»Natürlich nicht.«
»Das aber glauben deine Freunde.«
»Ich bitte dich, etwas muß ich ihnen doch sagen.«
»Genau wie mir. Was hast du deinen römischen Freunden versprochen, Antonius?«
Er gab ihr keine Antwort. Er erzählt allen, was sie hören wollen, dachte Kleopatra, und niemand weiß, was er wirklich plant.
»Ich hatte es so verstanden, daß Rom Caesarions rechtmäßiges Erbe wird, daß du römischer Herrscher wirst und wir nach euren Gesetzen heiraten, so wie wir es nach meinen taten.«
»Das habe ich auch vor.«
»Deinem Freund hast du es anders erzählt.«
»Er würde mich sonst nicht unterstützen.«
»Und woher soll ich wissen, wen du tatsächlich betrügst?«
Antonius wollte sie wieder in die Arme nehmen, doch sie schob ihn von sich. Wie typisch für einen Mann, dachte sie, eine Frau mit Küssen beschwichtigen zu wollen.
»Du hältst mich für nutzlos, nicht wahr?«
»Ich weiß nicht, ob du für mich kämpfst oder ob du nur mein Geld und meine Zeit verschwendest.«
»Ich werde mein Bestes tun.«
Kleopatra erhob sich und warf sich einen Umhang über die weiße Tunika, die sie nachts trug. Es war zum Verzweifeln! Dieser Mann wand sich wie ein Aal durch die Schlingen, und seine Absichten waren nie eindeutig. »Dann beweise es mir! Laß dich von ihr scheiden, und ich vertraue auf dein Wort. Wenn du es nicht tust, nehme ich meine Flotte und mein Geld und kehre nach Alexandria zurück.«
»Mein Täubchen... «
»Ich bin nicht dein Täubchen und bin es nie gewesen! Ich bin ein Falke und zeige dir meine Krallen. Laß dich von dieser Frau scheiden, oder betrachte Ägypten als deinen Feind im Osten.«
Mit diesen Worten verließ sie sein Gemach und kehrte in ihr eigenes zurück, wo sie Iras und Charmion zu sich rief, damit sie ihr bei ihren Verrichtungen halfen.
Antonius lag im Bett und starrte die Tür an. Im Namen Jupiters! Sie schien es ernst gemeint zu haben.
11
Jubelnde Menschenmassen säumten die breiten Straßen, um sie in Athen willkommen zu heißen. Dennoch fühlte sich Kleopatra in dieser Stadt nicht wohl, denn ihr spukten dort zu viele Geister von Menschen, die Athen in früheren Zeiten aufgenommen hatte. Brutus war nach dem Mord an Caesar hierher geflohen, eine Tafel erinnerte an den Besuch Ciceros vor vielen Jahren, und Octavia war eine Inschrift unter der Statue von Pallas Athene gewidmet worden.
Man hatte Antonius und Kleopatra den Sitz der römischen Gesandtschaft überlassen, ein palastartiges Stadthaus mit Gängen, die mit rotem Porphyr und schwarzem Marmor gekachelt waren, und mit Wandgemälden, auf denen sich Faune und Mänaden tummelten. Dahinter lag ein Garten mit rosafarbenen, weißen, gelben und dunkelroten Rosenbüschen. Im Innenhof befand sich ein impluvium, in dessen Nischen Kopien berühmter Statuen aufgestellt worden waren. Den Apoll des Leochares ließ Antonius umgehend entfernen, wogegen er dem Dionysos des Phidias einen Ehrenplatz gab.
Das tridinium diente als Raum für die Lagebesprechungen. Von dort aus hatte man einen Blick auf den Springbrunnen im Innenhof und auf den überdachten Laubengang, der ihn umschloß. Wenn die Türen offenstanden, schwebte der schwere Rosenduft von draußen herein. Von den höhergelegenen Fenstern des Hauses aus blickte man auf die weißen Säulen des Parthenons in der Ferne.
Doch es gab wenig Zeit, die Aussicht zu genießen, denn meistens standen Kleopatra und Antonius mit den römischen Generälen um einen Tisch und brüteten über den ausgebreiteten Karten.
Ihre Streitmacht war zum Angriff bereit. Zu Wasser verfügten sie über die ägyptische Flotte sowie römische Geschwader aus Rhodos, Kreta und Zypern, zu Land unterstanden Antonius über neunzehn Legionen, wozu noch weitere elf aus Alexandria, Kyrenaika und Syrien zählten, als Reserve.
