»Und was wäre das?« fragte Ahenobarbus argwöhnisch.
»Das wirst du dann schon sehen«, erwiderte Antonius.
Als Ahenobarbus Antonius verließ, wußte er nicht, ob er ihn für genial oder wahnsinnig halten sollte. Nun, dachte er, aber immerhin kümmert er sich wieder um strategische Fragen. Man munkelte, daß Alexander Helios mit der einzigen Tochter des medischen Königs verlobt werden sollte, in dessen Bergland sowohl Crassus als auch Antonius gescheitert waren. Bei einem nächsten Angriff gegen Parthien würde Antonius dort einen Stützpunkt haben und einen treuen Verbündeten.
Ahenobarbus beunruhigte jedoch, daß Antonius sich ständig auf Caesar bezog. Caesar war nicht zuletzt umgekommen, weil er eine eigene Dynastie hatte gründen wollen, und nun schien Antonius sich an derselben Krankheit angesteckt zu haben. Denn die Verlobung mit der medischen Prinzessin würde ja nicht zuletzt bedeuten, daß der Sohn eines römischen Triumvirs
- auch wenn er nicht legitim war - eines Tages König von Medien wäre! Solche Machenschaften waren gefährlich, denn es war die griechische Art, die Art des Ostens, sich Länder durch Heirat abzusichern. Könige taten so etwas, Römer nicht!
4
In Alexandria
Es war ein trüber Tag mit grauen Wolken, die über die Dächer der Häuser zogen, ein Tag, dem die Götter nicht hold zu sein schienen. Dennoch war die ganze Stadt auf den Beinen, um sich das Schauspiel anzusehen. Jüdische Händler drängten sich unter den Kolonnaden des Gymnasion zusammen, griechische Gelehrte mit ihren Schülern machten sich in den Fenstern des Museion die Plätze streitig, halbnackte Ägypter in ledernen Faltenröcken kletterten auf die Dattelpalmen, hockten auf den Mauern des Palasts, waren bis auf die Tempeldächer vorgedrungen oder klammerten sich an Statuen fest. Auf der breiten marmornen Prachtstraße Soma, die mitten durch Alexandria führte, standen die Menschen in zwanzig Reihen hintereinander.
Antonius war schon am frühen Morgen aufgebrochen und hatte sich zum Großen Hafen begeben, wo der Triumphzug beginnen sollte. Von dort aus führte er zum Neptuntempel, dann am Lochias-Palast und an den königlichen Gärten vorbei bis zur großen Kanopischen Straße und um den Panhügel herum. Danach würde sich der Zug in Richtung Süden wenden, der Soma folgen und schließlich am Tempel des Serapis enden.
Kleopatra ruhte auf einem Silberthron, den man auf den Tempelstufen errichtet hatte, und wartete auf die Ankunft des Triumphators. Antonius wurde schon von weitem durch Beifallsgeschrei angekündigt, genau wie es damals bei Caesar gewesen war. Es hörte sich an wie eine Welle, die langsam anbrandete. Heute, dachte Kleopatra, hat er den Triumph bekommen, von dem er immer geträumt hat. Er war der König! Und alle würden sehen, daß sie nicht nur mehr Königin von Ägypten war, sondern darüber hinaus auch die auserkorene und geliebte Gefährtin Roms.
Wie lange hatte sie auf einen solchen Augenblick gewartet -selbst wenn der Sieg noch nicht vollkommen war, da Octavian weiterhin auf sie lauerte. Doch jetzt marschierte durch ihre Straßen wieder ein Römer, der nicht als Oberbefehlshaber kam, sondern ihr Verbündeter war, ihr Gemahl. Sie hatte ihr Land von der Schande befreit, die ihre Väter Ägypten bereitet hatten. Ihre Söhne und ihre Tochter besaßen alle eine Zukunft -nicht einen einzigen Thron, um den sie kämpfen mußten, sondern jeder einen nach eigenem Recht. Antonius' Triumph war letztlich auch der ihre.
Kleopatra hatte sich als Isis kleiden lassen. Sie trug ein silberdurchwirktes Gewand mit dem mystischen Knoten über der Brust, auf dem Haupt die Uräusschlange mit dem hochgereckten Kopf und ein Diadem, das den Mond und die beiden Federn der Gerechtigkeit faßte. Die Finger ihrer rechten Hand waren mit Henna rot gefärbt und hielten das ankh, das Zeichen des Lebens, während ihre Linke das lotusgestaltige Zepter umfaßte. Unterhalb von ihr, auf einem Thron, befand sich Caesarion, der mit seinen neun Jahren bereits wie ein Römer gekleidet war, in Tunika und toga virilis, beides sorgsam um seinen schmächtigen Körper drapiert.
