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Antonius hatte das Tempelinnere verlassen, stand nun vor der Eingangshalle und schaute über die schweigende Menge hinweg. Caesar hatte einen Sklaven hinter sich gehabt, der ihn an seine Sterblichkeit gemahnte - Antonius jedoch nicht.

»Königin von Ägypten«, sagte er mit lauter Stimme, die über den weiten Platz hallte. »Tochter der Isis, Pharaonin von Ägypten, Freundin und Verbündete Roms, wir präsentieren Euch heute unseren Gefangenen, den elenden Artavasdes, auf daß er die Strafe erfährt für seinen Verrat. Seine Armee, seine Familie und sein Gold hat er bereits verwirkt.«

Antonius machte eine Pause und schien nach den nächsten Worten zu suchen.

»In Anbetracht unserer Eroberungen im Osten verkünde ich das Folgende: Ptolemaios Philadelphos, unser Sohn, erhält die Königreiche von Syrien und Kilikien. Die Länder Pontos, Galatien und Kappadokien werden seiner Herrschaft unterstellt, sobald er das rechtmäßige Alter erreicht hat.«

Kleopatra sah, wie der kleine Junge unruhig wurde und anfing zu zittern, als er hörte, daß sein Name vor all diesen Menschen ausgerufen wurde.

Antonius fuhr fort: »Unserer Prinzessin Kleopatra Selene gebe ich Kyrenaika und Kreta. Ihren Bruder Alexander Helios ernenne ich zum König von Armenien, Herrscher über Medien und alle Länder östlich des Euphrats bis zu der Grenze Indiens.«

Für einen Moment herrschte Totenstille. Danach erhob sich ein Raunen in der Menge, das sich fortsetzte wie die Wellenringe, die entstehen, wenn man einen Stein in einen Tümpel geworfen hat.

Antonius setzte erneut an, und das Raunen verstummte. »Unsere Gemahlin Kleopatra, Königin von Ägypten und Zypern, trägt hinfort den Titel Königin der Könige. Ihr Erbe wird ihr Sohn Caesar Ptolemaios sein, der einzig legitime Nachkomme von Julius Caesar.«

Die Menge verharrte noch einen Moment lang wie benommen, doch dann geriet sie außer sich und fing an zu rasen. Was Antonius getan hatte, war jenseits aller Erwartungen, jenseits allen Vorstellungsvermögens gewesen. Kleopatra sah, daß Antonius' Generäle und Freunde wie erstarrt auf der Stelle standen. Auch ihre eigenen Höflinge waren weiß geworden. Selbst Mardian war erblaßt.

Ich habe es ihnen immer wieder gesagt, dachte Kleopatra, und nun sehen sie es selbst. Selbst das Orakel hat sich schließlich als Wahrheit erwiesen. Nun glauben alle, daß ich Isis bin. Und wer weiß - vielleicht haben sie recht.

5

Der Morgen danach, dachte Ahenobarbus - Zeit für die Wirklichkeit.

Auf der breiten Kanopischen Straße waren die Sklaven bereits bei der Arbeit und schafften den Abfall beiseite. Noch nie zuvor hatte Alexandria eine derartige Nacht erlebt. Kleopatra hatte die ganze Stadt bewirtet, und wenn man ihnen schon sonst nicht viel Gutes nachsagen konnte - feiern konnten die Griechen und Ägypter, das mußte man ihnen lassen. Das erste Morgenlicht geisterte bereits durch die Schleier der Nacht, als die letzten Zecher durch die Straßen torkelten und immer noch ihre Lieder grölten. An ihnen holperten die Fuhrwerke vorbei, auf denen sich zerbrochene Amphoren stapelten.

Dazwischen streunten Katzen und machten sich über die Speisereste her.

In der Umgebung des Lochias-Palastes hatten die Sklaven ihre Arbeit schon lange vor Anbruch der Morgendämmerung begonnen und waren dem Unrat mit Besen und Schaufeln zu Leibe gerückt. Die Blumenkränze und Rosenblüten waren inzwischen verwelkt, Minister, Höflinge, sogar etliche der Sklaven lagen auf Gängen, unter Tischen, auf Marmortreppen, überall dort, wo sie der Schlaf zuletzt übermannt hatte. Ahenobarbus sah eine dionysische Schauspielerin, eine lüsterne Dirne, die nackt einen seiner römischen Offiziere umschlungen hielt.

