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»Und ich sage dir noch einmal, daß dein Feind nicht in Parthien sitzt«, erwiderte sie zornig. Wieso hörte er nicht endlich auf sie?

»Ich kann Octavian nicht ohne Grund angreifen.«

Kleopatra packte ihn bei den Schultern und schüttelte ihn wie ein störrisches Kind. »Hör mir genau zu! Wenn du Octavian nicht vernichtest, vernichtet er dich! So einfach ist das. Rom kann ebensowenig zwei Herrscher haben wie eine Frau zwei Ehemänner. Für Octavian gibt es kein Triumvirat. Erst hat er sich Lepidus' entledigt, und jetzt plant er dasselbe Los für dich.«

Antonius lachte auf. »Dieser kleine Junge?«

Doch dann erstarb sein Lachen. Sein Blick wurde unruhig. Vielleicht bin ich endlich zu ihm durchgedrungen, dachte Kleopatra.

»Wirst du es tun?« fragte sie.

Antonius fuhr sich durch die Locken. »Ich hätte die Belagerungsmaschinen einfach nicht zurücklassen dürfen«, sagte er. »Das nächste Mal, wenn Medien auf meiner Seite steht, wird alles anders.«

Auf dem Palatin in Rom

Octavian krümmte sich auf dem Abort. Sein Arzt hatte ihn zur Ader gelassen und ihm Umschläge verschrieben, um seine Verstopfung zu beheben. Danach hatte er ihm ein Abführmittel verordnet, dessen Wirkung schlimmer war als die vorausgegangene Beschwerde. Octavian zitterte, und sein Gesicht war leichenblaß.

»Hast du diese neue Münze gesehen, die man in Antiochia geprägt hat?« fragte Livia Drusilla und hielt die Münze gegen das Licht. Zwei Köpfe waren darauf abgebildet, einer glich dem von Antonius, daneben war der seiner peregrina. Darüber stand auf einer Seite ARMENIEN EROBERT und auf der anderen: KÖNIGIN DER KÖNIGE UND IHRE KÖNIGLICHEN SÖHNE. »Der edle Antonius muß den Verstand verloren haben.«

Octavian überlief ein Schauder, als sein Gedärm sich abermals verkrampfte. Er verstand nicht, daß Livia in seiner Nähe blieb, ihn hätte der Gestank längst in die Flucht geschlagen. Aber was sie sagte, war richtig. Antonius war in der Tat verrückt geworden. Mit den Schenkungen hatte er Kleopatra das alte Reich der Ptolemaier zurückgegeben, und einen von ihren Bastarden hatte er zum König von Armenien ernannt. Seit wann wurde ein Vasallenprinz König einer römischen Provinz? Es war eine offene Herausforderung gegenüber Rom.

»Glaubst du, ich sollte gegen ihn vorgehen?« stöhnte er.

»Das Triumvirat läuft im nächsten Jahr aus. Du mußt nichts anderes tun als abwarten. Als guter Soldat wird er wissen, wie man sich in das eigene Schwert zu stürzen hat.«

Und was wird nach dem Triumvirat kommen? dachte er. Die Republik war tot, das wußte jeder, wenngleich man im Senat noch immer von ihrer Erneuerung redete. Die Republik erneuern! Das war, als ob man eine Leiche zum Leben erwecken wollte. Sicher konnte man einen Toten im Sessel aufrecht hinsetzen und ihm einen Weinpokal in die Hand drücken, doch man vermochte ihn nicht wieder zum Singen zu bringen.

Außerdem waren die Römer inzwischen daran gewöhnt, nur von einem Mann regiert zu werden. Genaugenommen war die Republik schon seit Caesars Zeiten tot, doch der Einsatz des Spiels hatte sich inzwischen erhöht. Wenn er Antonius loswerden könnte, würde ihm, Octavian, die alleinige Macht über Rom gehören. Es gäbe keine Republik mehr, sondern nur noch ihn selbst: Octavian Caesar, den erhabenen Herrscher der Welt.

Über Octavians Gesicht breitete sich ein zufriedenes Lächeln aus. Doch dann schüttelte ihn ein neuer heftiger Anfall, der sogar Livia Drusilla aus dem Raum vertrieb.

In Alexandria

Von ihrem Fenster im Lochias-Palast aus konnte Kleopatra die neuen Schiffe sehen, die im Hafen vor Anker lagen. Zweihundert Zweiruderer und Dreiruderer, die Kernstücke einer jeden Flotte, gewaltige Holzbauten mit Geschützturm und Enterhaken, sowie die flachen liburnischen Galeeren, die nur eine Ruderreihe besaßen, dafür jedoch wendiger waren als die großen Schiffe. Doch sie hatte auch Galeeren mit fünf Ruderreihen bauen lassen, einige sogar mit sechs, ihre eigenen schwimmenden Festungen mit riesigen Bronzerammspornen am Bug. Kleopatras Flaggschiff war ein Sechsruderer - sie hatte es Isis genannt.

