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Wieder einmal hatten sie sich um den Kartentisch versammelt und starrten auf die Pläne, wenngleich dies bisher nichts anderes gebracht hatte, als daß Kleopatra nachts von ihnen träumte.

Antonius' Befehlshaber der Flotte, Sosius, war da, außerdem Quintus Dellius und Canidius, der sich verzweifelt der Fliegen erwehrte.

»Wie ist der gegenwärtige Zustand der Armee?« erkundigte sich Antonius.

»Ich verfüge noch über siebzigtausend einsatzfähige Männer«, erwiderte Canidius.

Das hört sich eindrucksvoll an, dachte Kleopatra, bis man die Rechenkunst bemüht und feststellt, daß bereits ganze dreißigtausend der Fieberseuche erlegen sind - eine Anzahl, die man bei manchen Schlachten nicht verliert.

»Wie steht es mit der Flotte?«

Kleopatra blickte Sosius an. Er sollte die Antwort geben, damit sie die empfindlichen römischen Ohren nicht mit ihrer Frauenstimme schmerzte. »Der Flotte mangelt es an Männern«, erwiderte er. »Wir haben zehntausend Ruderer an die Seuche verloren, außerdem bedürfen die Schiffe dringend der Reparatur.«

»Wie viele sind denn noch übrig?« fragte Antonius ungeduldig.

»Die Besatzung reicht für dreihundert Schiffe.«

Dreihundert! Im vergangenen Sommer hatten sie fünfhundert Kriegs- und dreihundert Versorgungsschiffe besessen, die sich zwischen Kerkyra und Methone aufhielten.

Antonius wandte sich an Canidius. »Was schlägst du vor?«

»Ich würde sagen, wir lassen die Flotte zurück und ziehen über die Berge nach Makedonien, denn König Dikomes ist uns freundlich gesonnen. Wenn er uns seine Unterstützung gewährt, können wir Octavian zu Land in einen Kampf verwickeln. Agrippas Flotte wäre ihm dann keine Hilfe mehr.«

O nein, das war einfach zuviel! »Wollt Ihr euch abermals auf Verbündete verlassen?« fragte Kleopatra empört. So, dachte sie, das hatte wenigstens gesessen, denn Antonius war bleich geworden. Wie oft, fragte sie sich, will er denn noch auf seine königlichen Freunde bauen?

Er ging jedoch nicht auf ihre Bemerkung ein, sondern trug einen eigenen Einwand vor. »Unsere Soldaten sind von Hunger und Krankheit geschwächt«, sagte er zu Canidius. »Was glaubst du, wie viele wir verlieren, wenn wir sie über die Bergpässe führen?«

»Es ist immer noch besser, als bei einem Seegefecht alles zu verlieren. Agrippas Flotte ist größer als die unsere und befindet sich in besserem Zustand. Außerdem kann es zu Wasser niemand mit ihm aufnehmen, während Ihr zu Land nicht zu schlagen seid. Ihr habt die >Eisengepanzerte< und die Fünfte. Die eigenen Stärken zu nutzen ist die beste Voraussetzung für den Sieg.«

Antonius schien bereits überredet zu sein. Ja, dachte sie, dazu wäre er fähig. Meine Flotte würde er verbrennen und sich nach Griechenland verziehen. »Hast du vergessen, wie viele Männer du bei dem Rückzug aus Parthien verloren hast?« fragte sie ihn. Sie sah, daß Canidius erschrak. »König Dikomes würde seine eigene Mutter verkaufen! Wie kannst du ihm vertrauen? Er kann ein zweiter Artavasdes werden.«

»Octavian müßte uns über unwegsames Gelände folgen, und seine Versorgungskette würde immer dünner werden«, fuhr Canidius standhaft fort.

»Wollt Ihr denn Octavian tatsächlich die Seeherrschaft überlassen, anstatt die Versorgungslinien freizukämpfen?«

»Wir sind ihm zu Land überlegen.«

»Und wenn Ihr verliert?«

»Ziehen wir uns weiter zurück - so wie Pompejus.«

»Pompejus hatte Schiffe zum Rückzug, Canidius, und dennoch hat es ihm nichts genutzt.«

Dellius konnte nicht mehr an sich halten und rief aufgebracht: »Aber zu Land werden wir siegen!«

»Wenn ich Octavian wäre«, hub Kleopatra an, »würde ich mich auf diese Herausforderung gar nicht einlassen. Ihr müßt doch inzwischen begriffen haben, wie er verfährt! Octavian kennt seine Schwächen besser als jeder andere, und das ist auf seltsame Weise sein Gewinn. Er hat noch nie eine Schlacht aus eigenem Anstoß gewonnen, sondern läßt die Zeit und die Irrtümer anderer wirken. Wenn Ihr nach Makedonien zieht, wird er Dikomes bestechen, und wenn Ihr nach Osten weiterflüchtet, werden am Hellespont Agrippas Schiffe auf Euch warten. Dann seid Ihr wieder im gleichen Dilemma wie jetzt. Nur daß Ihr dann durch Verrat, Flucht und Krankheit weitere dreißigtausend Soldaten eingebüßt habt. Kommt dir die Lage bekannt vor, edler Antonius?«

Antonius machte einen niedergeschmetterten Eindruck. Endlich hatte er Octavians Vorgehensweise erkannt! Selbst seine eigene Leichtgläubigkeit schien er mit einemmal einzusehen.

