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Doch die anderen hatten recht. Er hatte keine Wahl mehr, er mußte etwas unternehmen. »Ich werde mit Kleopatra reden«, sagte er.

Kleopatra erkannte, daß Antonius betrunken war. Es macht ihm längst keine Freude mehr, dachte sie, er trinkt nur noch, um vor der Wirklichkeit zu flüchten.

Er stand unsicher auf den Beinen, und seine Blicke wanderten über die reiche Ausstattung ihres Zeltes.

»Du hast dich wieder mit deinen Freunden der Republik unterhalten«, bemerkte Kleopatra.

»Wie konnte es nur soweit mit uns kommen?« fragte er dumpf.

Nun, für sein Gejammer fehlte ihr die Geduld. »Marcus, deine empfindlichsten Teile haben sich in einer Felsspalte verklemmt. Es hat wenig Zweck, sich zu fragen, wie sie dort hineingeraten sind, sondern eher, wie man sie wieder von dort herausbekommt.«

»Die anderen behaupten, du seist der Felsen.«

»Ahenobarbus?«

»Jeder.«

Sie betrachtete ihn, wie er unschlüssig vor ihr stand, die Augen rot wie gekochte Trauben. »Was habe ich denn getan, um dir die Lage zu erschweren, edler Antonius?« erkundigte sie sich. »Lag es an meinem Geld, an meiner Flotte oder an meinem Getreide? Hat dir etwas von diesen Dingen im Weg gestanden?«

»Deine Anwesenheit macht mir den Kampf unmöglich.«

»Weil ich eine Frau bin?«

Er ließ sich auf einen der Sessel fallen. »Bitte, Täubchen«, sagte er mit weicher Stimme, »dein Vorschlag, die Blockade zu durchbrechen und in Italien zu landen, kann Erfolg haben. Er könnte mich und die anderen retten. Doch du kannst nicht mit uns ziehen, wenn es gelingen soll.«

»Ich bin schon einmal zurückgeblieben, erinnerst du dich? Das nächste, was ich damals hörte, war, daß du Octavians Schwester geheiratet hast.«

»Das war doch nur eine politische Sache.«

»Das ist meine Anwesenheit auch.«

»Octavian hat dir den Krieg erklärt, nicht mir. Wenn du mit nach Italien ziehst, ist unser Plan dahin.«

»Wenn ich nicht mitzöge, wäre ich nur ein Vasall, was ich jedoch nicht bin und nie sein werde.«

»Geh nach Ägypten zurück.«

Wie konnte ich je annehmen, du wärest ein zweiter Caesar? dachte Kleopatra. Ich kann dir weder trauen, noch glaube ich, daß du gewinnst. Du hast mein Geld und meine Schiffe vergeudet, und jetzt willst du mich wegwerfen wie ein geleertes Faß. Wenn ich dich nach Italien ziehen ließe, würden dich deine Freunde beschwatzen, mich endgültig fallenzulassen, und Caesarions Rechte wären verwirkt. Ich befände mich in der gleichen Lage wie vor zwanzig Jahren, wieder an dem Punkt wie damals, als ich den Thron bestieg.

Kleopatra ließ den Blick auf ihm ruhen. Antonius' Verfall war offensichtlich. »Edler Antonius«, hub sie an, »in Antiochia batest du mich zu kommen, und ich kam. In Leuke Korne, als du am Ende warst und deine Armee hungerte, hast du nach mir gerufen, und ich bin gekommen. Ich habe dir nie etwas versagt, und jetzt wirst du mir meine Wünsche nicht versagen.«

»Du kannst mir vertrauen.«

»Wie, Antonius? Wie kann ich dir vertrauen?«

»Wir wünschen uns beide dasselbe, und dieses Mal werde ich dich nicht verlassen.«

Kleopatra erhob sich und trat zu ihm. In seinen Augen flackerte Hoffnung auf.

Sie stellte fest, daß er inzwischen auch seine Pflege vernachlässigte, denn seine Locken waren wirr und schmutzig. Sein Atem roch schal nach abgestandenem Wein, und die Zeichen des Alters hatten sich um seine Augen eingegraben. »Ich weiß, daß du mich dieses Mal nicht verläßt«, sagte sie, »denn ich werde es verhindern.«

Antonius schien in sich zusammenzusinken und vergrub sein Gesicht in den Händen. Kleopatra hätte Mitleid mit ihm empfunden, wenn sie ihn nicht schon so lange gekannt hätte. Der göttliche Dionysos hatte sich seine Lage selbst zuzuschreiben. Wie ich mir die meine, dachte sie. Vielleicht würde Isis ihr eines Tages verraten, an welcher Stelle auf ihrem Weg sie in die Irre geraten war.

