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»Ich bleibe dennoch in seinem Haus.«

»Du weißt, daß er nach seinem Sohn Antyllus geschickt hat.«

»Antyllus kann tun und lassen, was er will. Meine Pflicht ist es, zu bleiben, bis Antonius zurückkommt oder sich von mir scheiden läßt.«

Octavian lächelte und applaudierte spöttisch. »Meine tapfere Schwester.«

»Du bist an allem schuld«, fuhr sie ihn plötzlich wütend an. »Du hast dich zwischen uns gestellt.«

Sein Lächeln verschwand. »Es geht hier um Rom, Octavia, um ein Imperium«, entgegnete er kühl. »Daneben ist dein persönlicher Kummer nichtig.« Er erhob sich. Am liebsten hätte Octavia jetzt ihm applaudiert. Ihr verschlagener kleiner Bruder hatte es immerhin geschafft, die mutigsten Männer Roms zu besiegen.

»Also gut«, sagte Octavian im Weggehen, »bleibe in seinem Haus, wenn du willst. Doch hoffe nicht, daß er zurückkommt. Für ihn ist es vorbei.«

In Alexandria

Das Museion war der Hort der neun Musen: der Musen der Liebesdichtung, des Flötenspiels und der Lyrik, der Philosophie, der Geschichtsschreibung, der Tragödie, des Tanzes und Gesangs, des Kitharaspiels, der Komödie und der Astronomie. Die große Bibliothek Alexandrias schloß sich direkt an das Museion an. Die Sammlung war ursprünglich von Ptolemaios II. in Auftrag gegeben worden. Jetzt umfaßte sie die größte der Welt - unzählige Schriftrollen, die, um einen Stab gewickelt, in Regalen oder kleineren Fächern gelagert wurden. An jeder Rolle hing ein hölzerner Titelstreifen, der auf den Inhalt verwies. Die großen Lesesäle gingen ineinander über, das Licht fiel in hellen Schäften durch die Fensterreihen, die sich hoch unter den gewölbten Decken befanden.

Als Canidius und Ahenobarbus durch diese Säle streiften, schenkten sie den angesammelten Werken jedoch nicht die geringste Aufmerksamkeit, denn sie waren auf der Suche nach ihrem Imperator. Schließlich fanden sie ihn in einem der hintersten Säle an einem Marmortisch, wo er mit gerunzelter Stirn in die Lektüre vertieft war.

»Marcus«, knurrte Ahenobarbus.

Antonius gab keine Antwort.

»Wir haben Euch überall gesucht«, sagte Canidius.

»Platon vergleicht die Seele mit einem zweispännigen Wagen«, ließ Antonius sich ohne aufzuschauen vernehmen. Seine Stimme schien aus weiter Ferne zu kommen. »Eines der Pferde ist wild und schwer zu zügeln. Es bedeutet die Lust des Leibes. Das andere ist zahm und gefügig - das ist der Geist. Der Wagenlenker steht für die Vernunft. Nach Platon streiten sich in unserer Natur Wagenlenker und wildes Pferd, und die Frage ist, wer schließlich obsiegt.«

»Was macht Ihr hier?« fragte Canidius. Es war nicht gut, wenn ein Mann zuviel Zeit mit Büchern verbrachte. Ein Mann gehörte ins Gymnasion oder hinaus ins Freie, um sich im Reiten zu üben, und hockte nicht in dunklen Ecken, um sich in verstaubten Schriften zu vergraben.

»Hier befinden sich alle Werke der Philosophie«, antwortete Antonius. »Platon, Sokrates, die Stoiker, die Kyniker, es ist alles da. Sie zeigen, wie sich der Mensch sein Wesen erklärt.«

»Willst du damit den Sommer zubringen?« fragte Ahenobarbus. »Wir haben viel zu tun. Oder hast du Parthien schon vergessen?«

»Vielleicht bin ich ja wegen Parthien hier.« Antonius wickelte die Schriftrolle auf und steckte sie wieder in ihr Fach zurück. Dann legte er die Arme um die Schultern seiner Gefährten und wanderte mit ihnen durch die Säle.

»Warum zieht ihr so lange Gesichter?«

»Wann brechen wir wieder auf?« erkundigte sich Ahenobarbus.

»Gefällt es dir in Alexandria nicht?«

»Ich bin nicht gern müßig, wenn meine Arbeit wartet. Deine Frau richtet für dich in Rom großen Schaden an.«

»Meine Frau - Kleopatra?«

»Deine Frau Octavia«, gab Ahenobarbus kalt zurück.

»Was hat sie denn angerichtet?«

»Sie verhält sich ohne Fehl und Tadel.«

»Wie schändlich.«

Ahenobarbus überging die Ironie seiner Bemerkung. »Sie ruiniert deinen Ruf.«

»Indem sie sich sittsam verhält?«

»Ja, als Gegensatz zu Eurer Sittenlosigkeit«, warf Canidius ein.

