Kleopatra erinnerte sich an den Bericht über seine dionysischen Gelage. Vielleicht glaubte er tatsächlich, einen Gott zu sehen, wenn er im Wasser auf sein Spiegelbild traf.
»Meine liebliche, geliebte Königin.« Er machte keinen Versuch, sie zu umarmen. Nun, ihr sollte es recht sein.
Welch ein Unterschied verglichen mit ihrer Ankunft damals in Tarsos! Anstelle der goldenen Aphrodite war sie als ptolemaische Königin gekommen, in einem smaragdgrünen Gewand mit goldenem Saum und weißen, weichen Sandalen. Zu dem Kleid trug sie eine Kette sowie Ohrringe und Armreifen aus Smaragden, und um ihren Oberarm schlängelte sich die goldene Kobra Ägyptens.
»Marcus«, sagte sie mit einem nachsichtigen Seufzer.
»Bitte, laß dich nieder.« Er deutete auf eine der Ruhebänke. Diener trugen silberne Schalen mit Trauben und gebrannten Nüssen herein und einen Krug mit Wein aus Laodicea. Kleopatra gab ihrer Leibwache einen Wink, woraufhin sie sich entfernte. Sie waren allein.
»Wo sind unsere Kinder?« fragte Antonius.
»Sie sind in Alexandria.«
»Du hast sie nicht mitgebracht?« Er wirkte gekränkt.
»Die Reise ist lang. Wenn du sie sehen möchtest, weißt du, wo du sie findest.«
»Geht es ihnen gut?«
»Sie werden groß und kräftig.«
Danach trat eine Pause ein. Er schien darauf zu warten, daß sie die Abwesenheit der Kinder noch weiter entschuldigte, versuchte, sie mit seinen enttäuschten Gefühlen ins Unrecht zu setzen. »Wie hast du sie genannt?«
»Das Mädchen Kleopatra, den Jungen Alexander.«
»Alexander«, wiederholte er versonnen. Kleopatra wußte, daß er mit der Wahl zufrieden war. »Wie sieht er aus?«
»Er hat dein lockiges Haar und den Körper eines kleinen Bullen. Er ist klug und aufrecht. Ohne das Haar und den Körper würde man nicht glauben, daß du der Vater bist.«
»Warum hast du es mir nicht gesagt... ehe ich Alexandria verließ?«
»Wärest du geblieben, wenn ich es dir mitgeteilt hätte?«
Er vermied eine direkte Antwort. »Nun, wenigstens hättest du es mir sagen können. Ich wußte nichts davon, bis es im Senat verkündet wurde.«
»Du warst mit deiner Hochzeit beschäftigt. Ich wollte dich nicht mit Nebensächlichkeiten stören.«
Danach herrschte wieder für eine Weile Stille. »Du siehst wundervoll aus«, sagte er schließlich.
»Und du schuldbewußt.« »Was hätte ich denn machen sollen?«
»Was du hättest machen sollen ist jedem klar, nur dir nicht.«
»Ich weiß, was du von mir hältst. Dennoch kennst du mein Herz nicht so gut, wie du glaubst. Du hast mir die ganze Zeit gefehlt. Wie viele Nächte lag ich bei Octavia und habe an dich gedacht!«
»Oh, inzwischen weiß ich, weshalb du die Augen offenhieltst, wenn du mich küßtest.«
Er sah sie verdutzt an.
»Du wolltest sehen, ob sich nicht etwas Besseres bot.«
Antonius füllte einen Pokal mit Wein und stürzte ihn in einem Zug herunter.
»Ich wußte, daß dieser Tag kommen würde«, fuhr Kleopatra fort.
»Ich habe darum gebetet«, warf er hastig ein.
Kleopatra lachte. »Marcus, bitte. Du hast zuviel Zeit mit Schauspielern verbracht, doch die schuldbewußte Miene steht dir nicht. Du hast Alexandria verlassen und danach keinen Gedanken mehr an mich verschwendet.«
»Das ist nicht wahr!«
»Es kommt der Wahrheit aber sehr nah.«
Antonius wirkte erbost, seine Wangen hatten sich kupferrot gefärbt. »Mach dich nur lustig, wenn du willst. Du verstehst die Zwangslage nicht, in der ich steckte. Dich konnte ich aufgrund des römischen Gesetzes nicht heiraten.«
»Oh, es war also ein rechtliches Problem! In meinen Augen war es eine Frage des Anstands.«
»Du versuchst nicht einmal, meine Lage zu erfassen.«
»Ich erfasse sie sehr gut. Damals war Octavia gut für dich und ich nicht, jetzt ist es umgekehrt. Ist es nicht so?«
»Sie war nie wirklich gut für mich.«
»Es ist einfach immer dasselbe mit dir. Als Caesar bei mir in Alexandria war, hast du in Rom dein Unheil getrieben. Er konnte die Lage gerade noch retten. Dann läßt du Fulvia gewähren, doch sie stirbt beizeiten, und das Problem bleibt dir erspart. Inzwischen hast du Octavian am Hals, und nun fragst du dich, wer dich dieses Mal rettet.«
»Ich werde wieder Herr über Rom sein. Ich werde Parthien niederwerfen.«
»Parthien? Dein Feind ist Rom, nicht Babylon.«
»Mein Schicksal beginnt hier in Antiochia. Hier hätte es Caesar hingeführt, wenn Cassius und Brutus ihn nicht ermordet hätten. Nur wer so groß wie Alexander ist, kann Rom überragen.«
Wie seltsam, dachte Kleopatra. In der Art hatte sich auch Caesar geäußert, als er an Alexanders Grabmal kniete.
