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»Ich besitze davon auch eine ganze Menge, könnte jedoch nicht behaupten, daß sie mir viel genutzt haben.«

»Grenzen existieren allein für Könige und Soldaten, Majestät. Nicht aber für Handelsleute.«

»Hat Mardian dir gesagt, was ich von dir will?«

Während sein träger Blick sie musterte, zuckte er nicht einen Moment mit der Wimper. Phantastisch. Wenn jemand den Mut besaß, den Plan durchzuführen, dann war er es. »Hat er.«

»Und - du wirst es tun?«

»Mein Teil ist einfach. Erlaubt Ihr mir, offen zu reden, Majestät?« fragte er. In seiner Bitte lag nicht die leiseste Spur von Unterwürfigkeit.

Sie deutete ein leichtes Nicken an.

»Ich werde mit einer Ladung syrischer Teppiche nach Alexandria segeln, so wie ich es schon Hunderte Male zuvor getan habe. Dazu gehört keine Courage. Ihr seid diejenige, die Mut beweisen muß.«

Sie bewunderte die Kühnheit, mit der er sprach. Aber schließlich war es ja genau das, wofür sie ihn bezahlte. Und er hatte recht. Würde sie den Mut aufbringen, ihren Plan in die Tat umzusetzen?

Falls man in ihrem Fall überhaupt von Mut sprechen konnte. Das Jahr im Exil hatte sie ausgelaugt - selbst die Furcht verlor ihre Macht über die Seele, wenn sie zum ständigen Begleiter wurde.

Wie viele Nächte habe ich wach gelegen und Pothinos in Ketten vor mir gesehen, wie oft die kühle Brise des Königlichen Hafens auf der Haut gespürt, den Salzgeruch des Meeres in der Nase gehabt statt des faulen Atems und des beißenden Gestanks der Kamele. Ich sehne mich nach der Erfüllung meines Schicksals wie die Durstende, die vom Wasser träumt. Ich bin zu müde, zu wütend, um meiner Angst ins Auge zu sehen.

»Mein Mut ist meine Angelegenheit. Du mußt mir lediglich sagen, wie wir vorgehen.«

Apollodoros zuckte mit den breiten Schultern. »Caesar bewohnt den Palast an der Nordspitze der Lochias-Hänge in der Nähe des Isistempels.« Meine früheren Gemächer, dachte sie bitter. »Um dorthin zu gelangen, müssen wir den Königlichen Hafen ansteuern und an den Palaststufen anlegen. Da sich jedoch auch Euer Bruder Ptolemaios und sein Minister Pothinos innerhalb des Palastgebiets aufhalten, ist die Lage unübersichtlich geworden. Auf dem Gelände befinden sich nun makedonische Wachen wie auch römische Legionäre. Das bedeutet, daß Ihr erst sicher seid, wenn Ihr in Caesars Palast gelangt.«

»Es ist mein Palast, Apollodoros, obwohl ich nicht wegen Kleinigkeiten streiten will.«

Eine leichte Verneigung seinerseits, wie in Anerkennung ihrer Worte. »Meine Reisepapiere bringen uns sicher bis zum Palast, doch wenn Euch einer von Ptolemaios' Makedoniern erkennt, verlieren sie ihre Macht.«

»Und was wirst du dann tun?«

Er lächelte. »Das, Majestät, ist das, wofür Ihr mich bezahlt.«

Sie ließ sich von ihren Frauen auf das vortrefflichste für die Begegnung mit Caesar herrichten. Es würde die wichtigste Unterredung ihres Lebens werden, und sie wollte dabei so schön sein wie möglich.

Iras massierte sie mit Mandelöl und rieb ihr Gesicht und Hals mit Balsam ein, um sie gegen den heißen Wüstenwind zu schützen. Charmion flocht ihr das Haar zu dünnen Zöpfen, die sie zu einem hoch angesetzten Knoten band. Danach trug sie Antimon auf Augenbrauen und Lider auf, pinselte Ocker auf Kleopatras Lippen und färbte ihr die Handflächen und Fußsohlen mit Henna. Sie würde nicht vor Caesar auftauchen und aussehen, als wäre sie gerade aus einem unterirdischen Kanal hervorgekrochen.

Während die Sklavinnen sich mit ihr beschäftigten, studierte Kleopatra ihr Bild in einem Bronzespiegel. Was sie erblickte, war ein hochmütiges Mädchengesicht mit dunkel getönter Haut und hohen, aristokratischen Wangenknochen. Ihre Urgroßmutter war eine syrische Prinzessin gewesen, mit persischem Blut in den Adern. Zweifellos verdankte sie dieser die dunkle Hautfarbe und die schwarzen Augen. Sie wußte, daß es Menschen gab, die sie schön fanden, während andere wiederum behaupteten, ihre Züge seien zu scharf und gebieterisch für eine Frau. Sie besaß beileibe nicht die engelzarte Schönheit ihrer Schwester. Aber sie hatte Geist und Charme im Überfluß, außerdem den festen, kleinen Körper asiatischer Prinzessinnen und nicht zuletzt einen ausgeprägten Hang zum Theatralischen. Es mußte einfach genügen.