Antonius' Triumphfeier hätte sogar die Bacchanalien seines ersten Besuches in Alexandria übertroffen, hatte Ahenobarbus die anderen sagen hören. Nun, wie auch immer - jetzt war das Fest vorbei, Zeit, die Zeche zu bezahlen. Auf nicht nachvollziehbare Weise hatte sich der edle Antonius eingeredet, er könne der Mann der ägyptischen Königin sein und gleichzeitig römischer Magistrat bleiben. Wie es aussah, hatte er sich dabei von den Schmeichlern beraten lassen und von dem Geschrei des Pöbels. Doch sein Triumph war ein Trugbild gewesen - wahre Triumphe gab es nur in Rom, wenn sie der Senat gewährte. Auch hätte Antonius' Opfer Jupiter gebührt, der auf dem römischen Capitol residierte - und nicht diesem halb griechischen, halb ägyptischen Gott Serapis.

Und dann der Höhepunkt! Wie konnte Antonius römisches Territorium verschenken, ohne nicht von Rom anschließend für wahnsinnig erklärt zu werden? Selbst Länder, die ihm gar nicht unterstanden, hatte er abgetreten! Alle Länder östlich des Euphrats bis zu der Grenze Indiens! Er hatte sich dabei auf Parthien bezogen, dessen Eroberung ja wohl noch anstand. Wie stellte er sich das eigentlich vor? Sollten tapfere römische Legionäre dafür ihr Leben lassen? Länder mit ihrem Blut erkaufen, um sie hernach an einen ägyptischen Bastard zu verschenken?

Antonius mußte dringend Einhalt geboten werden. Man mußte ihn von diesem orientalischen Weibsbild fortschaffen, ehe der Schaden nicht mehr zu beheben war.

6

DER ÄGYPTISCHE MONAT EPEIPH IM JAHRE 33 VOR CHRISTI GEBURT

In Antiochia

Ihr alter Freund Apollodoros! Er schien noch wohlhabender geworden zu sein; an seinen Fingern prangten dicke Ringe, und um die Taille hatte er ein wenig zugelegt. Kleopatra empfing ihn in ihrem Privatgemach. Mardian ruhte auf der Bank neben ihr, da sie dem Guten das Stehen ersparen wollte. Seine Knöchel waren stets geschwollen, er geriet bereits nach wenigen Schritten außer Atem, und seine Haut war von ungesunder, teigiger Blässe. Sie hoffte jedoch, daß er noch nicht vorhatte, sich dem letzten Gericht von Anubis zu stellen, denn sie brauchte ihn nach wie vor.

Antonius hatte seinen Hof für die Sommermonate nach Antiochia verlegt, und Kleopatra hatte eingewilligt, ihm zu folgen. Der Grund lag angeblich in den Vorbereitungen für den nächsten Parthienfeldzug, doch sie vermutete, daß ihn seine römischen Freunde dazu überredet hatten, um ihn dem ägyptischen Einfluß zu entziehen. Das war brav gedacht, doch indem man den Aufenthaltsort eines Mannes veränderte, änderte man noch lange nicht sein Verhalten. Glaubten sie denn, es sei ihre Schuld, wenn Antonius trank und sich mit jeder Frau abgab?

Nachdem Apollodoros sich verneigt und ihr seine Ehrerbietung erwiesen hatte, erkundigte sie sich liebenswürdig nach seiner Gesundheit und seinen Geschäften und erfuhr, daß weder an dem einen noch dem anderen etwas auszusetzen war.

»Kommst du direkt aus Rom?« erkundigte sie sich anschließend.

»Ich verließ die Stadt am Geburtstag des erhabenen Julius Caesar und bin heute morgen in den Hafen von Alexandria eingelaufen.«

»Und? Redet man in Rom immer noch über mich?«

»Wie es aussieht, Majestät, redet man weiterhin über nichts anderes.«

Wie schön, daß es mich gibt, dachte Kleopatra, denn sonst würden die Römer gar keinen Gesprächsstoff haben. »Und was hört man so in der Stadt?«

»Daß Ihr den edlen Antonius verhext habt.«

»Verhext?«

»Mit Liebestränken und dergleichen. Antonius sei nicht mehr er selbst, sondern habe sich Eurer Lasterhaftigkeit ergeben. Zudem sollt Ihr im Palast nächtlich Orgien feiern. Antonius soll unrömisch geworden sein und dekadent.«

»Orgien? Ich wünschte, sie hätten recht. Ich habe vier Kinder und einen Papyrusberg zu bewältigen, der kein Ende nimmt. Woher stammt denn ihrer Ansicht nach meine Energie, mich auch noch Orgien zu widmen?«