»Und was soll mit meiner Flotte geschehen, während Ihr nach Norden marschiert?« fuhr Kleopatra fort.

»Ihr durchbrecht die Blockade und kehrt nach Ägypten zurück«, entgegnete Canidius.

»Und wie sollen wir die Blockade durchbrechen, wenn wir keine kämpfenden Truppen haben? Mit diesem Vorschlag weiht Ihr uns dem Tod.«

»Es gibt keinen anderen Ausweg«, erklärte Canidius bedrückt.

»Den gibt es wohl! Unsere einzige Hoffnung liegt auf dem Meer. Wenn Ihr die Flotte aufgebt, ist alles verloren.«

»Wir können nicht siegen, solange Ihr hier seid«, warf Dellius mürrisch ein.

»Nun gut, dann bleibt nur eine Wahl.«

Antonius warf ihr einen verzweifelten Blick zu. »Und die wäre?«

»Da Ihr glaubt, daß Ihr ohne mich siegen könnt, werde ich Euch verlassen.«

Alle starrten sie ungläubig an.

»Ich schlage folgendes vor: Wir bemannen so viele Schiffe wie möglich und verbrennen den Rest, damit Octavian sie nicht in die Hände bekommt. Ihr laßt mir sechzig meiner Triremen für meine Schatztruhen, meine Leibwache und mein Gefolge. Auf die anderen Schiffe kommen Eure besten Legionen, die die Blockade durchbrechen. Dabei werdet Ihr zwar einige, jedoch nicht alle verlieren. Das ist in jedem Fall besser, als alle in den Bergen einzubüßen und Octavian die Flotte zu überlassen. Die, die den Durchbruch schaffen, marschieren nach Rom. Ich aber kehre nach Alexandria zurück.«

»Was ist mit den restlichen Truppen?«

»Die ziehen über die Berge in Richtung Taenarus. Wenn unser Angriff fehlschlägt, habt Ihr sie als Reserve und könnt sie über das Meer nach Alexandria übersetzen, ehe der Winter beginnt. Außerdem habt Ihr noch Eure Legionen in Syrien und Kyrenaika, mit anderen Worten noch immer eine Armee, die sich im Winter erneuern läßt.«

Wenn sie klug sind, machen sie es so, dachte Kleopatra. Wahrscheinlicher ist jedoch, daß Antonius sich etwas anderes ausdenkt, sobald ich außer Sichtweite bin. Wie dem auch sei, ich kann nicht länger bleiben und zusehen, wie meine Flotte verkommt. Auf diese Weise lassen sich wenigstens Schiffe und Gelder retten. Danach muß ich wieder von vorn anfangen -inzwischen weiß ich ja, wie das geht.

Antonius schien noch immer in den Anblick der Karte versunken.

»Wir können die Legionen nicht für die Schiffe opfern«, wandte Dellius schließlich ein. »Wir sind nicht in der Lage, Agrippa zu besiegen.«

»Ihr müßt ihn nicht besiegen, sondern nur durch seine Reihen brechen. Es ist nicht gefährlicher, als die makedonischen Berge zu überqueren, der Lohn jedoch ist ungleich höher. Wenn Ihr in Italien seid, habt Ihr alles gewonnen.«

Antonius hatte die Augen geschlossen. Seine Generäle schauten ihn besorgt an. Auf ihrer Stirn hatte sich der Schweiß gesammelt.

»Kleopatra hat recht«, murmelte Antonius schließlich. »Mein Bedarf an hilfreichen Königen und Rückzügen über die Berge ist gedeckt. Wir machen jetzt ein Ende. Eine Schlacht, die alles entscheidet! Zu Wasser!«

»Aber edler Imperator...«, setzte Dellius an.

»Aus! Es ist entschieden!« brüllte Antonius, stieß die Generäle zur Seite und marschierte zurück in sein Zelt, wo sie hörten, wie er seinen Dienern befahl, ihm Wein und ein paar Musikanten herbeizubringen.

Quintus Dellius sah zu, wie schwarze Rauchspiralen in den Himmel stiegen. Die Decks der Schiffe waren mit Pech und Öl übergössen worden, damit sie leichter brannten. Über die Holzflächen züngelten orangefarbene Flammen, die größer wurden und die Rümpfe zu Scheiterhaufen verwandelten. Sie brannten für eine Weile lichterloh, bis sie zusammenfielen und im sumpfigen Wasser versanken. Bei den meisten der aufgeopferten Schiffe handelte es sich um Triremen, doch es waren auch einige >Sechser< unter ihnen, teure Kolosse, die entweder zu morsch geworden waren oder nicht mehr in ausreichender Zahl bemannt werden konnten.