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Dann regnete es plötzlich Speere auf Deck, eine Feuerkugel prallte zweimal auf und schlug zurück ins Wasser. Antonius hörte, wie die Enterhaken auftrafen. Danach wurde eine Landungsbrücke über die Reling geworfen, und die Veteranen kämpften von Mann zu Mann gegen Agrippas Legionäre.

Mit einemmal tauchte Sosius' Gesicht vor Antonius auf, eine Hälfte war blutüberströmt. »Ihr müßt fort von hier!« hörte er ihn brüllen.

Antonius starrte ihn an, unfähig zu glauben, daß ihm das Schicksal erneut eine Kampfniederlage bescherte. Er wandte sich um, um den bedrängten Veteranen zu Hilfe zu eilen, glitt in einer Blutlache aus und stürzte. Blut, dachte er, überall Blut, die Luft ist getränkt von dem Geruch.

Als er sich wieder aufgerafft hatte, wurden sie gerammt, und das Schiff wurde von einem Aufprall erschüttert, der ihn erneut zu Boden warf. Er taumelte hoch und klammerte sich an der Reling fest. Unter ihm war das Meer mit Toten übersät und mit verwundeten Soldaten, die sich an zerbrochene Ruder, Reste der Takelage und treibende Holzstücke klammerten.

Antonius bekam mit, daß Sosius ihm ins Ohr brüllte: »Rettet Euch, solange Ihr könnt! Wenn Ihr am Leben bleibt, gibt es noch Hoffnung!«

Längsseits hatte sich eine Bireme genähert. Der Kapitän rief ihm zu, er solle springen.

Antonius dachte an Canidius und seine fünfzigtausend Soldaten, die in diesem Moment auf Taenarus zumarschierten, an seine Legionen in Syrien und Kyrenaika, die Werften in Alexandria und am Roten Meer. Es muß hier noch nicht enden, ging es ihm durch den Kopf.

Wenn Ihr am Leben bleibt, gibt es noch Hoffnung!

Er hatte immer geglaubt, daß er den Tod nicht fürchten würde, wenn er käme, daß es ihm leichtfallen würde, zu scheiden, doch in diesem Augenblick, als das Schattenreich nahte, schrak er zurück. Einen Triumph mußte es noch für ihn geben, noch ein Gelage, ehe er sich dem Tod endgültig überließe. Diese Niederlage konnte er nicht akzeptieren. Nicht, wenn sie ihm von dem Bübchen beigebracht wurde - nicht von ihm.

Antonius kehrte dem Kampf den Rücken, sprang durch die Rauchwolken auf das schlingernde Deck, landete auf den Füßen und rollte sich ab, um die Wucht des Aufpralls zu verringern. Dennoch verlor er für einen kurzen Augenblick das Bewußtsein.

Als er wieder zu sich kam, sah er durch den Rauch, daß sich sein Flaggschiff entfernte, doch einer seiner Veteranen, ein Mann, den er seit Philippi kannte, beugte sich weit über die Reling und deutete mit dem Finger auf ihn.

»Du Bastard!« brüllte er, doch dann ragte die Spitze eines Schwerts aus seiner Brust, und er stürzte kopfüber in die Wellen.

Kleopatra lag in ihrer Kabine und wurde wie immer auf See so heftig von Schwäche und Übelkeit gequält, daß sie für das, was um sie herum geschah, weder Augen noch Ohren hatte. Charmion hatte sich zu ihr vorgebeugt und hielt ihr eine Silberschale hin. Sie eilten dem Süden entgegen, verfolgt von stürmischen Wogen, die das Gebälk des Schiffes ächzen ließen, während sich der Rumpf aufbäumte und wieder niedersank. Mardian mußte sich an der Wand abstützen, um sich aufrecht zu halten.

»Majestät, der edle Antonius ist an Bord gekommen!« sagte er.

Kleopatra war kaum in der Lage, den Kopf zu heben. Antonius an Bord? Das war doch vollkommen unmöglich! Er hatte ihr selbst erklärt, es gäbe für ihn nur Rom oder den Tod. Es mußte an ihrer Übelkeit liegen, daß Mardians Worte keinen Sinn ergaben.

»Sind wir... geschlagen worden?« fragte sie kraftlos.

»Das ganze Meer ist von Rauch verhüllt. Wir sind zu weit entfernt, um etwas zu erkennen.«

»Was... sagt denn... der edle Antonius?«

»Er will nicht reden. Er sitzt allein am Bug und hat das Gesicht in den Händen vergraben.«

Kleopatra überlief ein Schauder, und sie schloß die Augen. Wie war er an Bord gelangt? Sie mußten den Kampf verloren haben. Doch zumindest waren sie Aktium entronnen - später würden die Würfel neu fallen.

