Выбрать главу

Die große Karte von Griechenland war auseinandergefaltet worden und lag auf dem Tisch vor Canidius, Dellius, Sosius, dem Oberbefehlshaber der Flotte, und den Stabsoffizieren.

»Antonius' Plan ist, die Flotte so zu verteilen, daß sie Octavians Schiffe abfängt, ehe sie von Italien aus aufkreuzen«, erklärte Sosius. »Der Großteil unserer Flotte liegt geschützt im Golf von Ambrakia und ist so gegen die Winterstürme gefeit.

Weitere Geschwader sind zwischen Kerkyra im Norden und Methone im Süden verteilt, wohingegen das Heer während der Wintermonate in Patras verbleibt. Wir befestigen den Westen Griechenlands wie einen Schild, das Octavians Armee abwehrt und hinter dem wir angreifen, während wir gleichzeitig die Versorgungswege aus Ägypten absichern.«

Dellius runzelte die Stirn. »Es macht mir dennoch Sorge, daß wir Octavian die Via Egnatia überlassen.«

»Sie nutzt ihm nichts, wenn er nicht in Griechenland landen kann.«

Doch auch Canidius schien sich der Sache nicht sicher zu sein. »Unsere Verteidigungslinie ist zu langgestreckt«, gab er zu bedenken. »Zudem sind wir zu sehr auf Ägypten angewiesen.«

»Für Ägypten steht ebensoviel auf dem Spiel wie für uns«, hielt ihm Sosius entgegen. »Sie lassen uns nicht im Stich.«

»Der Golf von Ambrakia«, ließ Ahenobarbus sich vernehmen, »ist als Flottenhafen verschwendet. Dadurch geben wir die besten Angriffspositionen auf, nur um die Flotte Kleopatras zu schützen.«

Sosius machte ein ernstes Gesicht. »Es ist Antonius' Entscheidung.«

Dellius warf Canidius einen verstohlenen Blick zu. Es war auch Antonius' Entscheidung gewesen, die Truppen in Parthien zu trennen, und man wußte ja, was dabei herausgekommen war.

»Ich wünschte, wir hätten Octavian früher angegriffen«, sagte er.

»Nun, jetzt ist es zu spät«, bemerkte Sosius mit einem Blick aus dem Fenster. Man würde mit dem Krieg bis zum Frühling warten müssen.

»Ich stimme dir zu, Quintus Dellius«, sagte Canidius. »Doch nach den Worten des Imperators ist es aus politischen Gründen zwingend, daß Octavian als erster angreift. Und die Zeit arbeitet für uns, warum also etwas riskieren? Wir haben Verpflegung und Geld, unsere Armee ist größer, die Flotte besser, Italien hingegen hungert, und Octavians Taschen sind leer. Wenn seine Armee meutern sollte, wie man munkelt, könnte es sogar sein, daß wir überhaupt nicht kämpfen müssen. Bis dahin provozieren wir ihn zu unüberlegtem Handeln. Es ist eine gute Strategie.«

»Wir müssen nichts weiter tun«, verkündete Sosius, »als in Griechenland auf ihn zu warten. Das setzt voraus, daß er seine Truppen bis hierher schafft und sie natürlich versorgt, doch er kann sie noch nicht einmal in Italien unterhalten. Wenn Ihr mich fragt, kommt es erst gar nicht zum Krieg.«

»Sofern er seine Truppen im Frühling noch hat«, erklärte Canidius, »zerstören wir sie, wenn sie übersetzen. Die Überlebenden werden verhungern, weil es niemanden gibt, der sie ernährt. Danach ziehen wir gemütlich gen Norden und erledigen den Rest.«

Dellius nickte. Es hörte sich gut an, doch seine Unruhe wollte nicht weichen. Antonius' seltsames Verhalten und Kleopatras Anwesenheit störten ihn ebenso wie die Tatsache, daß man Plancus' Fahnenflucht überging. Es gab immer noch so vieles, das schiefgehen konnte.

»... Was soll ein guter Römer denken, wenn er mit ansieht, wie Antonius die barbarischen Sitten des Ostens aufgreift, weder uns noch unseren Göttern Ehre erweist und statt dessen einer Hexe huldigt, die vorgibt, die Göttin Isis zu sein? Ich muß bekennen, daß ich diesem Mann einst selbst in einem Maß ergeben war, daß ich ihn mitregieren ließ, ihm meine Schwester zur Gemahlin gab und ihm Legionen gewährte. Ich war ihm derart zugetan, daß ich ihn nicht befehden wollte, wenngleich er meine Schwester kränkte, die Kinder, die er mit ihr zeugte, vergaß, Kleopatra meiner Schwester vorzog und ihren Kindern seinen - nein, euren Besitz vermachte. Ich habe immer geglaubt, daß er als römischer Bürger zuletzt doch die Wege der Vernunft wiederfindet.

