«Hauptmann Sacremore, ich will von Ihnen wissen, wie das Töten ist. Getötet werden — auch das soll ich vielleicht erfahren, aber nicht durch Sie. Von dem feigen Mord sprechen Sie mir, als Soldat und brav. Nun?»
Der Mann hatte böse Augen, sonst war er schön in der Art von verwüsteten Einzelgängern. Saß in gefälliger Haltung, ein Edelmann aus italienischem Haus: die tiefe Ironie der Züge hätte ihn allein schon kenntlich gemacht. Er antwortete nicht. Henri schob ihm Wein hin, dafür dankte er wohlerzogen und trank das Glas leer. «Sie könnten vergiftet sein, Hauptmann Sacremore.»
Hierüber wunderte der Mörder sich höflich. «Sire! An Todesarten für mich fehlt es Ihnen nicht.»
«Welche, glauben Sie, werde ich wählen?»
«Sire, die ehrenhafteste, den Zweikampf», sagte der Mörder und gab seine List für Leichtsinn aus.
«Herr Charles de Birague, ich scherze nicht. Sie sind ins Land gekommen mit dem früheren Kanzler, der unsere Grundbesitzer im Gefängnis erdrosselte, damit die alte Königin erben konnte. Ihnen sind versprochen, wenn Sie mich töten, viele goldene Pistolen spanischer Prägung. Sie haben im Feld als Glückssoldat den Namen Sacremore erworben, bleiben aber ein Birague.»
«Sire, Sie wollen mich beschimpfen. Ich dagegen biete Ihnen an, daß wir uns ehrlich schlagen. Ich als Ihr Mörder bin Ihnen gleich geworden, darum sitzen Sie mit mir auf, hier in totenstiller Nacht.»
«Das weiß ich», sagte Henri. «Für diese Stunde sind Sie mir gleich. Was hätten Sie übrigens getan, wenn es Ihnen gelungen wäre?»
«Ich wäre in Diensten des Königs von Frankreich geblieben, und der hat mich auch abgeschickt.»
«Sie lügen — würden lügen, selbst wenn das Gold in Ihren Taschen nicht spanisch gewesen wäre.»
«Gut», gab Birague zu. «Aber in diesem Königreich wäre ich wirklich geblieben, denn es ist das schwächste, das beste für meinesgleichen. Es müssen die Einwohner mit aller Welt und unter sich zerfallen sein, dann sind sie meine Volksgenossen und machen mein Geschäft. Sire, ich weiß, daß Sie das ändern werden, wenn Sie am Leben bleiben. Darum hab ich mich an Ihnen versucht, hätte es sogar ohne Lohn getan.» Da sah Henri in der Schurkerei den graden Weg und die Festigkeit; er hätte es nicht geglaubt. «Sacremore, Ihr Kriegsname ist verdient oder fast.» Hiermit legte er seinen Dolch mitten auf den Tisch. «Wer schneller zufaßt, Sacremore!»
Kaum ausgesprochen, schon schnellte die Hand des Mörders ab, stieß aber auf die andere. Beide feindlichen Hände zogen sich zurück bis hinter den Tischrand. Nur die Augen hielten einander fest, sie bewachten einander sprungbereit, schaudernd und mit Hochgenuß. Henri indessen erdachte eine Überraschung. «Sacremore, erwarten Sie kein Geld mehr aus Spanien. Ich habe dort wissen lassen, daß Sie verraten haben und arbeiten künftig für mich.»
Dies hören, und der Mörder fletschte die Zähne, er war in seinem Haß kein schöner Mann mehr. Seine glühende Fratze erregte unbedingt Schrecken, vielleicht hieß er grade ihretwegen, wie er hieß; und so bekam er Zeit, um den Dolch an sich zu reißen. Henri konnte einzig noch den Tisch umstoßen, das tat er. Der Tisch war schwer; damit er nicht erschlagen wurde, gebrauchte der Mörder seine beiden Hände, dabei verlor er den Dolch. Als er vom Boden aufgekommen war, entsprang er durch die Tür, und den offenen Wandelgang dahin flüchtete er, leicht wie ein Mädchen.
«Sacremore! Bleiben Sie. Für Sie ist Geld bei mir zu verdienen.»
Piff paff, und ein Sturz von der Treppe. Der Wachtposten im Hof hat geschossen: kein Sacremore mehr.
Schade. Tapferer Kerl, und ich hätt ihn ehrlich gemacht. Durch Zufall umzukommen — nach einer solchen Nacht! Henri vergaß ganz, daß er selbst die Nacht und die Probe bestanden hatte. Man muß auch vor dem Mörder nicht zittern.
