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Immer noch rannten Männer am Meer entlang, um Brandpfeile auf die Schiffe zu schleudern, bis schließlich das Ufer einer einzigen Feuerwand glich, aus der sich dicke Wolken lösten, die sich auf das Landesinnere zuwälzten. Es roch nach verbrannten Zypressen und Zedern.

Sosius hatte den Umfang der Flotte großzügig geschätzt, denn bei genauerem Hinsehen waren es nur noch zweihundertdreißig Schiffe gewesen, die sich seit dem Aufbruch aus Ephesos gehalten hatten. Dellius seufzte und schüttelte den Kopf. Welch eine Schande! Genau wie der Verfall von Marcus Antonius. Schade, daß auch er ihn nun aufgeben mußte!

Aber es war der einzige Ausweg. Von Kleopatra einmal abgesehen, standen auch alle anderen Zeichen schlecht. Einer der Kundschafter hatte ihm berichtet, daß in Athen ein heftiger Sturm die Bacchusstatue von ihrem Sockel gestürzt hatte und der Herkulestempel in Patras von einem Blitz getroffen worden war. Die Götter hatten sich gegen den Imperator verschworen -gewiß war der Grund dafür, daß er sich mit der peregrina eingelassen hatte.

Es wurde Zeit aufzubrechen, um nicht in dem kommenden Blutvergießen niedergemetzelt zu werden. Und Octavian würde sich freuen, wenn jemand auftauchte, der Antonius' Angriffsplan kannte.

5

Die Götter scheinen sich tatsächlich gegen mich verschworen zu haben, dachte Antonius.

Der Regen und die Sturmwinde, die von Norden her über sie hinwegfegten, hielten bereits seit Tagen an. Das Lager hatte sich in einen Morast verwandelt, Sturzbäche flössen zwischen den Zeltreihen hindurch, überschwemmten die Latrinen draußen im Sumpf und spülten den Unrat ins Lager zurück. Am Ufer ragten die Rümpfe der verbrannten Schiffe wie dunkle Schatten zwischen den Regenschwaden auf.

Nach den langen Monaten der Untätigkeit hatte er sich endlich zur Tat entschieden, und nun zwang ihn das Wetter wieder zum Stillstand und ließ ihn müßig die Stunden zählen. Der Vorteil, den er sich von seinem überraschenden Vorstoß versprochen hatte, war bereits dahin. Quintus Dellius war kurz vor Ausbruch des Sturmes zu Octavian übergelaufen, so daß Agrippa längst Zeit gefunden hatte, um seine Geschwader zu positionieren. Ein Gutes hatte der Sturm jedoch gehabt: Er hatte Agrippa gezwungen, mit seiner Flotte gegen den Wind aufs Meer hinaus zu rudern, damit sie nicht am Ufer zerschellte. Vielleicht würde sich das als Vorteil erweisen.

Wenn nicht - wenn die Entscheidung gegen ihn fiele -, würde er den Richtspruch der Parzen hinnehmen, denn ein Soldat kannte keine Furcht vor dem Tod. Wenn er die Blockade nicht durchbrechen konnte, würde er mit seinen Männern sterben. Er würde nicht nach Ägypten flüchten. Er würde den Rest seiner Tage nicht wie Pompejus' Söhne zubringen, verbannt oder als Seeräuber, würde sich nicht Kleopatras Gnade ausliefern. Er wollte entweder Rom oder gar nichts.

Am folgenden Morgen, nachdem Sturm und Regen vier Tage lang gewütet hatten, klärte sich der Himmel. Bereits im ersten Licht der Dämmerung gab Antonius den Befehl, die Schiffe zu bemannen.

Die Spieren und die Segel wurden gewöhnlich vor einer Schlacht an Land verstaut, da sie die Bewegungsfreiheit der Truppen an Deck behinderten und wertvollen Raum beanspruchten, an dem man weitere Soldaten unterbringen konnte. An diesem Tag jedoch befahl Antonius, die Leinen und Segel für die Takelage mitzunehmen, obgleich es ihn während des Kampfes in einen leichten Nachteil setzen würde. Wenn sie die feindlichen Reihen jedoch erst einmal durchbrochen hatten, würden sie mit Hilfe der Segel schneller vorwärts kommen als Agrippa. Schließlich ging es ja bei dem anstehenden Kampf nicht um Sieg oder Niederlage, sondern darum, das Wettrennen auf Rom zu gewinnen.