»Charmion, hast du schon einmal bei einem Mann gelegen?«

Charmion schaute sie erschrocken an. Sie war schließlich nur eine Sklavin.

»Nein, Majestät.«

»Sag die Wahrheit. Ich stelle dir keine Falle.«

»Es ist nicht so, als hätte ich nicht den Wunsch«, gestand Charmion, wobei sie dem forschenden Blick im Spiegel auswich. »Es bietet sich jedoch nur selten Gelegenheit, und außerdem fehlt mir der Mut.«

Kleopatra spürte, wie sich Enttäuschung in ihr breitmachte. Es wäre ja wohl zwecklos, Mardian dazu zu befragen. »Ich möchte mehr über diese Dinge erfahren. Wenn ich in Alexandria wäre, könnte ich mich selbst darum kümmern. Aber hier ist das anders, und ich möchte auf keinen Fall mit den Soldatenhuren der arabischen Söldner reden. Kennst du jemanden, der mir weiterhelfen kann?«

Charmion sah hoch, und ihre Blicke trafen sich im Spiegel. »Es gibt da eine Frau. Sie lebt in Askalon, hat sich dorthin zurückgezogen. Sie war früher sehr bekannt am Hof, unter den Männern jedenfalls. Eine heterai. Damals war sie sehr teuer.«

»Laß sie holen. Zahle ihr, was sie verlangt. Ich breche in zwei Tagen auf und muß sie vorher sehen.«

Charmion eilte fort. Kleopatra schloß die Augen, hörte dem Wind zu, der die Seidenwände ihres Zeltes peitschte, und roch die abgestandene Luft des Wüstenlagers, die durch den Eingang drang und den Duft des arabischen Weihrauchs überlagerte. Sie war froh, daß sie endlich von hier wegkommen würde, froh auch, daß sich die Zukunft bald entschied, zum Guten oder zum Schlechten. Caesar würde dafür Sorge tragen. Doch wenn sie ihm gegenüberstand, wollte sie wenigstens etwas von dem wissen, worin er bereits Meister war.

9

Ihr Name war Rachel und sie war Jüdin. Eine recht unübliche Herkunft für eine Kurtisane oder heterai. Sie wirkte um einiges jünger als die vierzig Jahre, die sie als ihr Alter angab. Tiefschwarzes Haar, feingliedrig, gepflegte dunkle Haut. Sie trug eine Tunika aus feinster dunkelroter Seide, die bei jedem Schritt schimmerte und mit einer schweren Goldspange gehalten wurde. An ihren nackten braunen Armen klimperten goldene Armreifen, und in der Nase steckte ein kleiner Ring, gleichfalls aus Gold. Die Fingernägel waren mit Schildpatt gelackt, und auf dem Haar thronte ein juwelenbesetztes Diadem. Sie war gekleidet wie eine Prinzessin - offenbar hatte sie ihr Gewerbe verstanden.

Die dunklen Augen glitzerten amüsiert und wissend.

Sie ließ den Blick über das Innere des königlichen Pavillons gleiten, die lichten Vorhänge, die mit Gold- und Silberfäden genäht worden waren, die dicken Wollteppiche in Gold und Pfauenblau, die Sitzkissen aus rotem handgepunztem Leder.

Kleopatra ruhte auf einem Diwan und ließ sich von einer taubstummen Sklavin mit einer langen Pfauenfeder Kühlung zufächeln und die Fliegen verjagen. Sie tat ihr Bestes, um so unbefangen wie möglich zu wirken, wenngleich es in ihrem Inneren anders aussah. Der Erfahrungsunterschied zwischen ihr und dieser Frau war zu groß.

Diese Jüdin tritt eher auf wie eine Königin als ich, dachte sie bei sich.

»Man erzählt, du seist über lange Jahre hinweg eine heterai gewesen«, eröffnete Kleopatra das Gespräch.

Rachels dunkle Augen blitzten. »Die beste, die es je gab. Inzwischen habe ich mich jedoch zurückgezogen.«

»Und kannst dir jeden Luxus erlauben, wie ich gehört habe. Hat Charmion dir erläutert, weshalb ich dich holen ließ?«

»Sie hat mir lediglich mitgeteilt, daß meine Dienste erwünscht seien. Außerdem war sie sehr großzügig, sonst wäre ich wohl nicht erschienen.«