Kleopatra schwieg, wenngleich sie seine Absicht durchschaut hatte. Er suchte den Kampf zu Land, so daß er sowohl sie als auch ihre Flotte entbehren konnte. Welch ein Aberwitz, wo er doch seine Schenkungen investiert hatte, damit sie ihm diese kostspielige Flotte baute!
Als Kleopatra am nächsten Morgen erwachte, sah sie eine dicke schwarze Rauchwolke, die sich über die Insel Leukas wälzte. Kurz darauf stürzte Mardian zu ihr ins Zelt und berichtete, daß Agrippa mit einem Überraschungsangriff das dort liegende Geschwader und das auf der Insel befindliche Lager vernichtet hatte. Vereinzelte Überlebende taumelten noch immer wie benommen an den Strand.
Der nächste Verlust! Die Herrschaft über den Seeweg, der sie mit Ägypten verband, verloren! Von nun an würden sie ihren Nachschub an Waffen, Nahrung und Kleidung über den beschwerlichen Landweg vom Golf von Korinth aus herbeischaffen müssen, und wenn ihnen nicht bald ein Sieg gelang, würden sie irgendwann verhungern. Jetzt durfte nicht mehr gezaudert werden, jetzt mußten sie eine Schlacht erzwingen.
18
Eros half Antonius, die Rüstung anzulegen, befestigte die Riemen an Schultern und Taille und zurrte den Brustschild über der Tunika zurecht. Das war die richtige Kleidung für seinen Imperator, denn auf dem Schild waren die glorreichen Taten des Herkules abgebildet. Er würde einiges von dessen berühmter Kraft und Tapferkeit brauchen, dachte Kleopatra, die sich bei ihnen befand und zusah.
Als nächstes setzte Antonius den schweren Bronzehelm mit Visier und Federbusch auf, nahm das zweischneidige Schwert in die Hand und steckte es in die Scheide. Danach prüfte er die Halterung des wappenförmigen Schildes und legte seinen Purpurmantel an.
Während Eros noch die letzten Einzelheiten kontrollierte, schaute Antonius durch den Zelteingang nach draußen, wo die Insel Leukas aufragte, vor der nun Agrippas Schiffe patrouillierten.
»Ich habe Isis angerufen und um deinen Erfolg gebetet«, sagte Kleopatra. Sie hatte einen kleinen Altar neben ihrem Zelt aufgestellt, wo eine von Kerzen umgebene Isis aus Marmor täglich Opfer aus Weihrauch und Wein entgegennahm.
Antonius überging ihren Hinweis auf die Göttin. Wer weiß, dachte Kleopatra, vielleicht wendet er sich ja jetzt, wo Fortuna ihn im Stich läßt, wieder den strengen römischen Göttern zu. Von Dionysos war jedenfalls schon lange keine Rede mehr gewesen. »Es tut gut, die Rüstung wieder auf dem Leib zu spüren«, sagte Antonius grinsend, und für einen kurzen Moment blitzte der alte Kämpfer in ihm auf.
»Es tut mir leid«, sagte Kleopatra versöhnlich, »wenn ich bei der Besprechung gestern deine Überlegungen in Zweifel zog, doch schließlich bin ich eine Königin und nicht gewöhnt zu schweigen.«
»Das macht jedoch einen schlechten Eindruck bei den anderen«, antwortete Antonius.
»Daß ich eine Meinung habe?«
»Daß sich der Imperator von einer Frau befehlen lassen könnte.«
»Ich bin keine Frau, sondern eine Göttin.« Antonius starrte sie an, als wisse er nicht recht, ob sie das ernst meine.
»Die Machenschaften der Götter sind mir genau wie die der Frauen immer rätselhaft geblieben«, bemerkte er schließlich.
»Das ist im umgekehrten Fall gewiß nicht anders gewesen.«
Er grinste abermals. »Wahrscheinlich hast du recht.« Dann gab er ihr einen flüchtigen Kuß und trat aus dem Zelt.
Draußen zog der Lagerrauch durch die Luft, der sich mit den Gerüchen von Pferden und Leder mischte. Die Armee stellte sich nach Rängen auf, ein weites, schimmerndes Meer von Rüstungen und Helmen. Die Standartenträger reckten die römischen Adler hoch, die Fanfaren erschollen, und von irgendwoher näherte sich das Getrappel von Pferdehufen.
Canidius und Ahenobarbus preschten heran, um ihren Feldherrn abzuholen. Antonius schwang sich in den Sattel seines Pferdes, und im selben Augenblick fielen die Spuren seines vergangenen ausschweifenden Lebens von ihm ab. Er winkte Kleopatra noch einmal zu und galoppierte mit seinen Gefährten los, um sich an die Spitze der Truppen zu setzen.
Kurz vor Anbruch des Abends kamen sie zurück.
Antonius ritt direkt zu seinem Zelt, sprang ab und stapfte wortlos hinein. Kleopatra hörte, wie er drinnen herumpolterte und wütend nach einem Pokal Wein verlangte.