»Du willst mich wieder an deiner Seite wissen, nicht wahr?«
»Es ist mein innigster Wunsch.«
»Sehr schön. Doch von nun an wird unsere Verbindung von mir bestimmt.«
Sein Verhalten veränderte sich. Aus dem mißverstandenen Mann wurde wieder der hochfahrende Römer. »Du kannst mir keine Bedingungen auferlegen. Ich kann mir Ägypten nehmen, wann immer ich will. Vergiß nicht, daß ich der Herr des Ostens bin und daß dein Thron von meinem Schutz abhängt. Ägypten ist eine römische Provinz.«
Eine römische Provinz? Sie sah ihm direkt in die Augen. »Das würde Octavian dir gar nicht gestatten. Solange er lebt, gehört dir Ägypten nicht. Wenn du es dir nähmest, bötest du ihm Anlaß zum Krieg. Ägypten bekommst du durch mich oder gar nicht.«
Antonius hatte seine Worte bereits bereut. Sie hatte recht, und beide wußten es.
»Ich werde dich gegen Parthien unterstützen«, fuhr Kleopatra unbeirrt fort. »Wenngleich ich den Krieg nicht für ratsam halte. Doch da du entschlossen bist, will ich meine Zweifel begraben. Der Krieg wird unsere gemeinsame Sache sein.
Doch zuerst meine Forderungen. Du wirst mir vier Jahre an Demütigung und Leid entgelten müssen.«
Antonius holte tief Luft. Genau das hatte er befürchtet. »Was sind das für Forderungen?« fragte er schließlich.
Vertrag, unterschrieben am heutigen Tag, zwischen Marcus Antonius, Triumvir von Rom, und Königin Kleopatra VII. von Ägypten.
Erstens. Königin Kleopatra überläßt die Hilfsmittel Ägyptens in Form von Geldern und militärischer Ausrüstung dem Triumvir Marcus Antonius, der darüber nach seinem Gutdünken verfügt.
Zweitens. Die Vertragsparteien schließen eine gesetzliche Ehe, die nach ägyptischem Ritual vollzogen wird.
Drittens. Marcus Antonius verzichtet auf den Titel des Königs von Ägypten. Er nennt sich hinfort Alleinherrscher über den Osten.
Viertens. Marcus Antonius erkennt Ptolemaios Caesar, Sohn von Kleopatra VII. und Julius Caesar, als rechtmäßigen Erben des ägyptischen Thrones an. Seine Kinder aus der Verbindung mit Kleopatra VII., Alexander und Kleopatra, werden mit Königreichen abgefunden, die sie aus der Hand ihrer Mutter Kleopatra VII. erhalten.
Fünftens. Kraft dieses Vertrages werden die nachstehend genannten Gebiete der ägyptischen Oberhoheit unterstellt und Kleopatra VII. sowie ihren Nachkommen übereignet: Sinai, Arabien (einschließlich der Zitadelle von Petra), das orientalische Ufer des Toten Meers, das Jordantal (einschließlich der Stadt Jericho), die judäischen Gebiete Samarias und Galiläas, die Küste von Phönizien (mit Ausnahme von Tyros und Sidon), der Libanon und die Nordküste Syriens, Kilikien (einschließlich der Stadt Tarsos) und Zypern.
Als Zeugen dieses Vertrages treten auf:
Marcus Canidius Crassus
Gajus Fonteius Capito
Marcus Quintus Dellius.
In Antiochia hatte der Winter eingesetzt. Von den Bergen zogen die Nebel herab und rollten sich in dichten Schwaden über die Zinnen der Festung. Sie brachten Regen mit, der sich in heftigen Güssen entlud. Die feuchte Kälte drang den Menschen bis in die Knochen, die trüben grauen Tage legten sich ihnen auf das Gemüt.