Antonius machte eine unwirsche Miene. Er war die Vorwürfe seiner Gefährten leid.

»Du hast immer noch Freunde in Rom«, fuhr Ahenobarbus fort. »Unter den alten Republikanern und den Aristokraten. Doch mit jedem Tag, den du hier verbringst, verlierst du ein paar von ihnen an Octavian. Octavia empfängt deine Anhänger und spielt vor ihnen die liebevolle Mutter und treue Ehefrau. Sie erntet Bewunderung, die sich jedoch in Unmut verkehrt, was dich betrifft.«

»Sie liebt mich nun einmal - was soll ich dagegen unternehmen?«

»Sie liebt dich nicht!« Ahenobarbus hatte die Stimme erhoben, und seine Worte hallten durch den Saal. In einer Ecke schaute ein alter Grieche auf und starrte sie entrüstet an. »Entweder hat Octavian sie dazu angestiftet, oder sie betrachtet es als ihre Form der Rache. In jedem Fall schadet dir ihr Verhalten mehr, als wenn sie dich schmähen würde.«

»Und was soll ich deiner Meinung nach tun?«

»Du mußt nach Rom zurück! Du mußt mit denen reden, die dich noch immer verehren. Von Octavia mußt du dich scheiden lassen oder dich mit ihr versöhnen. Wenn du so weitermachst wie bisher, wird Octavian dich vernichten.«

Antonius' Hochstimmung war verflogen. Er runzelte die Stirn. »Ich werde es mir überlegen«, sagte er. Er löste sich von ihnen und ging mit gesenktem Kopf davon.

Er ist und bleibt ein Kind, dachte Canidius. Wenn ihm die Pflichten lästig sind, zieht er sich zurück und fängt an zu spielen.

»Ich würde zu gern wissen«, murmelte er, »wer bei ihm den Wagen lenkt.«

Nachts war es still, bis auf das Rauschen des Meeres und manchmal das Geräusch leichter Schritte, wenn ein Sklave über die Gänge huschte, oder festeren, wenn ein Soldat der Leibwache seine Runde drehte.

Kleopatra lag an Antonius geschmiegt und fühlte, wie sich seine mächtige Brust hob und senkte. Er hatte sein früheres Aussehen zurückgewonnen, die reichhaltige Nahrung und der gute Wein hatten ihn erneut gekräftigt. Doch die vormalige Lebensart hatte er nicht wieder aufgenommen; es gab weder Freunde des Lebens noch nächtelange Vergnügungen in Kanopos oder am See Mareotis. Vielleicht hielt der Gott sich nicht mehr für unsterblich.

Kleopatra hatte geglaubt, er schliefe, doch plötzlich murmelte er: »Ahenobarbus will, daß ich nach Rom zurückgehe.«

Ahenobarbus, dachte Kleopatra, der Sittenwächter mit dem zerfurchten Sorgengesicht. Sie hatte nicht vor, Antonius jemals wieder aus den Augen zu lassen. Er hatte sie zum letzten Mal verraten. »Und was hast du ihm gesagt?«

»Daß ich es mir durch den Kopf gehen lassen würde. Er glaubt, daß meine Freunde dort... «

»Wenn du nach Rom gehst, mußt du mit mir als Feindin rechnen.«

Er drehte sich zur ihr um. »Täubchen... «

Kleopatra stieß ihn von sich und richtete sich wütend auf.

»Ich bin kein Täubchen, sondern ein Falke. Ich habe Krallen!«

»Wenn ich nach Rom zurückkehrte, könnte ich mit einigen Bestechungsgeldern... «

»Du bist schon einmal zurückgegangen und hast mich danach im Stich gelassen. Wenn du mich wieder verläßt, weiß ich, daß ich dir nichts bedeute. Mein Zorn wird dieses Mal furchtbar sein.« Antonius lachte. Wahrscheinlich glaubt er, daß ich scherze, dachte sie.

»Oho!« sagte er. »Kleopatra mit ihren zahlreichen Legionen!«

»Nein, Kleopatra mit ihrem vielen Geld. Was sind denn deine Legionen - ohne Geld, um sie zu bezahlen und ihnen Waffen und Nahrung zu kaufen?«

Antonius gab keine Antwort, sondern warf die Decke von sich und ging in das Nebenzimmer. Sie hörte, wie er einen der Sklaven weckte und ihm befahl, Wein herbeizubringen. Nach einer Weile legte sie sich einen dünnen Umhang um und trat in den Nebenraum. Antonius lag nackt auf einem Diwan und wartete darauf, daß ihm der Sklave den Weinpokal füllte.