»Du wirst dieser Falle entkommen, darauf gebe ich dir mein Wort. Ich werde dafür sorgen, daß du sicher durch die Blockade kommst. Danach sollen die Würfel entscheiden. Entweder habe ich Rom - oder ich wähle den Tod.«
»Die Weinbauern werden um ihre Einkünfte bangen.«
»Kein gutes Wort?«
Kleopatra forschte in ihrem Herzen, um seinem Wunsch zu entsprechen, entdeckte jedoch die Vergeblichkeit dieser Suche und schüttelte den Kopf.
»Weißt du«, sagte Antonius, »du hast mich immer fasziniert, und dabei denke ich jetzt nicht an die Politik. Ich war von Anfang an von dir besessen. Wo immer ich mich in der Welt auch aufhielt, ich habe an dich gedacht, selbst in Parthien, selbst unter der Attacke von Feinden. Von allen Frauen, die ich in meinem Leben kannte, bist du mir noch immer... unergründlich.«
»Dabei gibt es gar kein Geheimnis, Antonius. Ich bin in erster Linie Königin und danach erst Frau, doch weder die eine noch die andere hat dir je die Hochzeit mit Octavia verziehen.«
Nach diesen Worten machte Kleopatra kehrt und verließ Antonius' Zelt.
Ich habe ihm noch nicht einmal »Lebewohl« gesagt, dachte sie im Fortgehen, doch jetzt ist es dafür zu spät.
6
Sie ruderten ein Schiff hinter dem anderen aus dem verhaßten Golf und teilten sich in vier Geschwader auf, von denen drei die ägyptische Flotte von vorn und von den Seiten schützten. In der Ferne zeichneten sich die dunklen Umrisse von Agrippas Schiffen ab.
Später formierten sie sich zu einer Zweierreihe, die in einem langgestreckten Bogen vom nördlichen Mündungsufer bis zu den seichteren, sandigen Gewässern der Insel Leukas fuhr. Antonius befehligte eines der vierstöckigen Kriegsschiffe mit dem großen Turm auf dem Heck und einem holzgeschnitzten Krokodil als Galionsfigur. Er stand am Bug, die Hände um die Reling geklammert. Das Meer war spiegelglatt bis auf kleine Wellen, die an den Schiffsrumpf schwappten, die Sonne so grell, daß sie die Augen blendete. Er erkannte den säuerlichen Geschmack im Mund, das Anzeichen der nackten Angst, das allen Soldaten vertraut war.
»Komm schon, Marcus Agrippa«, murmelte er, »komm heraus und kämpfe!« Doch er wußte, daß diese Hoffnung vergeblich war. Agrippa war zu schlau, um sich an dieser Stelle einem Kampf zu stellen, denn er hätte zuwenig Raum zum Navigieren. Agrippa würde warten, bis sie das offene Meer erreicht hätten, bis er mit den kleinen Liburnen im Vorteil wäre.
Antonius' Schiffe würden mit ihrer Segellast langsamer sein und für seine Männer schwerer zu manövrieren, ein Nachteil, der sich durch die Unterbesetzung und die unzulängliche Ausbildung der griechischen Bauern an den Rudern noch verstärkte. Es war gewiß keine Flotte, die Agrippa das Fürchten lehren würde. Erst wenn ihnen der Durchbruch gelungen wäre, würde es besser werden - dann würden sie die kleineren Schiffe wie Nußschalen hinter sich lassen.
Schließlich lag die Flotte reglos im Wasser und wartete auf den Wind. Eine gespenstische Stille hatte sich ausgebreitet, die nur von den Schreien der Möwen unterbrochen wurde. Die Männer standen dichtgedrängt an Deck und schwitzten unter ihren Rüstungen. Die Augen hatten sie auf den Horizont gerichtet, doch jeder von ihnen hing seinen eigenen Gedanken nach.
Als die Sonne den Zenit erreichte, tauchten die ersten Schaumkronen auf den Wellen auf, und der Wind erhob sich wie jeden Tag aus Südwest - eine günstige Brise, die Antonius bis nach Rom treiben würde, wenn es den Göttern gefiele.
Antonius gab den Befehl zum Rudern.
Zu den Taktschlägen der Trommeln hoben und senkten sich die langen Ruderhölzer, von ihren Blättern ergoß sich das Wasser in Sturzbächen, und die Flotte glitt in weitem Bogen hinaus in das offene Gewässer. Antonius sah, daß Agrippas Flotte sich zurückzog. Er wußte, daß er ihn bedrängt hatte, doch er wollte ihn noch ein Stück scheuchen, ehe er angriff. Er hatte das Schlachtfeld gut vorbereitet und zu lange auf diesen Moment gewartet, um nun überstürzt zu handeln. Seine Schiffe waren den anderen zwei zu eins überlegen, und er würde einen ordentlichen Manövrierraum brauchen, um dieses Verhältnis geschickt zu nutzen.
