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»Er ist in der vergangenen Nacht über den Golf gerudert und hat Sisyphus mitgenommen«, verkündete Dellius nach einer Weile.

Antonius nickte. Er wirkte ein wenig benommen, als er die Tafel beiseite legte.

»Er hat seine ganzen Besitztümer zurückgelassen. Sie befinden sich noch in der großen Truhe in seinem Zelt. Sollen wir sie verbrennen lassen?«

»Nein, natürlich nicht. Sorge dafür, daß sie ihm nachgesandt werden.«

»Mein Herr?«

»Wenn er wieder vernünftig essen kann, anstatt an trockenen Brotkanten zu nagen, soll er auch nicht in seinen alten Lumpen an Octavians Tafel erscheinen müssen. Sieh zu, daß er seine Sachen erhält.«

»Aber er hat uns doch verraten«, begehrte Dellius auf.

»Mach nicht so ein unglückliches Gesicht.« Antonius lachte und wandte sich wieder den Karten zu.

Als sie nach einer Stunde auseinandergingen, war immer noch nichts entschieden worden.

Kleopatra blieb bei Antonius zurück. »Das mit Ahenobarbus war sehr großzügig von dir«, sagte sie.

Antonius hatte den Blick auf die andere Golfseite gerichtet, wo über Octavians Lagerwall Rauchschlieren in den Himmel zogen. »>Durch Großzügigkeit kann man nichts verlieren<, hat mein Vater immer gesagt. Er hat fast unser ganzes Vermögen durchgebracht, hat es entweder verspielt oder verschenkt, so daß meine Mutter die Dienstboten anhielt, das silberne Geschirr im Haus vor ihm zu verstecken, und zudem Sorge trug, daß mein Vater nie Geld in der Tasche hatte. Als ihn eines Tages ein Freund um Geld bat, befahl mein Vater einem Diener, Früchte herbeizubringen, die dieser natürlich auf einem silbernen Teller anbot. Mein Vater entfernte die Früchte, reichte den Teller seinem Freund und sagte: >Nimm ihn, damit kannst du deine Schulden begleichend«

»Es war jedoch nicht nur Großzügigkeit, die dich Ahenobarbus den Besitz nachsenden ließ«, bemerkte Kleopatra.

»Nein, ich tat es aus Freundschaft. Ich bin sicher, daß er uns eigentlich nicht verlassen wollte, sondern lediglich einer Schwäche nachgab. Wir haben alle unsere Schwächen - die seine war die Angst zu sterben.«

»Teilst du sie nicht?«

»Ich bin Soldat. Der Tod kann mich nicht schrecken.« Unter dem Ärmel seiner Tunika wurde das tätowierte Efeublatt sichtbar, das sich über seinen Muskeln wölbte. Kleopatra wußte immer noch nicht, ob er mit seiner Verehrung des faunischen Gottes nur einer Mode gefolgt war oder ob er tatsächlich an ihn glaubte. Verhalf ihm seine Tapferkeit zu diesem stoischen Mut, oder wähnte er sich durch seinen Gott errettet? Ausreichend gehuldigt hatte er ihm, daran bestand kein Zweifel.

Kleopatra berührte Antonius sanft an der Schulter. Manchmal, wenn sie einen Blick auf den alten Antonius erhaschte, spürte sie, wie etwas in ihr aufflackerte.

»Wenn du heute nacht in mein Zelt zu kommen wünschst«, flüsterte sie, »werde ich dich bereitwillig empfangen.«

Als Antonius nichts erwiderte, kehrte sie in ihre Behausung zurück. Nachts wartete sie auf ihn, doch als er nicht erschien, gestand sie sich schließlich ein, daß sie im Grunde nicht damit gerechnet hatte.

Der römische Monat Julius war angebrochen und bescherte ihnen abermals Tage mit weißer, flirrender Hitze. Antonius' Bündnis mit den restlichen Vasallenkönigen wurde dünn und morsch durch die Untätigkeit und die fortschreitende Zahl der Toten, bis es endgültig zerfiel. Die Zahl der Fahnenflüchtigen mehrte sich, auch der König von Thrakien wechselte die Fronten und schloß sich Octavians Truppen an. Ahenobarbus' Schmuddelkönige verdankten Antonius zwar die Krone, doch inzwischen schienen sie überzeugt zu sein, daß sie zu seinem Gegner überlaufen mußten, damit sie ihnen bliebe.

Als man eines Nachts einen asiatischen Satrapen entdeckte, der in Begleitung eines römischen Senators fliehen wollte, ließ Antonius beide hinrichten.