Der Ruf
Valois schlug sich gleicherweise umher mit den Mördern seines Königreiches und seinen eigenen: saß mit ihnen am Tisch und lebte im Grausen. Damals hielt er die Ständeversammlung zu Blois. Der König hatte sich dorthin geflüchtet; alsbald folgte Guise ihm, auch die Häupter der Liga machten sich auf die Strümpfe, die sechzehn, die jeder ein Pariser Stadtviertel befehligten. Ja, gemeines Volk aus der Hauptstadt wird hingeschafft, als Drohung für die vernünftigen Abgeordneten der Provinzen, auf die Valois allenfalls zählen dürfte. Vernunft ist anrüchig und wird abgeschreckt. Eine Bande von Geißelbrüdern überfällt den König; die muß er wohl empfangen, er hat ihre Aufführungen selbst schon mitgemacht aus Neigung, sich zu verkleiden. Ein Bruder seines toten Lieblings Joyeuse stellt den Gekreuzigten dar, eine ganze verwilderte Passion bricht in die Zuflucht des armen Königs ein, Christus blutet leibhaftig, die römischen Soldaten rasseln mit rostigen Waffen, unvermutet springen sie unter die aufgeregte Menge. Die heiligen Frauen sind eigentlich Kapuziner, um so besser können sie heulen, klagen und sich hinwerfen. Da bricht, unter den Hieben der Geißeln, auch der Menschensohn nieder. Heb ihn auf, Valois! Wenn du dich weigerst, verrätst du die Religion. Wo nicht, haben wir dich im Gewühl, und nur ein einziges Messer wäre nötig. Indessen fürchteten sie im Grunde sich selbst und ihren lästerlichen Rausch.
Was sollte ein gelehrter Jurist und Mitglied des Königlichen Parlamentes davon denken, denn auch diese Herren wurden mit gepreßt zu dem Unfug. Gelehrsamkeit wird schwer vergessen, und ein klarer Geist verwirrt sich nicht auf Befehl. In dem Fall erleichtert es den Umschwung, daß jemand der Massenbewegung beitritt: darin versinkt er bis über den Kopf; und wer sonst zuviel gedacht hätte, lernt es, aus massenhafter Gerührtheit und Volksverbundenheit zu heulen «wie ein Kalb». Der Präsident de Neuilly brachte es hierin weit genug, daß sogar der Tyrann Valois bewegt war, und gerade gegen ihn sollte er das gekränkte Volk doch aufbringen mit seinen Tränen, während ein Prediger Boucher dasselbe erreicht, wenn er schäumt. Jeder in seiner Art, der Herzog von Guise seinerseits machte es mit dem Drücken vieler schmutziger Hände, was ihm sehr zum Ekel war.
Dem Herzog von Guise begann alles zum Ekel zu werden, seine Rolle als Volksheld, sein Eifer in der Freundschaft für Spanien, sein Verkehr. Umringt von spanischen Galgenvögeln, die ihn beaufsichtigen, mußte er dem hochmögenden Gesandten Don Philipps seinen eigenen Fürsten schamlos preisgeben. Er mußte sprechen: «Der König, Ihr Herr, wird uns zu Hilfe kommen, wenn unser Fürst sich der Hugenotten bedient.» Guise wäre lieber selbst Hugenott geworden, als dies noch oft zu wiederholen.
Eitelkeit und seine Nachgiebigkeit gegen die Verehrung, die ihm unverdient entgegengebracht wurde, lauter Schwächen im Grunde, hatten ihn in seine falsche Laufbahn geworfen. Er war von zu guter Herkunft, um es nicht zu wissen. Nur ganz kleine Leute halten sich für große Männer, wenn eine verlogene und irrsinnige Massenbewegung sie auf Gipfel trägt, wohin sie nicht gehören. Heil mein Führer! hört ein Herzog von Guise und möchte sich verkriechen oder lieber noch die ganze Gesellschaft zurückjagen in ihre Kramläden. Sich mit dem König versöhnen, ist sein innigster Wunsch. Der König sollte ihn zu seinem Stellvertreter ernennen für das ganze Königreich, dies aber, bevor die Armada siegreich aus England zurück ist und die Spanier die Höhe der Unverschämtheit erreicht haben. Guise will ihnen noch vorher entgegentreten. Dafür ist eins nötig, auch die Ständeversammlung in Blois tagt nur zu dem einen Zweck.
Der König hat ihr versprechen müssen, die Ketzer auszurotten; jetzt soll er den König von Navarra verlustig erklären seiner Rechte als Erbe der Krone. Der König versucht Ausflüchte. Navarra selbst richtet an die Versammlung eine Denkschrift — feierlich erklärt sie gleichwohl seine Anwartschaft für verfallen. Abgesprochen werden ihm die Rechte eines ersten Prinzen von Geblüt.