Kleopatra betrat den Raum und unterbrach das unbeschwerte Spiel.
»Es gibt Nachricht von Ahenobarbus. Er kommt bald aus Rom zurück.«
»Wie schön«, entgegnete Antonius. »Ich habe seine Witze und seine muntere Gesellschaft vermißt.«
Antonius ließ Selene los und trug ihr auf, zu ihrem Bruder zu laufen und mit ihm zu spielen.
So etwas muß sie auch lernen, dachte Kleopatra. Sie wird in ihrem Leben noch viele solcher Unterbrechungen erfahren.
»Nun?« erkundigte sich Antonius.
»Du wolltest immer den römischen Gesetzen gehorchen, doch wie es aussieht, hat Octavian weniger Skrupel, sie zu ignorieren.«
»Was ist geschehen?«
»Am Tag nachdem Ahenobarbus seine Rede gehalten hat, ist Octavian mit bewaffneten Häschern in den Senat gekommen und hat deinen Gesandten bedroht. Ahenobarbus und etliche andere deiner Anhänger waren gezwungen, aus Rom zu fliehen. Sie sind zu uns unterwegs.«
Antonius lachte. »Donnerwetter! Ich hätte nicht geglaubt, daß das Bübchen so viel Mut besitzt.«
»Richtig, das hast du nicht, obwohl ich es dir tausendmal gesagt habe.« Antonius fuhr sich mit den Händen durch die Haare. Er lachte noch einmal auf, doch dann hieb er mit der Hand gegen eine der Marmorsäulen.
»Er ist jetzt dein Feind«, sagte Kleopatra.
»Vielleicht hast du recht«, erwiderte er, doch sie erkannte an seinem Blick, daß er noch nicht überzeugt war. Armer Antonius. Sie hatte ihn immer vor Octavian gewarnt. Doch ein Blick in sein Gesicht genügte ihr, um zu wissen, daß er dessen Machenschaften auch weiterhin nicht durchschaute.
Auf dem Palatin in Rom
Octavian ruhte, auf Kissen gestützt, auf einer Bank. Sein Gesicht war leichenblaß, und sein Atem stieg rasselnd aus der Lunge. Maecenas massierte ihm sanft die Schenkel. Agrippa befand sich im Hintergrund und betrachtete die beiden mit finsterer Miene.
Wie prüde Agrippa ist, dachte Octavian. Er will uns seine Mißbilligung zeigen, und dennoch bleibt er immer zugegen.
Maecenas klatschte in die Hände, woraufhin ein Mädchen in den Raum geführt wurde. Es war noch sehr jung und machte einen verängstigten Eindruck. Auf ein Nicken von Maecenas begann es, die Tunika abzustreifen.
»Du hast ihn endlich zum Krieg herausgefordert«, sagte Maecenas.
»Das kann nicht gut ausgehen«, knurrte Agrippa. »Wir haben kein Geld, und unsere Soldaten murren und fordern ihren Sold. Antonius hingegen besitzt Kleopatras Flotte und ihren Reichtum.«
Das Mädchen legte sein Brustband ab. Winzige rosige Brustwarzen kamen zum Vorschein. Octavian betrachte sie mit ausdruckslosem Gesicht.
»Es mußte einfach dazu kommen«, fuhr Maecenas fort. »Das war von Anfang an klar.«
Das Mädchen entfernte das Lendentuch. Maecenas klatschte ein zweites Mal in die Hände, und es ging widerstrebend auf Octavian zu.
»Ich weiß nicht, warum du an so etwas Spaß hast«, sagte Maecenas zu Octavian gewandt. »Der Hintern von deinem kleinen Syrer ist fester, und seine Brüste sind auch nicht viel kleiner.«
»Dreh dich um«, befahl Octavian dem Mädchen.
Es tat wie befohlen. Octavian streckte eine blasse Hand aus und kniff in ihr Hinterteil.
»Zu Land können wir Antonius nicht schlagen«, ließ sich Agrippa vernehmen.
»Dann eben zur See.«
»Kleopatra hat eine hervorragende Flotte bauen lassen. Es wird nicht so leicht sein, wie du denkst. Meiner Meinung nach wäre es klüger gewesen, zu einer Übereinkunft zu gelangen.«
Octavian zog das Mädchen zu sich und preßte ihre Hand zwischen seine Schenkel. Es machte sich an die Arbeit. »Nicht so!« fuhr er es an. »Das ist kein Kerzenständer, den du polierst.«
Maecenas zwinkerte Agrippa zu. »Für eine Übereinkunft ist es zu spät. Das weitere wird von dir abhängen. Du mußt eben gnadenlos sein.«
Agrippa kehrte das Gesicht zur Wand, denn Octavians Tun war ihm peinlich.