Langsam drehte sich der Wind und wehte nun von Nordwesten, ein Wind, der Kleopatras Schiffen zugute käme und sie an der Insel Leukas vorbei aus der Falle retten würde. Agrippa hatte seine Flottenreihe zum Stillstand gebracht, die Masten seiner Schiffe bohrten sich in den Himmel. Antonius' Bogen- und Schleuderschützen kletterten auf die Türme an Bug und Heck, während die Zenturionen auf dem Deck patrouillierten und ihren Männern befahlen, sich zum Gefecht bereitzumachen.
Die Legionäre, viele von ihnen Veteranen mit zerfurchten und wettergegerbten Gesichtern, zogen ihre Schwerter und reihten sich hinter der Reling auf. Zwei Dekaden lang hatten einige von ihnen bereits unter Antonius gedient - darunter in Philippi und Parthien. Auch dieses Mal würden sie ihrem Schicksal begegnen, selbst wenn es ihnen ein Grab in den Wellen verhieß.
Dann hagelte es Pfeile und Steine aus Agrippas Türmen, wobei einige der Geschosse harmlos auf das Deck prasselten, während woanders gellende Schmerzensschreie verrieten, daß sie ihr Ziel gefunden hatten. Die Opfer bäumten sich auf und brachen blutend auf dem Boden zusammen, während andere wie leblose Puppen in der Takelage hingen, nachdem sie getroffen waren.
Danach wurde für Antonius alles zu einem wirren Knäuel aus Eindrücken, die weder Anfang noch Ende besaßen. Er wußte, daß er Feuerkugeln gesehen hatte, die in leuchtenden Bahnen auf die Segel zuflogen, und daß die Männer wie die Wahnsinnigen übereinander in die Takelage geklettert waren, um die Brände mit nassen Tierhäuten zu löschen...
... daß der glänzende Rammsporn aus Bronze am Eisenmantel eines Schiffes zerschellte, daß ein riesiges Steingeschoß auf Deck einschlug, daß Männer schrien, als das Schiff vor ihren Augen zerbarst, und daß sie danach unter dem schweren Rumpf verschwanden, wo die grauen Wogen sie verschluckten...
... daß einer der Bogenschützen vom Vorderdeck stürzte und zwischen zwei Schiffen zermalmt wurde, und daß er danach wie ein geplatztes Bündel auftauchte und sich das Meer unter ihm rot färbte...
... daß eine Trireme ihre Breitseite rammte und die Ruder wie Zweige knickte, und daß ihn einer der Griechen anstarrte, dem Blut aus dem Mund strömte und ein Ruderende in der Brust stak...
... und einmal erkannte er auch Agrippas »Sechser« neben sich, kaum mehr als ein Stadium entfernt, und glaubte seinen Peiniger auszumachen, der beinahe regungslos auf dem Heckturm stand und ihm dann das Gesicht zuwandte. Doch danach war eine Rauchmauer auf ihn zugewandert, und Agrippa war verschwunden.
Antonius erlebte einen kurzen Moment innerer Klarheit, in dem er wußte, daß sein Durchbruch gescheitert war. Die Rauchzeichen, die das Schlachtfeld markierten, waren nicht mehr sichtbar, die Schlachtordnung zerschlagen, seine Schiffe in die Defensive gedrängt. Agrippas Liburnen griffen die größeren Schiffe an, in denen Ruderer saßen, die nicht wußten, wie sie auszuweichen hatten; die Rammsporne seiner Schiffe durchbrachen die Rümpfe von Antonius' Triremen und »Sechsern«, noch ehe Steine und Feuerkugeln aus den Türmen abgeschossen werden konnten. Zudem waren die feindlichen Zweiruderer mit Eisenkrallen ausgestattet, die die Segel zerrissen und sie für die Weiterfahrt untauglich machten.
Auch war der Großteil seiner Schiffe inzwischen so erfolgreich gekapert worden, daß sich der geplante Durchbruch in einen Überlebenskampf verwandelt hatte.
Ein beißender schwarzer Rauchvorhang trieb über das Meer, der in den Augen brannte. Als er sich für einen kurzen Moment teilte, sah Antonius ein Stück Purpurfarbe aufblitzen. Es war die Isis, die die Segel hochzog - Kleopatras Schiff, das sich im Schutz seiner Schiffe südwärts wandte. Sie war in Sicherheit! Er hatte sein Wort gehalten!
Später - wieviel später? - wurde sein Flaggschiff von Liburnen und Biremen belagert, die sich wie Hunde an die Fersen eines Bullen hefteten. Das Steuerruder war zerbrochen, und auf dem Vorderdeck war ein Feuer ausgebrochen. Der Rauch des brennenden Teers drohte die Männer zu ersticken und trieb sie in die Flucht. Ohne Segel und Ruderkraft lag das Schiff nun bleiern und unbeweglich wie ein hilfloser Koloß auf dem Wasser.