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»Euer Gemahl kann im Senat jederzeit mit mir rechnen«, versicherte er ihr gerade.

»Und mein Bruder?«

Er schaute sie verdattert an. »Euer Bruder desgleichen«, stotterte er. »Er selbstverständlich auch.«

Was in sich ein Widerspruch war, dachte Octavia. Welch ein Schafskopf!

Falls Antonius den Sieg in Parthien errang, würde Caesars Vermächtnis nicht mehr ausreichen, um Octavian zu retten. Ein derartiger Triumph wäre beispiellos. Und was Octavian betraf, so klänge Caesars Name hohl, wenn er an Sextus scheitern würde. Das geschähe Octavian jedoch nur recht, denn er hatte das Maß längst verloren, handelte grausam und kalt. Vielleicht würde ihm ein stilles Exil beschieden sein - falls sie es schaffte, sich für ihn einzusetzen. Auch das war ein Grund, warum sie weiter in diesem Haus verweilte.

Genau wie ihren Besuchern lag Octavia daran, Antonius ihrer Treue zu versichern, und wenn es nur um ihres Bruders willen geschah. Wenn sie nur absehen könnte, wie die Sache ausgehen würde!

In Alexandria

Die Winterstürme tobten um den Leuchtturm, der von grauen Regenschwaden verhüllt wurde. Das Meer brandete in aufschäumenden Gischtwellen gegen den Sockel. Kleopatra legte die Hand auf ihren Bauch. Sie spürte, wie sich das Kind bewegte, winzige Tritte eines Wesens, das ins Leben drängte.

In diesen Tagen fiel es ihr schwerer als früher, sich auf ihre Pflichten zu konzentrieren, wobei es nicht nur das Kind war, das sie ermatten ließ. In Parthien mußte es schon zum Kampf gekommen sein - und damit zu Siegen und Niederlagen. Das Schicksal hatte bereits Entscheidungen getroffen. Doch wie sie aussahen, wußte Kleopatra nicht.

Sie stellte sich manchmal den Boten vor - wie er atemlos zu ihr gehetzt kam und die Metallhülle schwang, die die Nachricht enthielt. Wie er sich verhaspelte, während er die Ereignisse schilderte und die leuchtenden Heldentaten beschrieb. Wie sie abermals nach Rom reisen würde, um bei Antonius' Triumph dabeizusein, dem größten, den es je gegeben hatte, bedeutender noch als die Triumphe Caesars. Antonius wäre der Herr der Welt, könnte sich das nehmen, was Caesar versagt geblieben war, den Titel, nach dem er gedürstet hatte. Rex. König.

Und sie wäre seine Frau, seine militärische Verbündete. Kein Hindernis stünde ihrer offiziellen Vermählung mehr im Weg. Niemand würde es wagen, dem Sieger von Parthien zu trotzen. Sie und Antonius wären die Erben des größten Reiches seit Alexander. Sie wären Rom.

Und ihr Caesarion wäre der rechtmäßige Nachkomme. Nicht dieser Emporkömmling, dieses verweichlichte Männerliebchen -dieser Octavian.

Der Sturm warf sich mit Macht gegen die Mauern, riß in den Gärten Büsche aus, bog die Palmen bis zur Erde. Das Kind bewegte sich abermals.

Alexandria, wie überhaupt ein großer Teil der Welt, war voller Erwartungen, Befürchtungen - überall schwirrten Gerüchte herum. Man hatte das Töpferorakel befragt. Auf den Fischmärkten, in den Basaren und in den Gängen des Palasts wurde von nichts anderem gemunkelt. Es war eine uralte Weissagung, die vor dreihundert Jahren aus demotischem Ägyptisch ins Griechische übersetzt worden war. Es sprach von einer ägyptischen Königin, die Rom erobern, Asien vereinen und ein neues Zeitalter ausrufen würde, das Zeitalter der Sonne.

»,.. und während Rom noch zaudert über der Eroberung Ägyptens, erscheint die mächtige Königin des Ewigen Königs unter den Menschen.

Unstillbarer Zorn unter den römischen Männern.

Drei werden Rom ein klägliches Schicksal bescheren, die Menschen sterben in ihren Häusern, aus dem Himmel stürzen sich feurige Fluten.

Der Heilige Herr schwingt sein Zepter über der Erde, denn er wird hinfort über sie herrschen.

Eintracht und Liebe, gut und gerecht,

Brüderlichkeit zwischen den Menschen.

Die Armut entflieht, nach ihr Chaos und Leid,

Neid, Schuld, Zorn und Narrheit, blutrünstiger Streit und Gier,

Diebstahl und Zerstörung sowie auch die anderen Übel.

Sie werden fortan erlöschen.