»Ich finde, es ist allerhand«, grunzte Octavian, »wenn ein Mann zu krank ist, um eine Jungfrau zu entehren.«
»Wahrscheinlich ist sie ohnehin keine Jungfrau mehr«, tröstete ihn Maecenas, woraufhin beide lachten, bis Octavian anfing zu husten und das Mädchen fortgescheucht wurde, um einen Brechnapf zu holen.
9
In Ephesos
Ephesos, eine der größten Städte des Ostens, erstreckte sich zu Füßen des Berges Pion - ein unübersichtliches Gewirr von Straßen, das sich um das Theater und die agora breitete. Die Häuser der Reichen zogen sich an den Hängen hoch, wo eine stete Brise vom nahen Meer ihren Bewohnern Kühlung verschaffte.
Im Hafen war die ägyptische Flotte vertäut worden, darunter sechzig schwimmende Festungen mit glänzenden Rammspornen, den Rumpf mit dicken Eisenbändern verstärkt, und wuchtigen hölzernen Türmen. Im Herzen dieses gewaltigen Aufgebots befand sich Kleopatras Flaggschiff, die Isis, ein prächtiger Anblick mit purpurnen Segeln und goldenem Heck.
Etwas Vergleichbares, darin waren sich alle einig, hatte der Osten noch nie besessen. Zum ersten Mal seit den Tagen Alexanders befehligte nur ein Mann die vereinte Seemacht des Ostens, insgesamt dreihundert Versorgungs- und fünfhundert Kriegsschiffe, wovon die Hälfte ägyptischer Herkunft waren.
Die Stadt quoll über von Seeleuten und Soldaten. Die Gassen hallten vom Stiefelschritt neuer Truppen, die von den Bergen und aus den weiten Ebenen kamen, aus Mauretanien, Kappadokien, Paphlagonien, Kommagene, Judäa und Medien. Alle Vasallen von Antonius waren seinem Ruf gefolgt, einschließlich Amyntas aus Galatien, der zweitausend Mann seiner berühmten Reiterei entsandt hatte.
Es waren Vasallen, die Antonius ihre Herrschaft verdankten und die davon ausgingen, daß eine Streitmacht dieses Umfangs nicht zu schlagen sei, vor allem nicht, wenn ihre Versorgung mit den Geldern Ägyptens bestritten wurde. Natürlich wollten sie sich auch seines Wohlwollens versichern und hofften insgeheim auf einen Anteil an der Beute. Doch in erster Linie ging es allen um eines: Sie lechzten nach römischem Blut.
In der agora herrschte ein wirres Durcheinander aus vielen Sprachen, und die verschiedenen Uniformen ergaben ein buntes Bild. Gallier mit kurzen Lederwesten, geschwungenem Schnauzbart und wilden blonden Locken, furchteinflößende Germanen mit rotblondem Haar, breitschultrige ägyptische Ruderer in ledernen Faltenröcken und engen Westen, Schwarze aus Mauretanien, die nackten Arme mit Silberschmuck bedeckt, griechische Bogenschützen, phönizische Matrosen, levantinische Piraten, Beduinenreiter, Stammesangehörige aus Medien - sie alle waren hier auf Antonius' und Kleopatras Geheiß.
Zudem verfügte Antonius noch über seine restlichen römischen Legionen sowie fünfundzwanzigtausend Söldner und Zwölftausend erfahrene Reiter. Wie eine einzige gewaltige Flut würden sie sich erheben, um über Rom hereinzubrechen und Octavian fortzuspülen.
Plötzlich hieß es, es seien noch weitere Schiffe im Hafen angekommen, diese jedoch stammten aus Rom.
An Bord befanden sich Ahenobarbus, Konsul Sosius und beinahe die Hälfte der römischen Senatoren. Octavian hatte Antonius' Anhängern ein Ultimatum gestellt, nach dessen Inhalt sie ihm Treue zu schwören oder Rom zu verlassen hatten. Dreihundert Senatoren waren Ahenobarbus gefolgt, so daß Antonius nicht allein über militärische Schlagkraft verfügte, sondern nun mit Fug und Recht auch behaupten konnte, daß das römische Gesetz hinter ihm stand.
»Du mußt Kleopatra nach Hause schicken!« brüllte Ahenobarbus und schlug mit der Faust auf den schweren Zederntisch in Antonius' Hauptquartier. Es befand sich in einem der Häuser des Statthalters von Ephesos, von den Fenstern aus sah man das Meer und bewaldete Felsinseln, die den Horizont sprenkelten.
»Das kann ich nicht«, entgegnete Antonius. »Du mußt! Die Senatoren äußern bereits Zweifel an der Klugheit ihrer Entscheidung. Sie haben den Imperator Marcus Antonius erwartet, der ordentliche römische Legionen befehligt, und nicht einen Zirkushaufen von schmuddeligen Ägyptern und Lustknaben!«