Als nächstes kam Ahenobarbus angeritten, den Bart von einer Schwertwunde im Gesicht blutverkrustet. Seinen Helm hatte er unter den Arm geklemmt, und seine Schultern waren nach vorn gesunken.
»Seid ihr besiegt worden?« erkundigte sich Kleopatra. Ahenobarbus bedachte sie mit einem geringschätzigen Blick. »Nein, wir sind nicht besiegt worden.«
»Was ist denn passiert?«
»Die Schutzwälle sind zerstört, und wir haben Octavians Wasserquelle eingenommen.«
»Und warum die unheilverkündende Miene?«
»Nun, wir hatten sie bei den Bächen besiegt, und die Schlacht sah gut für uns aus. Doch als wir ihr Lager einnehmen wollten, hat Deiotaros mit seinen Reitern die Seite gewechselt. Ohne die Reiter wäre jeder weitere Kampf Selbstmord gewesen.« Deiotaros war der König von Paphlagonien, ein Mann, der Antonius seinen Thron verdankte. Welch eine unnachahmliche Art, sich auf diese Weise erkenntlich zu zeigen!
»Er hat euch verraten?«
Ahenobarbus runzelte die Stirn. »Vielleicht hat er eher Euch verraten.«
»Wieso denn das?«
»Er befürchtete wohl, daß Ihr Euch nach dem Sieg sein Land einverleiben könntet. Offenbar läßt er sich lieber von Rom beherrschen als von einer Frau.«
Kleopatra spürte, wie der Zorn in ihr hochstieg. »Ihr wollt mich für seinen Verrat verantwortlich machen?«
Ahenobarbus ging nicht auf sie ein. »Bei allen Göttern«, knurrte er, als er sich von seinem Pferd gleiten ließ, »ich habe noch nie in einem Krieg gekämpft, der unter derart ungünstigen Vorzeichen stand.« Mit diesen Worten ließ er sie stehen.
Aus Antonius' Zelt hörte man immer noch, wie er mit Gegenständen um sich warf und Eros anbrüllte, er solle ihm gefälligst die Rüstung abnehmen und endlich mit dem Wein herbeikommen. Der alte Antonius hatte, wie es schien, am Morgen nur eine kurze Gastvorstellung gegeben.
In der darauffolgenden Zeit setzte Agrippa seine Angriffe auf ihre Häfen fort. Patras fiel als nächster, mit ihm der Zugang zum Golf von Korinth und damit auch die letzte freie Versorgungsroute der ägyptischen Getreideschiffe. Nun mußte der Nachschub über die Bergpässe aus dem Süden Griechenlands angeliefert werden, doch bei der Größe der Armee würde die Not nicht lange auf sich warten lassen. Sie besaßen die größten Getreidevorräte der Welt - doch sie hatten keinen Zugang mehr dazu.
TEIL VII
Befreit von der Mühsal des Lebens ruhe ich hier, fragt nicht nach meinem Namen, sondern nehmt meinen Fluch und zieht dahin.
Inschrift auf dem Grabmal Timons von Athen
1
Sommer in Aktium.
Ein weißer Dunstschleier lag über dem Golf, die Marschen flimmerten in der Hitze, in der Luft hing der Gestank der stehenden Gewässer, vermischt mit dem Schweiß und dem Dreck von hunderttausend Mann. Im Lager wütete abermals eine Seuche, und Kleopatras Ruderer erlagen ihr in Scharen. Tag für Tag rumpelten die Leichenwagen durch die Zeltreihen, auf die man die Toten wie Abfall warf und sie hernach in entfernter liegenden Gruben verbrannte.
Im Wasser verfaulten die Schiffe, da man im Winter versäumt hatte, sie zum Schutz gegen Würmer zu teeren. Die vordem mächtige Flotte war auf sechs Geschwader zusammengeschrumpft, doch selbst diese ließen sich inzwischen nicht mehr vollständig besetzen. Die ausgedünnten Reihen wurden mit griechischen Landarbeitern und Maultiertreibern aufgefüllt, denen Antonius' Truppen auf Feldern und Bergpässen auflauerten, um sie danach auf die Schiffe zu verschleppen. Es waren verzweifelte und wohl auch vergebliche Maßnahmen, denn es würde Monate, wenn nicht Jahre dauern, bis diese Menschen es an Geschick mit den verlorenen Ruderern aufnehmen könnten. Doch das war nicht der einzige Fluch, der auf Antonius' Kampftruppen lastete, denn in dem Schilfgelände am Ufer hausten auch Schlangen, und abends stiegen dunkle Stechfliegenschwärme auf, die die Soldaten quälten. Weitere Lebewesen, die in den öden Sümpfen zu gedeihen schienen, waren wilde Wasservögel wie Kraniche, Enten und Reiher - sie alle fielen den hungrigen Männern zum Opfer.