Während die besten aus Antonius' Legionen die Kriegsgaleeren bestiegen, bereitete sich Kleopatras Gefolge in aller Eile auf die Rückkehr nach Alexandria vor. Die römischen Senatoren, die sich noch vor nicht allzu langer Zeit zu schade gewesen waren, mit ihr an gemeinsamen Mahlzeiten teilzunehmen, wurden nun erbötig und bemühten sich um freundliche Aufnahme auf ihren Schiffen. Wie eine Gänseherde marschierten sie die Landungsbrücken hoch, Gepäck und Dienerschaft im Schlepptau.

Kleopatras Eunuchen und Höflinge kontrollierten an Bord der Isis das Verladen der Möbelstücke, die von den strauchelnden Sklaven durch den Morast gehievt wurden. Auch die Schatztruhen wurden auf die Schiffe zurückgeschleppt, riesige Truhen mit eisernen Gürtelpanzern.

Nach der vorausgegangenen Lethargie schwirrten die Menschen im Lager nun so aufgeregt durcheinander, als habe man in einem Ameisennest herumgestochert. Canidius' Offiziere teilten die Legionen und Hilfstruppen in Marschreihen ein, die sich auf den Weg durch Griechenland begeben würden. Wieder andere scheuchten die Soldatendirnen auf, die laut kreischend umherstoben. Dann wurden die Maultiere beladen, und die Fanfaren gaben bereits das Zeichen zum Aufbruch, während die letzten Soldaten mit Brandfackeln durch das Lager hetzten, um die hölzernen Palisaden und Unterkünfte zu vernichten, damit sich Octavian ihrer nicht bedienen konnte.

Es war der zweite Tag des römischen Monats Septembris. Draußen über dem Meer leuchtete der Himmel in strahlendem Blau, durchsetzt von zarten Wolkenfasern, die sich in Richtung Rom verzogen. Ein guter Tag, um zu sterben, dachte Antonius -wenn es sein muß.

Kleopatra trug einen Bronzehelm und einen feuerfesten Umhang. Auf dem Weg durch das Lager versanken ihre Stiefel im Schlamm, und der Saum ihres Umhangs streifte durch schmutzige Pfützen. Sie war in Begleitung ihrer nubischen Wache, doch sie ließ sie zurück, ehe sie Antonius' Zelt betrat, um sich von ihm zu verabschieden.

Er hatte bereits die Rüstung des Imperators angelegt, den Brustpanzer mit der Darstellung von Herkules' Taten, die hochgeschnürten Stiefel, den ledernen Faltenrock und den roten Umhang.

Lange Zeit starrten sie sich schweigend an. »Ich weiß nicht, ob wir uns noch einmal wiedersehen«, sagte Antonius schließlich.

»Nun, in dem Fall darf ich wohl frei heraus reden.«

Antonius blieb stumm.

»Ich will dir nur das eine sagen«, begann sie und holte noch einmal tief Atem. »Du bist der elendste aller Männer und Gefährten. Du hast die Weinbauern Griechenlands ernährt, um deiner Trunksucht nachzugeben, und in deinen vielfältigen Formen der Lasterhaftigkeit hast du dich jeder Sklavin und Dirne bedient. Du hast mich sowohl als Verbündeter als auch als Mann betrogen, denn du kennst kein Leid außer dem deinen. Du bist eitel und selbstgefällig - was früher einmal reizvoll an dir gewesen sein mag, ist inzwischen jedoch unpassend und unerträglich geworden. Ich habe dich einmal verehrt, Antonius, doch heute begegne ich dir nur noch mit Verachtung.«

»Ich hatte gehofft, du seist gekommen, um mir Glück zu wünschen«, erwiderte Antonius, und als sie schwieg, setzte er hinzu: »Hast du denn gar nichts Gutes mehr über mich zu sagen?«

»Gelegentlich hast du mich erheitert, doch sicher nicht in jüngster Zeit.«

»So ist das also. Ich hatte einen liebevolleren Abschied erwartet.«

»Vielleicht kannst du mich versöhnen, wenn du diesem Schaustück, das du als Schlacht bezeichnest, den Sieg abgewinnst. Wenn du verlierst und mich und meine Kinder dadurch der Schande übergibst, werde ich dich noch mit meinem letzten Atemzug verfluchen.«

Aus Antonius' Gesicht war alle Farbe gewichen.

»Hast du noch etwas zu deinen Gunsten anzumerken?« fragte Kleopatra.