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Doch schließlich erreichten sie die nächsten Kanalabschnitte, und die Schiffe wurden durch schmale Wasserwege ins Rote Meer geführt. Endlich war die Flotte Octavians Zugriff entzogen und lag bereit, um Kleopatra, ihre Familie, ihr Vermögen und ihr Gefolge zu retten. Mardian vergoß Tränen, als er die Nachricht hörte. Welch ein Triumph, dachte er, Kleopatras Wille ist nicht zu brechen.

8

Kleopatra befand sich im Audienzsaal des Palastes und übte gerade ihr Amt als Richterin aus, als sie die Nachricht erfuhr.

Mardian kam keuchend und schweißüberströmt durch das große Portal gehastet, und sie wußte, daß die Götter noch nicht genug hatten, daß sie auch weiterhin mit ihr spielen wollten. Tyche, dachte sie, Göttin des Schicksals, bist du der Heiterkeit noch nicht überdrüssig?

Die Menschen, die sie umgaben, waren verstummt. Ihre Blicke waren auf Mardian gerichtet.

»Malchus!« stammelte er.

Malchus war der Anführer der nabatäischen Araber, der einen Groll gegen sie hegte, seit ihr Antonius in Antiochia Land vermacht hatte, das zuvor sein Eigentum gewesen war. Es ging vor allem um ein Gebiet am Roten Meer, das Erdpech enthielt.

»Was hat er getan?«

Mardian schien um Worte zu ringen, brachte jedoch außer einigen Lauten nichts zustande.

Plötzlich war es ihr, als ob sich eine Hand nach ihrem Herzen ausstreckte und es mit eiskalter Faust umschlösse. »Die Schiffe!« flüsterte sie.

Mardian nickte.

Danach stieß er die Geschichte bröckchenweise hervor. Die Nabatäer hatten von ihrer Hauptstadt Petra aus die Flotte im Roten Meer überfallen und die Schiffe in Brand gesteckt. Nicht nur die Schiffe, die mit so hohem Aufwand an Arbeit und Gold durch Wüste und Sumpf geschleppt worden waren, sondern auch die neu erbauten Biremen. Sie alle waren zerstört - alle waren Malchus' Rache zum Opfer gefallen. Die Erdpechfelder, die sie in Antiochia errungen hatte und welche die ägyptische Staatskasse mit so erfreulichen Gewinnen ausgestattet hatten, waren zu einem Verlust geworden, dessen Höhe sich kaum beziffern ließ.

Kleopatra mußte nun erkennen, daß sie nicht achtsam gewesen war, daß sie sich so ausgiebig zu dem Erfolg der verschifften Flotte beglückwünscht hatte, daß sie den Schutz derselben vergessen hatte. Natürlich hätte Malchus gar keinen Überfall gewagt, wenn der syrische Statthalter Didius Antonius treu geblieben wäre, doch dieser war kürzlich mit drei von Antonius' Legionen zu Octavian übergelaufen. Danach hatte Malchus nicht nur gewußt, daß von den Ägyptern keine Gefahr mehr drohte, sondern auch, daß ihm die Römer die Tat wahrscheinlich lohnen würden.

Wieder einmal hatten sich die Ereignisse zu Octavians Gunsten entwickelt, und Kleopatra saß nun in Alexandria gefangen.

Ihre Träume waren in Flammen aufgegangen, ihre Pläne für sich, Caesarion und Selene zu Asche verraucht und erloschen. Ihr war, als hätte man ihr Steine als Nahrung aufgezwungen. Wie konnte die Große Mutter zulassen, daß ihr so etwas widerfuhr?

»Laßt mich allein!« sagte sie zu den Umstehenden. »Geht! Alle!«

Als Mardian kurz vor Einbruch der Abenddämmerung nach Kleopatra suchte, fand er sie noch immer in dem marmornen Audienzsaal vor, wo sie in ihren prächtigen Staatsgewändern zwischen den hohen Porphyrsäulen wie eine Puppe hockte, die Kinder beim Spielen vergessen hatten. Sie starrte aus dem Fenster zu dem großen Leuchtturm hinüber. Es war ein verhangener grauer Abend.

»Majestät«, sagte Mardian. »Geht es Euch gut?«

»Gibt es Nachricht aus Paraetonion?« flüsterte sie, ohne den Blick zu heben.

»Antonius ist in Kyrenaika und versucht die Legionen wieder auf seine Seite zu bekommen.«

»Zumindest lebt er noch.«

»So sieht es aus.«

»Sein Schwert scheint eine stumpfe Klinge zu besitzen. Armer Antonius - er liebt das Leben viel zu sehr. Er war nie ein richtiger Römer.«

Seltsam, dachte Mardian, daß ihre Stimme oft so weich, beinahe liebevoll klingt, wenn sie von ihm spricht. Es war für ihn schwer zu verstehen, denn seiner Meinung nach mußte sie Antonius ebenso hassen wie Octavian, nach den Enttäuschungen, die er ihr bereitet hatte.

