Zeugen, so viele in der Nähe wären. Wirklich traten aus dem Busch seine Leute, ihre aber zeigten sich drüben. Nun geschah es, daß er sich plötzlich verdüsterte, mit dem Fuß aufstampfte und eine schneidende Stimme annahm, um zu sagen: «Wer verriet mich wohl, damit meine Feinde mich finden, haben aber nur den Diener geschnappt? Ich weiß es. Die selige Königin von Navarra!»

So sehr haßte er Margot, daß er sie tot sagte. Sie hatte ihn verlassen, befestigte sich in der Stadt Agen und arbeitete für seinen Untergang. Er wünschte den ihren. Die Frau ihm gegenüber erschrak: ein Element stand vor ihr auf. Was bin ich daneben? Eine Fremde. Was soll von mir bleiben? Seine Briefe, lauter Worte, und die richtet er an sich selbst. Nur wer allein ist, spricht zu einer Muse. Diesen Atemzug lang war es ihr bewußt. Sie nahm voraus die unendlichen Bitternisse vieler Jahre, immer betrogen, niemals geheiratet, schließlich schämt er sich auch noch, da ihre Figur nachläßt und ihre Haut nicht mehr fleckenlos ist. Der Atemzug war getan, da wußte sie nichts mehr. Statt dessen Trommelwirbel, und das Regiment zog auf.

Im Eilschritt, leicht und munter, streifte es das Gehölz zu beiden Seiten, auf der weiten Wiese vereinigte es sich und schloß die Reihen. Die beiden Offiziere meldeten der Gräfin Gramont, daß ihr Regiment zur Stelle wäre. Sie, zum Zeichen einer Aufforderung, senkte vor dem König von Navarra ein wenig das Knie, wobei sie ihr langes Kleid raffte. Er nahm ihre Fingerspitzen, erhob sie und führte die Dame bis vor die Front der Truppe. Hier verneigte sie sich wieder und diesmal tief; dann rief sie tragend und schwingend über zweitausend Köpfe hinweg: «Ihr gehört dem König von Navarra.»

Der König von Navarra küßte der Gräfin Gramont die Hand. Er befahl dem Fahnenträger vorzutreten und bat sie, die Fahne zu weihen. Das tat sie und legte das schwere bestickte Tuch gegen ihr schönes Gesicht. Hierauf schritt der König von Navarra allein die Front ab, faßte diesen und jenen Soldaten vorn beim Wams, weil er ihn kannte, und plötzlich umarmte er einen, denn der hatte ihm schon gedient. Jeder hätte hören wollen, was er dem einzelnen sagte: zuletzt aber kam seine Ansprache an alle.

«Ich und ihr», verkündete er, «jetzt sind wir blitzblank und wie neu geboren, werden es aber nicht lange bleiben. Unser Stand will, daß wir ganz Blut und Pulver sind. Mit heiler Haut kommt davon, wer mir gut dient und nicht von mir weicht, wär’s um die Länge einer Hellebarde. Bin jedesmal fertig geworden mit den Faulpelzen drüben. Eng ist der rechte Weg zum Heil, uns aber führt Gott bei der Hand.»

Dies sprach der König von Navarra für seine zweitausend frischen Soldaten, die ihm jedes Wort glaubten. Sogleich fiel Trommelwirbel ein, die Fahne wurde geschwungen, und der König von Navarra stieg zu Pferd. Ihm blieb keine Zeit mehr, der Gräfin Gramont die Hand unter den Fuß zu halten, damit sie in ihren Sattel gelangte. Sie hatte sich von selbst hinaufgeschwungen, ihren Damen und Herren voran, sprengte sie von dannen.

Henri sah ihr nicht nach; er hatte sein Regiment.

Mit verhängten Zügeln

Kaum erreichte er mit seinem Regiment die Landstraße, da wälzte sich über ihr entferntes Ende ein gewaltiger Staub, was konnte er mitbringen, wenn nicht einen Feind. Auch war schon Hufschlag zu hören. Henri legte seine Truppe in den Graben und versteckte sie im Wald, bis sich herausstellte, wen er angreifen sollte. Währenddessen schnellen die ersten Reiter hervor aus den gelben Wolken; gleich werden sie hier sein. Drauf und dran! Henri selbst und seine Edelleute stellen ihre Tiere quer und greifen den Jagenden in die Zügel. Einer fällt vom Pferd bei dem Anprall, aber noch zwischen den Hufen ruft er herauf, entsetzt klingt es vor großer Dringlichkeit: «Der König von Frankreich!»

In diesem Augenblick enthüllt der Staub, was er verborgen hat, die sechsspännige Kutsche, die Vorreiter, Begleiter und das Gefolge — alles jagend mit verhängten Zügeln. Henri hat nicht mehr Zeit, die Straße zu räumen; auf einmal hält und wankt der Wagen. Die zurückgerissenen Tiere zittern, ihr Lenker flucht, die Reiter stehen in den Bügeln auf, einige schwingen die Waffe.

«Gut Freund, ihr Herren», rief Henri. Er zeigte ihnen Graben und Wald. «Ich habe ein Regiment Soldaten mitgebracht, um den König zu schützen.»

«Der Teufelskerl, er hat uns erwartet!» Sie sahen betroffen einander an und machten ihm Platz. «Wir reiten in einem Zuge von Paris, niemand kann uns überholt haben, außer er wäre durch die Luft gekommen.»

Henri saß ab, ging vor das Fenster der Kutsche und entblößte den Kopf. Die Scheibe war blind vom Staub, wurde auch nicht geöffnet. Keiner der Diener, die umherstanden, ließ es sich einfallen, dem König von Navarra den Schlag aufzumachen. Weil aber ein Staunen eintrat, wurde es still ringsum. Henri hielt selbst den Atem an. Als einziger in dem vollkommenen Schweigen vernahm er, was hinter der blinden Scheibe geschah. Er hörte den Weinkrampf des Königs.