»Warum schlagen wir nicht los?« erkundigte sich Canidius. »Ganz Rom ist in Aufruhr wegen der neuen Steuern, die Soldaten sind unterbezahlt und schlecht ernährt, das Volk ist Octavian leid.«
Dellius schüttelte den Kopf. »Wir können Italien nicht angreifen, solange die ägyptische Königin mit uns zieht. Das käme einer fremden Invasion gleich, gegen die sich Italien trotz des verachteten Octavian erhöbe.«
»Dann setzen wir ohne sie über«, erklärte Ahenobarbus.
Diese Römer! dachte Kleopatra. Nichts als Undankbarkeit und Verrat! Das wird ihnen schon mit der Muttermilch eingeflößt.
»Wenn Ihr ohne mich nach Italien übersetzt«, sagte sie, »tut Ihr es weder mit meiner Flotte noch mit meinem Geld. Und dann wird man sehen, wie weit Ihr kommt.« Daraufhin breitete sich erst einmal Schweigen aus.
»Es wäre ohnehin zu schwierig«, sagte Antonius schließlich, »denn es gibt nur zwei Häfen, Tarent und Brindisi. Wenn Octavian sie schließen läßt, können wir nicht landen.« Er stieß mit dem Zeigefinger auf die Karte. »Ich habe vor, die Truppen hierher zu verlegen, nach Patras, und sie im Golf von Korinth zu stationieren.«
Ahenobarbus schüttelte den Kopf. »Und die Via Egnatia willst du Octavian überlassen? Das ist verrückt.«
»Ich stimme ihm zu«, sagte Dellius. »Die Via Egnatia müssen wir halten.«
Antonius zuckte die Achseln. Er schien nicht recht bei der Sache zu sein. »Die brauchen wir nicht«, murmelte er.
Ahenobarbus war fassungslos. »Das ist die Verbindung zwischen der Adria und dem Osten! Auch Caesar hat sie als Schlüsselposition bezeichnet.«
Kleopatra wurde ungeduldig. Konnte Antonius denn noch nicht einmal seinen Feldherren gegenüber einen klaren Standpunkt vertreten? »Die Flotte wird im Süden stationiert«, erklärte sie. »In Aktium, Kerkyra, Patras und Methone. Dort bietet die Inselwelt sichere Häfen, und wir werden von Ägypten aus versorgt statt von Griechenland. Die Via Egnatia ist unpraktisch und nicht nötig.«
Alle starrten sie an: die Römer, Amyntas, Bogud und die anderen Vasallenkönige. Sie waren es nicht gewöhnt, daß eine Frau an Kriegsbesprechungen teilnahm, geschweige denn, daß sie ihre Meinung kundtat oder gar die Strategie bestimmte.
Ahenobarbus blickte Antonius an, als warte er darauf, daß dieser Einspruch erhob. »Imperator?«
Doch Antonius schien ihn nicht gehört zu haben. Er war ans Fenster getreten, schaute den Schwalben zu, die um die Säulen des Innenhofs flatterten - und trank. Es war noch früh am Morgen, doch er hielt bereits einen gefüllten Weinpokal in der Hand. Kleopatra hatte ihn beim Einschenken beobachtet und bemerkt, daß er den Wein inzwischen unverdünnt trank. »Es ist entschieden«, erklärte er wie nebenbei und bedeutete ihnen mit einem Wink, sich zu entfernen. Seine Gefährten verließen widerstrebend den Raum.
»Sie wünschen, daß ich nach Alexandria zurückkehre«, sagte Kleopatra, nachdem sie allein waren. »Sie wollen zwar mein Geld und meine Flotte, doch mich wollen sie nicht.«
»Vielleicht haben sie recht. Es wäre besser, wenn du mich die Kampfmaßnahmen entscheiden ließest.«
»Soll ich mich etwa an die Spindel setzen?«
»Wenn du nicht wärst, könnte ich Octavian jetzt vernichten.«
»Könntest du das wirklich? Warum hast du es dann nicht längst getan? Weil es nicht in deiner Macht lag ohne mein Geld und meine Schiffe, oder weil dir dazu die Willenskraft fehlte? Ohne mich würdest du doch weiterhin seine Befehle annehmen und reihum die Frauen seiner Familie heiraten, wenn sie durch Witwenstand oder Reife verfügbar würden.«
»Du bist so unerbittlich!« stöhnte Antonius. »Warum verhältst du dich nicht wie eine normale Frau?«
»Die Zukunft meines Sohnes steht auf dem Spiel«, entgegnete Kleopatra. »Ich glaube, daß sich jede normale Frau um solche Dinge kümmert.«
Antonius' Blick wanderte erneut zu den Schwalben, die sich unter dem Kolonnadendach ihr Nest gebaut hatten. Sein Leben lang war er so frei gewesen wie sie, und nun hatte man ihn vor einen Karren gespannt, auf dem eine Frau und seine Freunde die Zügel in den Händen hielten.