»Was sollen wir nur tun?« fragte er ratlos.

»Vielleicht kommt Antonius zu uns zurück.«

»Ich glaube nicht, daß wir uns von ihm Rettung erhoffen können, Majestät.«

»Nein. Doch es wäre schön, ihn wiederzusehen. Verzweifle nicht, Mardian. Ich werde mir wieder etwas einfallen lassen.«

Meine arme, tapfere Königin! dachte Mardian. Sie weiß noch nicht, wie es ist, wenn man die letzte Niederlage schmeckt.

DER ÄGYPTISCHE MONAT PHAMENOTH IM JAHRE 30 VOR

CHRISTI GEBURT

Mardian besaß einen kleinen Palast am See Mareotis, der von Hainen und Weingärten umgeben war, mit einem eigenen kleinen Hafen, in dem seine Privatbarke lag. Die Gemächer waren beinahe ebenso kostbar ausgestattet wie die des königlichen Palastes. Apollodoros ließ seinen Blick wie bei jedem Besuch anerkennend in die Runde schweifen und kam zu dem Schluß, daß es seinem Schwager im Dienst der Königin eigentlich ganz gut ergangen war, wenngleich er den Preis für diese Pracht nie hätte bezahlen wollen. Mardian prangte in einem gewaltigen Seidengewand auf einer der kostbaren Ruhebänke und winkte ihn mit matter Geste näher, wobei die Smaragd- und Rubinringe an seinen Fingern funkelten. Vor ihm stand eine juwelenbesetzte Karaffe mit Wein.

Er machte einen mitgenommenen Eindruck und führte den gefüllten Weinpokal mit zitternder Hand zum Mund. Wie ungewöhnlich für ihn, dachte Apollodoros, um die Mittagszeit schon zu trinken! Doch wenn er es genau betrachtete, wunderte es ihn nicht, denn für Ägypten waren harte Zeiten angebrochen, obgleich es ihm als reisendem Händler schwerfiel, den Kummer der Seßhaften zu begreifen.

»Apollodoros«, sagte Mardian, »wie schön, dich wiederzusehen! Möchtest du einen Schluck Wein?«

Apollodoros nahm dankend an und ließ sich in die Kissen auf einer Ruhebank sinken.

»Wie geht es dir?« fuhr Mardian fort. »Ist dir dein Schicksal weiterhin hold, oder hat dir der Krieg geschadet?«

»Er hat mir in keiner Weise geschadet. Die Menschen wollen immer noch auf weichen Teppichen gehen und Gewürze für ihre Speisen haben. Krieg ist die Angelegenheit von Soldaten, Händler kümmert er nicht.« Apollodoros nahm ein paar kleine Schlucke Wein. »Du bist ein wenig dünner geworden, Mardian. Hast du in Aktium gelitten?«

»Erinnere mich nicht daran! Für einen Eunuchen gibt es nichts Schlimmeres als Hunger. Doch wie du siehst, bin ich noch lange kein Skelett.«

»Und wie fühlt sich unsere reizende Göttin nach ihrem jüngsten Ausflug?«

»Oh, sie läßt sich nicht unterkriegen.«

Der Sizilianer lächelte. »Hast du dich manchmal gefragt, wie es wäre... nein, hast du wahrscheinlich nicht.«

»Ich weiß dennoch, was du sagen willst. Wie es scheint, hast du dir zu viele von Octavians Lügen angehört. Sie hatte in ihrem Leben gerade einmal zwei Bettgefährten, die weder ihrer würdig waren, noch zu schätzen wußten, was sie an ihr hatten.«

»Ja, aber ein Mann darf doch wohl noch träumen, oder , nicht? Manchmal, wenn ich in ihre Augen schaue...« Apollodoros verstummte.

»Man hält sie oft für geheimnisvoll, doch glaub mir, sie denkt nur an ihr Land.«

»Du brichst mir das Herz, Mardian.«

Mardian blieb ernst. »Wobei ich fürchte, daß sie derzeit ausnahmsweise weniger an ihr Land denkt als vielmehr an das eigene Überleben.«

»Ich habe von dem Überfall auf die Flotte gehört. Was hat sie denn nun vor?«

»Ich weiß es nicht. Eine Flucht ist unmöglich geworden.«

»Ist sie nicht. Ich kann sie von hier fortschaffen. Nach Spanien oder in den Süden des Nils, in das Land der Elefanten. Dort würde man sie aufnehmen.«