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Er hatte Antonius mehr als einmal gewarnt, hatte ihm erklärt, daß er weder Kleopatras noch anderer Vasallen bedurfte, doch dieser hatte nicht auf ihn gehört und sich nur weiterhin Dionysos ergeben.

Ahenobarbus zog eine Schriftrolle aus seiner Tunika hervor. Seine Blicke wanderten über die Worte. »Hiermit erkläre ich, daß ich dieselben Freunde und Feinde habe wie Imperator Caesar Divi Filius, daß ich mit Leib und Seele, zu Land und zur See gegen den kämpfe, der ihn bedroht, daß ich jeglichen Verrat melde, der mir zu Augen und Ohren kommt, daß mir mein Leben und das meiner Kinder weniger gilt als die Sicherheit des Imperators Caesar. Sofern ich diesen Eid breche, bestrafe mich Jupiter mit Ächtung, Bann und Vernichtung.«

Das war der Treueeid, den alle Bürger Italiens unterzeichnen sollten, und einige hatten es umgehend getan, sei es wegen Antonius' Gebaren, wegen der Schenkungen, der Scheidung oder wegen des von Octavian verlesenen Testaments.

Andere hatten die Unterschrift aus Furcht vor Octavian geleistet, denn sie wußten, daß sich jener im Falle des Sieges an die erinnern würde, die sie verweigert hatten, zumal ihm die Treuebeweise in schriftlicher Form zur Verfügung stünden.

Es ist Erpressung, dachte Ahenobarbus, aber dennoch konnte er nicht umhin, Octavian für seine Gerissenheit zu bewundern. Zuerst hatte er sich als Schutzherr römischer Tugend aufgeführt und das Volk auf seine Seite gezogen. Dann hatte er zum Angriff gerüstet, doch da er wußte, daß Antonius noch über Anhänger verfügte, nicht ihm den Krieg erklärt, sondern Kleopatra, der Feindin, der Fremden und Verführerin, der Frau, die sich Antonius zu ihrem Werkzeug gemacht hatte.

Ahenobarbus seufzte. Canidius behauptete immer noch, sie würden gewinnen, und er wünschte, er könne dessen Optimismus teilen. Er zerknüllte die Seite wütend und schleuderte sie auf das aufgewühlte Meer, wo sie eine Weile auf den Wellen tanzte und danach versank.

»... Warum, frage ich euch, fürchten wir uns denn überhaupt vor ihm? Ist es die Anzahl der Truppen, die ihm unterstehen? Die schiere Menschenzahl kann gegen Mut nicht siegen. Oder ihre fremde Herkunft? Sie sind es eher gewohnt, Melonen denn Waffen auf dem Rücken zu tragen. Ist es ihre Erfahrung? Sie können im Wasser angeln, doch nicht zur See kämpfen. Was mich angeht, so möchte ich mich fast schämen, gegen derart geringe Geschöpfe vorzugehen, da ihre Vernichtung uns keinen Ruhm einträgt. Wer also wird gegen uns antreten? Wer sind denn Antonius' Generäle? Wie ich hörte, ist er von Eunuchen und von Kleopatras Sklavenmädchen umgeben. Das sollen unsere Feinde sein - so tief ist der edle Antonius gesunken.

Wenn Antonius in einem fremden Land sterben und begraben sein möchte, wollen wir ihm diesen Wunsch gern gewähren. Er soll nach Pharaonenart einbalsamiert werden. Mein Gebein soll jedoch am Tiber ruhen, denn auch als Staub will ich dich, erhabenes Rom, weder verlassen noch verraten... «

»Hier gefällt es mir nicht.«

Kleopatra betrachtete Caesarions verdrossene Miene. Im Profil glich er seinem Vater, doch im Wesen war er vollkommen anders, es sei denn, auch Caesar wäre als Junge griesgrämig, unleidlich und aufsässig gewesen. Er war ihr Sohn, und sie liebte ihn, hatte all ihre Hoffnungen und Träume in ihn gesetzt, doch außer einem gewissen Geschick beim Reiten und im Erlernen von Sprachen hatte sie wenig Gutes über ihn zu sagen. Vielleicht würden sich die anderen, besseren Eigenschaften im Laufe der Jahre noch entwickeln - vielleicht.

