»Außerdem hat der Pöbel versucht, das Emporium in Brand zu setzen. Ich mußte tatsächlich die Vierte aus ihren Lagern holen, um für Ruhe zu sorgen. Auch in Capua und Arretium ist es zu Aufständen gekommen.«
»Machst du dir etwa Sorgen, nur weil ein paar Wurstverkäufer randalieren?«
»Die Lage gerät außer Kontrolle, ich muß einen Weg finden, um das Volk hinter mich zu bringen.«
Livia Drusilla lächelte. »Sei ganz beruhigt, Antonius wird ihn für dich finden. Auf ihn kannst du dich verlassen.«
Sisyphus sprang auf den Tisch, um sein neuestes Lied vorzutragen.
Antonius regiert in Ephesos,
er ist der Herr im Osten.
Doch er muß tun, was Kleopatra will,
denn sie bezahlt die Kosten,
Die meisten seiner Zuhörer lachten, und Antonius lachte am lautesten. Er sieht die Gefahr einfach nicht, dachte Ahenobarbus, er tut, als sei es ein Witz gewesen. Canidius war da, Dellius, Plancus und zwei von den Schmuddelkönigen, Bogud aus Mauretanien und Amyntas. Antonius schien deren Gesellschaft angenehm zu finden, doch er, Ahenobarbus, würde keinem von beiden trauen.
Sisyphus kletterte vom Tisch hinunter, sein Stumpf sah aus wie ein Stachel. Antonius warf ihm eine Handvoll silberne denarii zu, die der Zwerg zusammenraffte, ehe er sich wieder über den Wein hermachte.
Ich habe gehört«, setzte Ahenobarbus an, »daß du dich von deiner Frau scheiden lassen willst.«
»Von Kleopatra?«
»Von der richtigen - von deiner römischen Frau!«
Antonius zuckte mit den Schultern. »Ein Mann sollte stets mehrere Frauen haben. Seht euch Canidius an: Vier Frauen, und doch kein Ergebnis. Vielleicht beackert er nicht die richtige Furche.«
Canidius' langes Pferdegesicht überzog sich mit verlegener Röte. Ein guter Junge, dachte Antonius, aber keinen Sinn für Humor.
»Wenn du Octavia verläßt, verlierst du in Rom deine Freunde.«
»Ich denke, meine Freunde sind alle hier?«
»Octavian wird die Situation ausnutzen.«
»Octavian nutzt alles aus. Wenn ich in Griechenland furze, beschuldigt er mich für den Gestank in Rom.«
»Ahenobarbus hat dennoch recht«, schaltete Dellius sich ein. »Jeder in Rom achtet Octavia.«
»Dann soll sie doch jeder in Rom heiraten. Sie sorgt wenigstens dafür, daß die Männer brav zu Hause bleiben und ihre Nase nicht in politische Angelegenheiten stecken.«
»Sie hat die Senatoren in den letzten Jahren für dich umworben. Wenn du dich scheiden läßt, sieht es aus wie Verrat.«
»Sie haben es ja auch nicht als Verrat angesehen, als Octavian sich meine gallischen Legionen einverleibt hat, geschweige denn daß sie seine Vertragsbrüche als Verrat bezeichnet hätten.«
»Octavia ist aber eine Frau und daher hilflos«, hielt Ahenobarbus ihm entgegen.
»Diese Erkenntnis wäre mir neu«, entgegnete Antonius. Er wandte sich an Munatius Plancus. »Was hast du dazu zu sagen?«
»Was Frauen anbelangt?«
»Nein, zu dem, was die anderen über Octavia vortragen.«
»Ich möchte meine Weisheit nicht mit Eurer messen.«
Antonius schnitt eine Grimasse. Was für eine schleimige kleine Kröte. Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Ahenobarbus. »Da hast du es.«
Sisyphus sprang auf einen Stuhl und beugte sich zu Antonius' Ohr vor. »Die anderen haben recht, mein Herr.«
»Nach deiner Meinung habe ich nicht gefragt, Narr«, knurrte Antonius und tat so, als wolle er ihm eins hinter die Ohren geben.
Sisyphus wich in gespieltem Entsetzen zurück. »Tut mir nichts zuleide, mein Herr«, rief er, »ich bin hilflos!« Er reckte den Stumpf in die Höhe, und alle außer Ahenobarbus brachen in schallendes Gelächter aus.