Agrippas Vorbild folgend hatte sie ausgebildete Ruderer angeheuert, die ihre neue Flotte bemannten. Sie waren geschickter als Sklaven und billiger, da man sie nur für den jeweiligen Einsatz entlohnte und nicht ein Leben lang zu versorgen hatte.

Dank sei dem Vertrag von Antiochia, dachte Kleopatra, der diese Flotte ermöglicht hatte, denn den Bau hatte sie aus dem Erlös der Balsamwälder bestritten, die mit einem Teil von Judäa ihr Eigentum geworden waren. Die Ruder für die schweren »Sechser« waren aus den dicken Zypressen und Zedern gefertigt, die aus ihrem neuen Lehen, dem Libanon, stammten.

Mit dieser Flotte hatte sie den jüngsten Handel mit Antonius besiegelt, denn für die sogenannten Schenkungen hatte sie ihm die Flotte versprochen. Nun konnte Antonius gegen Agrippas Seemacht bestehen - zu Land war er Octavian ohnehin überlegen.

Kleopatra wandte sich vom Fenster ab. Sie stellte fest, daß Mardian sie beobachtet hatte. »Bald ist es soweit«, sagte sie. »Dann haben wir Antonius mit der besten Flotte der Welt ausgerüstet.«

»Ein nicht unerhebliches Risiko.«

»Ich bin mein Leben lang Risiken eingegangen, doch wie du siehst, habe ich die Niederlagen bisher ganz gut überstanden. Warum ziehst du schon wieder so ein mißmutiges Gesicht?«

»Majestät, glaubt mir, daß Ihr meine Gedanken nicht wissen wollt.«

»Marcus Antonius«, sagte sie.

Mardian hob vielsagend die Schultern.

Kleopatra wußte, was er dachte, und natürlich hatte er recht. Ihr Feind war nach wie vor Rom. Antonius ihre Flotte zu überlassen bedeutete, einem Mann zu trauen, der sich gemeinhin als unzuverlässig erwies.

»Er hat seinen Freund Ahenobarbus nach Rom entsandt. Hat er Euch das erzählt?«

Kleopatra schüttelte den Kopf. Natürlich nicht. Warum sollte er ihr etwas derart Wichtiges erzählen?

»Wie es aussieht, hat unser edler Herr seine Meinung wieder geändert. Er hofft noch immer, den Konflikt mit Rom vermeiden zu können.«

»Dann wollen wir hoffen, daß er sich irrt«, erwiderte sie scheinbar ruhig, doch ihre Hände hatten sich zu Fäusten geballt. Nachts kamen Antonius die süßesten Honigworte über die Lippen, und er schwor ihr ewige Liebe und Treue, doch sobald sich ihm die Gelegenheit bot, hinterging er sie und bohrte ihr einen Dolch in den Rücken. Glaubte er denn, daß sie sich von seinem Geschwätz einlullen ließ und nicht hinter die Wahrheit käme? Sie war doch kein kleines Mädchen mehr, sondern eine Frau von vierunddreißig Jahren, die Liebesworten schon längst nicht mehr traute! Kleopatra seufzte. Antonius war und blieb ein treuloser Lump, aber sie brauchte ihn nun einmal und konnte nichts dagegen unternehmen.

»Ahenobarbus wird bei Octavian gar nichts erreichen«, sagte sie. »Erst die Königin des Meeres wird ihn bezwingen. Warte es nur ab.«

In Rom

Die Menschen froren in einem eisigen Winter. Die Gegend auf dem Aventin war trostlos und finster, und man wußte nie, in was man trat, wenn der Stiefel auf Unrat traf. Ein Eimer mit Schmutzwasser wurde aus einem der Fenster entleert, der Inhalt verdreckte Ahenobarbus das Gewand. Ein Fuhrwerk, hoch mit Pinienstämmen beladen, bog in die Gasse ein, drängte ihn gegen die Hauswand, und die nächste Ladung Unrat spritzte ihm an die Beine.

Bei den Göttern, dachte Ahenobarbus. Ich liebe Rom von ganzem Herzen, doch nach Alexandria kommt es mich bitter an. Er betrat eine Taverne und nahm zwischen Wäschern, Fuhrleuten und Eisenhändlern Platz. Er aß eine fette, heiße Pastete und hörte dem Gerede zu, wobei er erfuhr, daß Caesar

- so nannte man Octavian nun - viel für die Stadt tat, während Antonius im Osten dem Müßiggang frönte, sich mit Eunuchen und Lustknaben amüsierte, auf juwelenbesetzten Lagern ruhte und sich in einen goldenen Nachttopf entleerte. Und daß ihm die ägyptische Königin mit Liebestränken und Orgien den Kopf verdreht hatte. Ahenobarbus spürte, wie es in ihm anfing zu brodeln, was nicht zuletzt darauf zurückzuführen war, daß einiges von dem Geschwätz stimmte.