Das war natürlich zusammengereimter Unsinn, doch Kleopatra konnte sich ihn womöglich zunutze machen. Die Menschen sehnten sich nach einem Retter, der sie vom römischen Joch befreite. Warum sollte es sich dabei nicht um Kleopatra und Antonius handeln, die die Welt im lodernden Feuerschein des Ruhmes erlösten?

Überdies erwähnte das Orakel auch ein goldenes Kind, das am Geburtstag der Sonne geboren würde, am fünfundzwanzigsten Tag des römischen Monats Decembris. Kleopatra bezweifelte allerdings, daß Antonius' Kind sich noch bis dahin gedulden würde. Doch es gab andere Wege, die Weissagung so zu deuten, daß sie der Wirklichkeit entsprach.

Neue Nachrichten kamen aus Rom, und alle waren schlecht. Octavian hatte in Sizilien gesiegt, Sextus' Flotte war zerstört. Agrippa hatte seine Kritiker eines Besseren belehrt und die Seeschlacht gewonnen. Seine frisch ausgebildeten Ruderer und seine neue Flotte hatten den Sohn des Neptuns bezwungen. Agrippa hatte eine neue Waffe entwickelt, die harapax, ein Katapult, das mit Enterhaken schoß, so daß die kleineren Liburnen an die schwimmenden Festungen gezogen und von dort aus zerstört werden konnten. Sextus hatte alles auf eine einzige Seeschlacht gesetzt - und verloren. Er floh mit dem Rest seiner Flotte nach Osten, mit siebzehn Schiffen von vormals dreihundert.

Auch ein anderes Geschehen hatte sich für Octavian günstig entwickelt. Sextus' Fußsoldaten hatten sich Marcus Lepidus ergeben, dem vergessenen Mitglied des Triumvirats. Verbittert aufgrund der Vielzahl an Kränkungen hatte jener die Truppen benutzt, um Octavian herauszufordern und Sizilien für sich zu beanspruchen. Er hatte jedoch die Stimmung unter den Soldaten verkannt, die der Kämpfe längst überdrüssig waren. Als der junge Caesar mit einer Handvoll Offiziere in Lepidus' Lager einmarschierte, schlugen sie sich auf seine Seite. Lepidus hatte um Gnade gefleht und sich Octavian zu Füßen geworfen. Dieser hatte sich ausnahmsweise als großzügig erwiesen und ihm den Rückzug ins Exil gestattet, anstatt ihn an einem Baum aufzuknüpfen.

Nun besaß Octavian auch Lepidus' Armee. Zusammen mit seiner eigenen bedeuteten das fünfundvierzig Legionen mit hundertzwanzigtausend Soldaten, die ihm unterstanden. Er ist wie eine Hydra, dachte Kleopatra. Gerade noch wähnt man ihn am Ende, doch schon reckt sich ein neuer Kopf in die Höhe. Das konnte einem wahrhaftig die Laune verderben. Wie schaffte das elende Bübchen es nur, daß ihm alles gelang?

Im zweiten Monat des neuen ägyptischen Jahres, als der Nil seinen höchsten Stand erreicht hatte, schenkte Kleopatra einem Sohn das Leben. Ptolemaios Philadelphos. Kurz danach erhielt sie weitere Nachrichten aus Rom: Octavian hatte im Forum das Ende der Bürgerkriege verkündet. Die verängstigten Senatoren hatten ihm das Tragen des Lorbeerkranzes gestattet, und zwar zu jeder Zeit, genau wie Caesar.

Das verändert alles, dachte Kleopatra. Nun muß Antonius ihnen den Kopf des Partherkönigs auf einem Silbertablett überbringen, denn sonst ergeht es uns schlecht.

6

Kleopatra spürte, daß sie ein Gefühl böser Vorahnung beschlich, als sie Quintus Dellius durch den Marmorsaal kommen sah: Lederrüstung, Brustpanzer, den Helm mit dem roten Federbusch unter dem Arm. Alles sah aus wie immer. Doch etwas stimmte nicht an dem Bild. Das war nicht der strahlende Bote, den sie erwartet hatte. Die Wangen waren ausgehöhlt, das Gesicht war ernst, gezeichnet von Erschöpfung und von Leid.

»Majestät«, sagte er und verneigte sich. »Ich überbringe Euch die Grüße des Imperators Marcus Antonius.«

»Was ist geschehen?« fragte sie und machte sich auf das Schlimmste gefaßt. Ein Blick auf sein Gesicht hatte genügt.

»Er braucht Eure Hilfe«, antwortete Dellius. Es klang, als müsse er die Worte herauswürgen.

»Wo ist er?«

»In Syrien, Majestät. In Leuke Kome, einem Ort nördlich von Sidon, den man als das Weiße Dorf bezeichnet. Er benötigt Geld, Nahrung und Kleidung für die Soldaten.«