Drei Tage danach erreichten sie Kap Taenarus, einen kleinen Fischerhafen an der Südspitze der Peloponnes. Außer Kleopatras sechzig Schiffen waren weitere vierzig der Schlacht entronnen.

Nun wartete man noch auf Canidius' Legionen. Auch die Satrapen von Kommagene, Kappadokien und Pontos schienen Antonius weiterhin treu ergeben, so daß sie nun, wie Kleopatra Mardian erklärte, nicht nur der Falle von Aktium entkommen seien, sondern immerhin auch noch über fünfzigtausend Mann verfügten. Damit fangen wir wieder an, sagte sie.

Doch es sollte nicht sein.

Als Canidius drei Wochen später, verdreckt von dem langen Ritt, in Taenarus eintraf, kam er allein - bis auf einige seiner Stabsoffiziere und die Soldaten seiner Leibwache. Kleopatra und Antonius empfingen ihn im Prunksaal der Isis. Canidius faßte das Geschehene mit wenigen Sätzen zusammen. Das Heer von fünfzigtausend Mann war nicht mehr vorhanden, denn es hatte sich Octavian kampflos ergeben.

»Die Asiaten und Syrer wollten nur noch nach Hause«, sagte er, »und unsere Truppen dachten, Ihr hättet sie im Stich gelassen. Octavian hat ihnen Geld und Land geboten - ich mußte fliehen, um mein Leben zu retten.«

Antonius' Gesicht war aschfahl geworden.

»Ich hätte in Aktium sterben sollen«, sagte er und ging wieder hinaus zum Bug, wo er einsam grübelnd die Nacht durchwachte.

7

Welch ein trostloser, von allen Göttern verlassener Ort! Sein Name war Paraetonion, er lag einhundertfünfzig römische Meilen westlich von Alexandria, eine kleine Festung auf einem schmalen, hohen Kliff, um das die heißen Wüstenwinde wehten.

Dort gab es eine kleine Garnison, die die westliche Zufahrt zu Ägypten kontrollierte. Sie waren hier vor Anker gegangen, ehe sie weiter nach Alexandria segelten, um die Berichte abzuwarten, die Antonius über den Zustand seiner Hilfstruppen in Kyrenaika informierten. Doch gleich nach ihrer Ankunft war ihnen ein Gesandter entgegengerudert, der ihnen ein Schreiben mit der Botschaft des Kommandanten überbrachte, die besagte, daß Antonius' afrikanische Truppen zu Octavian übergelaufen seien.

Kleopatra beobachtete Antonius' Gesicht, während er die Zeilen las. Seine Armee hatte sich wie ein Trugbild verflüchtigt, mit dem die Luft in der Wüste spielt. Wie viele böse Überraschungen hält die Schicksalsgöttin denn noch für ihn bereit? fragte sie sich. In der Vergangenheit hatte sie ihn so großzügig mit ihrer Gunst bedacht, daß ihr plötzlicher Gesinnungswandel Kleopatra unerklärlich erschien. Handelte es sich dabei nur um eine Götterlaune, oder sollte es etwa eine Lehre sein, so daß sie dem Ungetreuen die gleiche bittere Mahlzeit servierte, die auch Antonius so trefflich zuzubereiten verstand?

In der folgenden Nacht war Antonius in seiner Kabine geblieben und am Morgen in Rüstung und Generalsmantel aufgetaucht. Kleopatra und er hatten seit dem Aufbruch aus Griechenland nur wenige Worte miteinander gewechselt, sich weder Mut zugesprochen noch sich getröstet - was hätte es auch zu sagen gegeben in Anbetracht dessen, was geschehen war?

Antonius hatte seine Freunde und Anhänger so schnell verloren wie seine Truppen. Den Senatoren, die ihn unterstützt hatten, hatte Antonius sicheres Geleit nach Korinth gewährt, damit sie dort mit Octavian zu ihren Gunsten verhandeln konnten. Seine Offiziere hatte er von ihrem Treueeid entbunden und ihnen genug Gold gegeben, damit sie in die barbarischen Länder des Ostens fliehen und sich dort niederlassen konnten. Der einzige, der bei ihm geblieben war, war Canidius.

Vom Strand hatte sich ein Ruderboot entfernt. Antonius sah ihm regungslos entgegen, doch sein Blick war leer. Die Falten in seinem gebräunten Gesicht hatten sich tiefer gegraben. Er war alt geworden.