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»Ich habe getan, was du wolltest«, seufzte er schließlich. »Was verlangst du denn noch von mir?«

Götter, ich muß ihm alles einzeln aufzählen, dachte Kleopatra. Er schien nicht in der Lage zu sein, zu tun, was das Schicksal ihm auferlegte, und mutig voranzuschreiten, sondern glich einem Schauspieler, der Größe darstellt, jedoch nicht weiß, was das ist.

Draußen nahm Ahenobarbus Canidius zur Seite. »Hast du gesehen, wie sie ihm befiehlt?«

»Sie ist eine Königin. Sie hat Ägypten zwanzig Jahre lang allein regiert, und es fällt ihr nicht schwer, Befehle zu erteilen.«

»Auch einem römischen Magistrat? Glaub mir, daß uns vor ihrem Tod kein Sieg beschieden ist.«

»Was können wir denn tun? Wenn wir sie nach Hause schicken, werden ihr die anderen Könige folgen. Zwei Drittel unserer Truppen gehören ihnen! Das sind Menschen, die Kleopatra für Isis halten und ohne ihre Anwesenheit womöglich schlechter kämpfen werden.«

»Woher weißt du denn, ob sie überhaupt kämpfen werden? Unsere Armee ist doch ein einziger Trug! Nur vier Legionen davon sind richtige Römer. Der Rest besteht aus Lustknaben und Wilden.«

»Solange die Königin bei uns bleibt, werden sie kämpfen. Mit dieser Anzahl von Truppen können wir nicht verlieren.«

»Meine Sorge gilt nicht nur der Niederlage, sondern auch dem, was im Falle eines Sieges geschieht. Der edle Antonius scheint mir Caesar nachzueifern und zu sehr nach dem Königsthron zu schielen.«

»Solche Absichten sind mir nicht bekannt, da müßtest du ihn schon selbst befragen.«

»Das werde ich auch tun«, schnaubte Ahenobarbus, »falls ich ihn je antreffe, ohne daß ihm die Königin das Händchen hält.«

12

In Griechenland war es Frühling geworden. Der Kriegsvorbereitungen überdrüssig geworden, hatte Antonius sich mit einem Gefolge aus Schauspielern und Musikanten auf die Insel Samos zurückgezogen. Doch ehe er aufbrach, hatte er noch ein gewaltiges Bacchanal in einem der Athener Theater gefeiert und sich anschließend zur Akropolis tragen lassen, wo ihn die Griechen zum Inbild des Dionysos erklärt hatten.

Das Inbild des Dionysos, dachte Kleopatra, übertrifft den Gott bei weitem, und wenn es nur das Trinken anbelangt.

Die Vasallenkönige waren mit Antonius nach Samos gezogen und übertrafen sich gegenseitig in der Ausrichtung von Gelagen und prächtigen Geschenken für ihren Herrn.

Mardian hatte Kleopatra berichtet, daß es in den Theatern jeden Abend Aufführungen mit nachfolgenden Gastmahlen gäbe und daß sich Antonius abermals eine dionysische Höhle habe bauen lassen, in der er von den Morgenstunden an mit seinen Freunden trinke. Außer den Schauspielern und Musikanten des Dionysischen Bundes umgebe ihn auch die übliche Heerschar aus Mänaden und Satyrn, und die ganze Insel halle wider von ihrem Lärm. Den Orgien säße der edle Antonius als Dionysos natürlich selbst vor.

Der edle Antonius, dachte Kleopatra, sechsundvierzig Jahre alt und inzwischen beleibt, und doch sitzt er noch Orgien vor, die man nur jungen Männern als Ausdruck überschäumender Lebenskraft nachsieht. Was sollte man von jemandem halten, der auch in den mittleren Jahren noch am Jugendrausch festhielt und ihn als Religion verbrämte?

Die Sonne hatte die Marmorbank vorgewärmt, und die Bienen summten in den Rosenbüschen. Kleopatra lauschte dem Plätschern des Brunnens und hielt ihr Gesicht den Sonnenstrahlen entgegen. Sie winkte die Dienstboten fort, die mit den gefiederten Fächern Insekten vertrieben, so daß sie und Mardian sich ungestört unterhalten konnten.

Der alte Eunuch saß neben ihr und wedelte sich mit seinem Fächer verzweifelt Luft zu. Sein Gesicht hatte sich mit einem Kupferton überzogen, und auf seinem weiten Gewand hatten sich Schweißflecke gebildet.