»Laß mich allein«, sagte sie.

Antonius stand auf und entfernte sich wortlos. O Isis, dachte Kleopatra, wie konnte es soweit kommen? Sie erinnerte sich an den Tag in Alexandria, als sie ihm den Triumph gewährt hatte. Damals waren sie Götter gewesen.

Wie sehr die wahren Götter gelacht haben mußten!

»Also, was ist nun?« fragte Ahenobarbus.

Er hatte gesehen, wie Antonius das königliche Quartier verließ, und war ihm in sein Zelt gefolgt, wo jener auf einem Schemel saß, den Kopf gesenkt, die Hände mutlos zwischen den Knien.

»Sie wird nicht gehen«, sagte er.

»Dann schicke Quintus Dellius als Boten los. Er soll mit Octavian verhandeln. Lege Kleopatra in Ketten, und dann überlegst du dir, wie du dich herausreden kannst.«

Antonius schaute Ahenobarbus an. Ein niederträchtiger, wenngleich verführerischer Gedanke, dachte er, doch es gibt einen Punkt, an dem man sich nicht mehr herausreden kann. Das habe ich mein Leben lang getan und, wie es schien, auch Erfolg damit gehabt. Soll ich tatsächlich einen nächsten Vertrag mit Octavian aushandeln und diesen mit Kleopatras Blut besiegeln? Wahrscheinlich würde Octavian mir die >Eisengepanzerte< und die alte Fünfte überlassen und mir Syrien als Provinz übergeben. Noch in diesem Jahr könnte ich meine Orgien und Gelage wieder aufnehmen und gelegentlich parthische Eindringlinge abwehren, damit meine Selbstachtung nicht sinkt.

»Also?« drängte Ahenobarbus.

»Nein!« sagte Antonius.

»Aber du hast doch gar keine andere Wahl!«

»Es gibt immer eine andere Wahl. Zu diesem Zweck haben uns die Götter den Tod überlassen. Er ist ein Geschenk, wenn das Leben unerträglich wird.«

Ahenobarbus schüttelte den Kopf. »Ich hätte nie gedacht, dich einmal so reden zu hören.«

»Und ich hätte nie gedacht, daß das Bübchen mitsamt seinen Knaben mich einmal an diesen Punkt bringt. Das Leben hält offenbar für uns alle Überraschungen bereit.«

Ahenobarbus schien zu wanken - zum Teil aus Verzweiflung, zum Teil jedoch auch aus Erschöpfung. Er ließ sich auf einem Schemel neben Antonius nieder. Er hat die Seuche und sollte auf seinem Lager liegen, dachte Antonius. Ich rieche die Krankheit und spüre, wie die Fieberhitze seinem Körper entweicht.

»Marcus Antonius«, sagte Ahenobarbus mit tonloser Stimme. »Du weißt, wie lange wir uns kennen und daß ich dich zu meinen engsten Freunden zähle. Ich bitte dich, tu, was ich dir sage, denn es ist nichts Unehrenhaftes dabei. Sie ist eine Fremde und eine Frau; du würdest keinen römischen Bruder verraten. Laß uns diesen Wahnsinn beenden. Verhandle und rette dich. Rette uns alle!«

Antonius erwiderte seinen Blick und hielt sich abermals die Wahrheit von Ahenobarbus' Worten vor Augen. »Nein«, sagte er.

Ahenobarbus erhob sich mühsam. Er zitterte. »Ich habe dich geliebt, Marcus Antonius«, sagte er. »Ich hatte geglaubt, du würdest uns vor diesem kleinlichen Tyrannen retten. Der Irrtum grämt mich sehr.«

»Er grämt mich desgleichen, Ahenobarbus«, erwiderte Antonius.

Es waren die letzten Worte, die die beiden Freunde wechselten.

Nachdem Ahenobarbus ihn verlassen hatte, saß Antonius lange Zeit still da und starrte auf den Boden. Wenn die Menschen den Tod nicht fürchteten, dachte er, besäße das Leben keine Macht. Es wäre so leicht...

3

»Ahenobarbus ist fort«, sagte Dellius.

Antonius hatte am Morgen eine Lagebesprechung anberaumt. Er, Kleopatra, Sosius, Canidius und die anderen Befehlshaber hatten sich um den Kartentisch versammelt, erörterten neue Strategien und mögliche Verlegungen der Truppen.

Vielleicht rüttelt meine Nachricht ihn endlich auf, dachte Dellius. Er überreichte Antonius eine Wachstafel, auf der ein paar Zeilen eingeritzt waren. Die anderen schwiegen, während Antonius las, denn alle wußten, wie schwer diese Worte für ihn wogen.