Octavian, der wie gewöhnlich keine Gelegenheit versäumte, Zwietracht zu säen, hatte Botschaften an den Felsbrocken befestigt, die er von seinem Hügel in Mikalitzi zu ihnen ins Lager schleudern ließ.

Nicht Herkules führt euch, denn man könnte sagen, daß ihr eingespannt seid vor Alexandrias Wagen. Kleopatra zwingt euch zu kämpfen, und wenn ihr nicht sterbt, wird sie mit euch schimpfen.

Der Julius schleppte sich fort, bis er vom römischen Monat Sextilis abgelöst wurde. Der Hundsstern erschien am Himmel, und der Gestank, der aus den trockenen Sümpfen stieg, wurde schier unerträglich. Inzwischen waren nahezu alle phönizischen und ägyptischen Ruderer gestorben oder lagen, vom Fieber geschwächt, in ihren Zelten. Die Leichenwagen schafften täglich unzählige Opfer in die Gruben, die Schiffe rotteten weiter vor sich hin, und um ihre Rümpfe sammelte sich der Unrat, der aus dem Lager ins Meer gespült wurde. In den Takelagen nisteten Vögel, und auf den Wellen schwamm ein grüner Algenteppich.

Das Lager wirkte unter der Decke aus Verzweiflung und Lethargie wie gelähmt. Antonius weigerte sich, Octavians Hügel anzugreifen, da er befürchtete, daß er bei einem Frontalangriff alles verlieren würde. Ebensowenig wollte er sich auf ein Seegefecht einlassen, da er Agrippa für unschlagbar hielt. Er wartete statt dessen auf die Gelegenheit, die nie kam, wobei ihm Heer und Flotte so elend unter den Händen zerrannen wie in der ärgsten Schlacht. Aber er zauderte immer noch.

4

Es entspricht beileibe nicht dem, was ich gewohnt bin, dachte Kleopatra, denn mit einem alexandrinischen Gastmahl hat es genauso wenig zu tun wie mit den Gelagen der Freunde des Lebens.

Die Tische waren mit bunten Seidentüchern bedeckt worden, um sie ein wenig zu verschönern, doch die Armseligkeit der Speisen ließ sich nicht verbergen. Das Brot war angeschimmelt, der Wein nicht viel besser als Essig, und das Hauptgericht bestand aus grätigen Fischen und faserigen grünen Bohnen.

Kleopatra teilte ihr Mahl mit Mardian, denn weder die Römer noch die asiatischen Satrapen legten in diesen Tagen Wert auf ihre Gesellschaft. Wahrscheinlich würden sie lieber mit Medusa speisen als mit mir, dachte sie.

Ganze Insektenschwärme hatte sich in ihrem Zelt versammelt und schwirrten um die Fackeln. Die syrischen Sklaven wedelten mit den Pfauenfächern, doch die drückende Schwüle des Abends vermochten sie nur wenig zu mildern.

»Es wird bald eine Ende nehmen, Mardian. Antonius muß sich in Kürze entscheiden. Was meinst du, wie lange kann er noch warten?«

»Ich sorge mich mehr um die Art, wie er es beendet.«

»Glaubst du, er will mit Octavian reden? Befürchtest du einen Handel?«

»Ich bin mir dessen sicher.«

Kleopatra wählte ein kleines Stück Brot aus, untersuchte es kritisch und warf es angewidert zurück.

»Wißt Ihr, daß Ahenobarbus gestorben ist, Majestät?«

»Ich hoffe, sein Ende war qualvoll und lang.«

»Er ist der Fieberseuche erlegen,«

»Ich werde nicht eine Träne um ihn weinen.«

»Nun, wenigstens muß er jetzt nicht mehr tagelang am Hafen stehen und auf den Golf von Ambrakia starren.«

»Das ist etwas, worum wir ihn beneiden sollten. O Mardian, was soll ich tun? Ich darf Antonius nicht aus den Augen lassen, doch wenn ich bleibe, gehen wir alle unter.«

»Wenn Ihr mir die Bemerkung gestattet, Majestät, dann solltet Ihr mit Sicherheit nicht mehr von einem zweiten Caesar träumen.«

Kleopatra verbiß sich die Antwort aus Furcht, daß sie an den Worten ersticken würde.

»Wir haben nur noch eine Hoffnung, Majestät: Wir müssen uns aus diesem Wirrwarr befreien, um sicher nach Ägypten zurückzugelangen.«

Sie wußte, daß Mardian recht hatte. Wenn sie nach Ägypten zurückging und Antonius seine Schlacht allein schlagen ließ, konnte sie sich und Alexandria womöglich noch retten. Antonius durfte nicht untergehen, selbst wenn es einen Handel erforderte, denn ein Triumph Octavians würde ihr Ende bedeuten.