Zu seinen Füßen waren für die anderen Kinder drei kleinere Throne aufgestellt. Alexander Helios trug das Gewand eines parthischen Königs mit Pluderhose und weitem Umhang über einer Tunika und einen weißen Turban, auf dem eine Tiara mit einer Pfauenfeder prangte. Neben ihm saß Kleopatra Selene in einem knöchellangen Silbergewand, umgeben von griechischen Wachen mit silbernen Schilden. Und schließlich der kleine Philadelphos im Purpur der makedonischen Könige, mit dem Kausias, um den ein Diadem gebunden war, einer Chlamys, und winzigen Stiefelchen aus Filz. Er reckte seinen Kopf zu Kleopatra empor, und sie sah, wie seine Unterlippe bebte. Er war erst zwei Jahre alt, die Zeremonie war noch ein wenig zuviel für ihn. Kleopatra schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln.
In den Reihen unterhalb der Kinder saßen die Ehrengäste, die Vasallenkönige, die gekommen waren, um Antonius ihre Treue zu bekunden, die Prinzen aus Kappadokien, Pontos, Galatien und Paphlagonien. Aus Thrakien, Mauretanien, Judäa und Kommagene waren die Satrapen vormals römischer Provinzen angereist, die ihren neuen Lehnsherren Antonius und Kleopatra huldigen wollten.
Dem Triumphwagen voraus zogen die Legionen. Ihnen folgten die schweren Reiter, dann ägyptische Söldner, berittene Bogenschützen aus Medien und schließlich die leichte Reiterei aus Pontos. Das ist jetzt mein Reich, dachte Kleopatra zufrieden, es gehört nicht mehr Rom.
Danach schloß sich der Zug der Gefangenen an, geschlagene Armenier mit Soldaten und Sklaven, danach eine Kette von Fuhrwerken, die unter den Schätzen ächzten, die Antonius im königlichen Palast in Artaxata erbeutet hatte. Den Abschluß bildete ein staubbedeckter König Artavasdes, der gebeugt seine Ketten mit sich schleppte.
Antonius' Rache für Parthien, dachte Kleopatra und hoffte, daß die Schmach dieses Königs ausreichen würde, um ihn über die Katastrophe in den medischen Bergen hinwegzutrösten. Die Vergangenheit mußte begraben werden. Vom heutigen Tag an galt es, nur nach vorn zu schauen und die Zukunft zu planen, die sie gemeinsam errichten würden.
Und dann tauchte Antonius auf.
Er stand auf einem goldenen Wagen, der von vier Schimmeln gezogen wurde. Anstatt mit Purpurmantel und Lorbeerkranz des römischen Triumphators war er als Dionysos gekleidet, mit Efeukranz, Stab und einem goldenen, juwelenbesetzten Gewand. Er kam als Gott, als wiedergeborener Osiris, als Erlöser und Befreier. Die Menge brach in Begeisterungsstürme aus.
Antonius stieg von dem Wagen herunter und schritt die Stufen des Tempels empor. Kleopatra sah, wie er zu ihr hochschaute, und lächelte. Marcus Antonius, der alleinige Herrscher über den Osten, war endlich zufriedengestellt.
Der Serapistempel lag auf der höchsten Erhebung der Stadt und schien in den Himmel zu ragen. In seinem Inneren stand Serapis, der bärtige Gott der Ptolemaier, in Marmor gehauen, der große goldene Kopf und die Juwelenaugen schimmerten im dunklen Schrein.
Ganz Alexandria verharrte stumm und ehrfürchtig, als Antonius die letzten Stufen nahm, nur der Wind strich durch die Kolonnaden, und aus dem Tempel klang gedämpft das Rasseln eines Sistrums. Die Hohenpriester erwarteten ihn oben auf der Treppe, die scharlachroten Gewänder blähten sich im Wind. Antonius betrat die Eingangshalle. Er wirkte klein neben Anubis und Hathor, den mächtigen Göttersäulen mit dem Lotuskapitell. Zwischen den riesigen Fackeln, die das Eingangsportal flankierten, blieb er stehen, danach durchquerte er die Halle und begab sich zu dem Schrein, um dem Gott der Stadt mit einem Opfer zu danken. Jetzt gehört er ein für allemal mir, dachte Kleopatra. Zu Octavia kehrt er nie mehr zurück.
Wie oft würde sie später an diesen Tag zurückdenken! Wie eitel wir waren, ging es ihr dann durch den Kopf - und wie blind. An jenem Tag sind wir Götter gewesen, durchdrungen von so großem Stolz, daß wir glaubten, wir könnten die Berge zerteilen. An jenem Tag haben wir uns für unbesiegbar gehalten. Auf jenem Tempelhügel in Alexandria haben wir nicht geahnt, wie uns die wahren Götter hernach in die Knie zwingen würden. Dabei haben sie immer nur mit uns gespielt! Und daß wir uns damals so mächtig fühlten, muß sie erst recht belustigt haben.