»Du mußt aber hier sein«, erklärte sie ihm. »Dieser Krieg wird um deinetwillen ausgefochten.«

»Aber ein Schiff betrete ich nicht. Du weißt, daß ich seekrank werde.«

Nun, dachte Kleopatra, wenigstens etwas, das er von mir geerbt hat. »Wir bleiben über den Winter hier, danach sehen wir weiter.«

»Ich will nicht hierbleiben! Hier ist es langweilig und kalt.«

»Du widmest dich deinem Unterricht. Es wird höchste Zeit, daß du dich in Rhetorik und Arithmetik übst.«

»Wozu?«

»Weil du ein Königssohn bist«, herrschte sie ihn an.

Caesarion zog ein beleidigtes Gesicht.

»Warum durfte Antyllus in Athen bleiben?«

»Der Krieg hat nichts mit ihm zu tun.«

Caesarion schwieg und starrte weiterhin aus dem Fenster auf das graue Meer hinaus. Welch gräßliche Eigenschaften er hat, dachte Kleopatra. Er erinnert mich mehr an meine Brüder als an Caesar, denn unter den Ptolemaiern hat es eine stattliche Anzahl an Schwächlingen und Nörglern gegeben. Wie dem auch sei: Er ist das einzige, was mir von Caesar geblieben ist.

Octavian, in Lederrüstung und verziertem Brustschild, marschierte in feierlichem Zug zum Marsfeld, wo die römischen Senatoren seiner bereits harrten. Die Zeremonie, die er abhalten wollte, gehörte zu den ältesten Ritualen Roms, doch sie war schon so lange nicht mehr durchgeführt worden, daß sie noch keiner der Anwesenden erlebt hatte.

Octavian schritt durch die Pforte in den Tempel der Kriegsgöttin Bellona, tauchte eine Lanze in frisches Menschenblut und trat wieder heraus.

Seine Stimme hallte laut und klar durch die Morgenluft.

»Wir erklären die ägyptische Königin Kleopatra, die ihr Augenmerk auf Rom gerichtet hat und uns regieren will, zu unserer Feindin. Diese Hyäne aus dem Hause Ptolemaios, die unseren General Marcus Antonius bezwungen und versklavt hat, diese Ägypterin, die Schlangen und anderes Getier als Gottheiten anbetet, muß vernichtet werden.«

Er hob die Lanze hoch und schleuderte sie südwärts, in Richtung Ägypten.

»Mit dieser Handlung erklären wir dieser fremden Macht, die uns bedroht, den gerechten Krieg. Wir lassen es nicht zu, daß sich eine Frau auf die Stufe des Mannes erhebt!«

Der Krieg hatte begonnen.

Zwischen Kleopatra und Antonius hatte sich das Schweigen eingenistet, und es kam vor, daß sie es sogar vermieden, sich in die Augen zu sehen.

Sie saßen beieinander, lauschten auf das Heulen des Sturmes, sahen, wie der Wind das Meer aufpeitschte, und zogen ihre Pelzmäntel noch fester um sich. In solchen Augenblicken dachten sie weniger über Octavian nach als darüber, was zwischen ihnen noch wäre, wenn es ihn nicht gäbe.

Das ist ein anderer Antonius als der, den ich vor Jahren in Rom kennenlernte, dachte Kleopatra, denn dieser Mann hier hat den Glauben an sich verloren. Die einzige Beschäftigung, der Antonius sich hingab, war das gemeinsame Trinken mit seinen Kumpanen, bei dem sie die Erinnerung an alte Schlachten aufwärmten, bis er zu seiner früheren Munterkeit zurückfand. Wenn sein Rausch vorbei war, versank er abermals in Trübsinn. Parthien hatte ihn gebrochen und ihm die Überzeugung geraubt, daß er ein Liebling der Götter sei, und nun mußte sie weiterkämpfen und ihn hinter sich herziehen wie einen störrischen Gaul. Ahenobarbus mochte ihr zwar anlasten, daß sie bei ihrem Unterfangen eine Bürde war, doch sie hätte das gleiche von Antonius behaupten können.

Ein Holzscheit flammte sprühend auf und fiel danach in sich zusammen.

»Na, siehst du«, sagte Antonius nach einer Weile, »nun hast du, was du wolltest. Jetzt haben wir Krieg.«

»Was ich wollte?«

»Ja. Schließlich hast du mich dazu gezwungen.«

Für einen Moment verschlug es ihr die Sprache. »Octavian hat dir den Krieg schon lange vorher erklärt.«

Antonius schaute zu Boden und schwieg, das Gesicht zur Maske erstarrt.

»Willst du jetzt etwa bestreiten, daß du den Osten wolltest?«

»Du bist diejenige, die Octavian haßt.«

»O nein, ich diene ihm nur als Entschuldigung. Du bist sein Feind, und ehe er dich nicht vernichtet hat, rastet er nicht.«