»Kleopatra ist nach wie vor unser Problem«, hub Ahenobarbus abermals an, doch er hatte die Stimme gesenkt, damit es die Schmuddelkönige nicht hörten. »Wenn du deine Frau wegen der peregrina verläßt, halten die Römer dich endgültig für verhext.«
»Wieso denn verhext?«
»Nach dem armenischen Sieg hast du dich mit ihr auf Münzen abbilden lassen. Denkst du denn, die Römer wüßten das nicht?«
»Doch nur, weil sie meine Verbündete ist!«
»Bist du denn auch mit Herodes abgebildet, mit Bogud oder Amyntas?«
»Vielleicht solltet Ihr Euch doch nicht von Octavia scheiden lassen«, schlug Dellius vor, »und statt dessen nach Rom zurückkehren, um mit Octavian Frieden zu schließen.«
Antonius starrte ihn fassungslos an. »Jetzt, wo er im Nachteil ist? Wo wir die größte Armee zusammenhaben, die es im Osten jemals gab?« Er lachte auf. »Du machst dir zu viele Sorgen. Sisyphus, bring den Weinkrug her. Der Mann hier muß aufgemuntert werden.«
Ahenobarbus beschloß, es dabei zu belassen, er hatte ohnehin schon zuviel gesagt. Dennoch hätte er gern gewußt, was für einen Eindruck die beiden Fremdlinge von ihnen gewonnen hatten.
10
Kleopatra lag im Bett und sah zu, wie Antonius sich entkleidete. Die Jahre hatten es gut mit ihm gemeint. Er hatte nur in der Taille angesetzt, sonst war sein Körper weiterhin muskulös und kräftig geblieben, und in seinen Haaren war erst wenig Grau zu sehen.
Doch sie sorgte sich weniger um die Auswirkung des Weins auf seinen Körper als um die Art, wie er auf seinen Charakter Einfluß nahm. Antonius war zwar immer unbeständig gewesen, doch in jüngster Zeit war daraus Unberechenbarkeit geworden. Solange er trank, war er ausgelassen und lustig, doch am folgenden Tag fand man ihn mißmutig und verstimmt. Auch zeigte er wenig Interesse an militärischen Angriffsplänen, ja im Grunde war seine Begeisterung für den Krieg ziemlich erlahmt, er ließ sich mitziehen, anstatt zu steuern.
Nun, dachte sie, letztlich ist es genau das, was ich wollte. Inzwischen begleitete sie ihn überallhin, beherrschte die Lagebesprechungen, inspizierte die Truppen und fungierte als Richterin, wenn es zu Streitigkeiten kam. Es diente nicht nur der Sorge, ihn vor Fehlern zu bewahren, sondern entsprach im Grunde der wahren Situation: Es war ihr Krieg, um den es nun ging. Antonius selbst hätte längst einen Rückzieher gemacht, wäre lieber nach Parthien aufgebrochen, um in den Bergen abermals Unheil anzurichten.
Allerdings hinderte sie noch immer ein Umstand daran, ihre Lage als sicher anzusehen - ein letztes Glied, das zu durchtrennen war, um die Treue des Treulosen zu garantieren.
Antonius schob den zarten blauen Seidenvorhang, der das Bett umgab, zur Seite, glitt neben ihr unter die Decke und wollte sie umfassen. Sie ließ sich von ihm in die Arme nehmen, doch er spürte ihr Desinteresse und ließ von ihr ab. »Was ist denn mit dir?« fragte er.
»Wann läßt du dich von ihr scheiden?«
»Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt.«
»Du hebst eine Armee gegen ihren Bruder aus, du hast dich mit der ägyptischen Königin vermählt, und dennoch sagst du fortwährend, es sei nicht der richtige Zeitpunkt. Wem von uns beiden machst du denn etwas vor? Octavia oder mir?«
Die Kerzenflamme in der rosenfarbenen Glaslaterne neben dem Bett flackerte unruhig, ihr Widerschein verlieh Antonius einen unsteten Blick. »Solange ich mit Octavia verheiratet bleibe, kann mich der Giftzwerg nicht als unrömisch hinstellen.«
»Ist das der einzige Grund?«
»Welchen anderen sollte es geben?«
»Den, daß du mich benutzt, Antonius.«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Mardian hat mir erzählt...«
»... natürlich, deine Spitzel stecken überall.«
»... Mardian hat mir erzählt, du hättest Ahenobarbus versprochen, die Republik wiederherzustellen. Ist das dein Plan, Antonius? Octavian zu besiegen, um wieder römischer Bürger zu werden? Rom in der Hand zu halten, um es anderen zurückzureichen?«