Doch mein Bemühen ist bei ihm auf Verachtung gestoßen. Er wollte nicht entschuldigt werden, wiewohl wir es gern getan hätten - er wollte auch nicht bemitleidet werden, wiewohl wir auch dazu bereit gewesen wären. Dennoch soll sich hier niemand vor ihm fürchten und sich sorgen, daß er den Krieg gewinnen könnte, denn dieses hat er auch früher nicht vermocht, was die unter euch bezeugen können, die ihn bei Mutina geschlagen haben...«

Eros, Antonius' Leibdiener, half seinem Herrn in die Höhe. Er konnte sich noch an Zeiten erinnern, an denen dieser die Nacht durchzecht hatte, am Morgen putzmunter zum nächsten Becher gegriffen und sich zum Besuch der Kampfspiele bereit gemacht hatte. Doch seit ihrem jüngsten Aufenthalt in Griechenland sah es aus, als wolle sich Antonius am liebsten gar nicht mehr erheben. Die geplatzten Äderchen auf seiner Nase und in den Augen traten inzwischen deutlich zutage. Auch den Fettring um Antonius' Taille hatte es vor einem oder zwei Jahren noch nicht gegeben. Eros wurde von einem Gefühl persönlichen Versagens übermannt, denn er umhegte Antonius so fürsorglich, als habe man das beste Pferd im Stall seiner Pflege anvertraut.

Er legte ihm das Gewand an und reichte ihm einen Becher mit Wasser. Antonius trank es, als sei es Gift, ließ sich auf einer Ruhebank nieder und starrte Eros mit blicklosen Augen an. »Alles wäre anders gekommen, wenn Armenien mich nicht verraten hätte«, sagte er.

»Darüber wollen wir heute nicht reden, mein Herr«, beschwichtigte ihn Eros. »Wartet nur ab, bis es wieder Sommer ist. Dann habt Ihr Octavian besiegt, und Parthien ist vergessen.«

»Ich werde Parthien nie vergessen«, murmelte Antonius vor sich hin.

»... Obgleich dieser Mann Mut und Kampfkraft besaß, mit denen er einst für uns kämpfte, so hat er diese infolge seiner neuen Sitten längst eingebüßt. In den letzten zehn Jahren hat er für Rom nichts mehr erreicht. Sein Krieg in Parthien war eine schmähliche Niederlage, bei dessen Rückzug er zehn Legionen tapferer römischer Soldaten verlor.

Wenn wir mit ihm um die Wette trinken oder uns im Tanz mit ihm messen müßten, wäre der Sieg ihm gewiß, denn diese Betätigungen sind inzwischen seine Stärke. Doch was gibt es zu befürchten, wenn wir ihn auf dem Schlachtfeld treffen? Sein körperliches Geschick und seine Kraft? Er ist längst über den Zenit hinaus, und wie ich hörte, ist er fett geworden. Die Stärke seines Verstandes? Die ist infolge seiner Begierden und Lüste längst erloschen. Seine Freunde und Kampfgenossen? Sie haben ihm angehangen, als sie schnell reich zu werden hofften, doch sie werden ihre Brüder nicht bekämpfen, um einer fremden Königin zu dienen... «

Ahenobarbus stand inmitten des stürmischen Windes am Hafen und ließ seinen Blick über die große Flotte schweifen. In seiner Verblendung hat Antonius sich diese riesige Flotte und eine gewaltige Armee aufgeladen, dachte er, wo doch weder das eine noch das andere nötig gewesen wäre, um Herr über Rom zu werden. Es hätte gereicht, wenn er mit einem halben Dutzend Legionen in Brindisi gelandet und auf Rom zumarschiert wäre, denn Octavians Truppen hätten sich ihm niemals in den Weg gestellt. Für die Soldaten war Antonius immer noch ein Held, zudem führte er weiterhin die besten der römischen Legionen an - die >Gallische<, die mit Caesar bei Munda gekämpft hatte, die >Eisengepanzerte< mit Veteranen aus dem gallischen Krieg, Pharsalos und Alexandria, und die >Lerchen<, zähe Gallier, die von Spanien bis Parthien in jeder Schlacht dabeigewesen waren.

Wenn sie als Römer nach Italien gezogen wären, hätte Octavian das Feld räumen müssen. Doch statt dessen betrachtete Antonius sich als Gott, sah sich als Herrscher des Ostens und König der Welt. Was sollte jetzt aus der Republik werden? Antonius' Schwüre waren nur Lippenbekenntnisse, und nach einem Sieg Octavians wäre sie endgültig tot - denn anschließend würde die Tyrannis beginnen.