»Was meinst du?« hub Kleopatra an. »Habe ich das Richtige getan?«

Ihr oberster Ratgeber betupfte sich die Stirn mit einem Seidentuch. »Nun, immerhin habt Ihr das getan, was Ihr wolltet.«

»Was ich wirklich wollte, war, daß Julius länger lebt.«

»Ich fürchte, das lag nicht in Eurer Macht. Majestät, erlaubt Ihr mir, anmaßend zu sein?«

»Warum denn nicht? Die Römer sind es allezeit, und dich habe ich viel lieber als sie.«

»Habt Ihr diesen Barbaren geliebt?«

»Natürlich nicht, das war nur Politik. So etwas wie Liebe gibt es nicht.«

»Diese Antwort höre ich allenthalben.«

Kleopatra betrachtete den Eunuchen von der Seite und fragte sich, wie sein Leben verlaufen wäre, wenn er sich als Junge den elterlichen Wünschen nicht gefügt und nicht in den Eingriff eingewilligt hätte, um dem Haus der Ptolemaier zu dienen. »Vermißt du den Mangel an diesem Wissen?«

»Was die Liebe angeht? Der Mensch vermißt nur, was er kennt.«

»Fragst du dich nie, was Männern an Frauen gefällt und umgekehrt?«

»Selbst wenn ich zweihundert Jahre alt würde, wüßte ich nicht, was einem an Männern gefallen sollte, und was die Frauen betrifft, Majestät, so habe ich Euch geliebt - doch das ist etwas anderes.«

»Du bist sehr treu gewesen.«

»Das scheint einem Menschen wie mir leichter zu fallen.«

Kleopatra lächelte.

»Was ist mit Antonius?« fragte Mardian. »Geht es da auch nur um Politik?«

»Glaubst du, ich könnte ihn sonst ertragen?«

»Ich habe nie etwas von Antonius gehalten.«

»Ich fürchte nur, daß ich ihn vergeblich geduldet habe, denn er scheint allen Mut eingebüßt zu haben.«

»In Parthien?«

»Ja, in Parthien.«

»Das ist nicht die einzige Erklärung für sein Verhalten.«

»Nein, das stimmt. Ich weiß, daß er die Bequemlichkeit mehr liebt, als es dienlich ist, und daß er in seinem Herzen ein Junge geblieben ist, der die Verantwortung scheut wie die Pest, und daß seine Eitelkeit maßlos ist. Dagegen besitzt er körperlichen Mut, ist auf seine Art unwiderstehlich und wird von seinen Soldaten verehrt wie ein Gott. Doch das ist nicht genug.«

»Bei Hofe versteht man nicht, warum er den Krieg gegen Octavian so lange verzögert.«

»Ich weiß auch nicht, warum er das tut. Ich mußte ihn hierher zwingen, und nun bezeichnen mich seine Freunde als Bürde, obgleich er ohne mich noch immer in der parthischen Wüste Staubwolken jagen würde.«

»Der Mensch entscheidet zuerst mit dem Herzen und rechtfertigt seine Taten später mit Rhetorik und Verstand.«

»Was willst du damit sagen?«

»Der Osten war sein Spielplatz, Majestät, nicht mehr als das, und gleichgültig was dort geschah, so war sein Herz stets in Rom, der größere Teil davon sogar bei Octavian.«

Kleopatra starrte ihn an. »Bei Octavian?«

»Ihr habt ihn nicht verhext. Eure Verbindung ist auch für ihn nur Politik. Wenn Ihr mich fragt, wen er geliebt hat, dann lautet die Antwort: weder Euch noch Fulvia, noch Octavia, sondern nur den jungen Caesar. Alles was sich Antonius immer gewünscht hat, war die Gunst Caesars. Seit sich der junge Caesar dem alten ebenbürtig erwiesen hat, sehnt sich Antonius nach dessen Gunst. Er muß ihm wie Caesars Geist vorkommen. Der edle Antonius ist und bleibt ein treuer Soldat, ein nüchterner Befehlshaber wird er nie.«

»Vielleicht hast du recht. Wer weiß? Gewiß ist nur, daß er jetzt jedermanns Soldat geworden ist. Seine Freunde wollen Freiheit und Demokratie, seine Vasallen wollen das römische Joch abschütteln, und ich will, daß Caesarion sein Recht erhält.

Wir ziehen alle in den Krieg, doch keiner weiß, wofür er letztlich kämpfen wird. Das ist der Grund, weshalb ich ihn nicht aus den Augen lassen kann.«

»Ihr habt einen Löwen am Schwanz gepackt, Majestät. Ihn weiterhin festzuhalten wäre Wahnsinn, loszulassen hingegen Selbstmord.«