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Mardian schüttelte den Kopf. »Dafür ist sie viel zu stolz. Sie will nicht, daß man sich ihrer erbarmt - eher würde sie sterben. Und was wäre mit ihrer Dienerschaft, ihrer Leibwache, ihrer Armee, ihren Schatztruhen? Hast du genügend Schiffe, um das alles zu transportieren? Hast du bewaffnete Schiffe, um sie zu schützen, wenn sie das Land verläßt?«

»Ich habe sie schon einmal gerettet.«

»Die Zeiten haben sich geändert. Ohne Bewachung und Schutz wäre sie heute jedem ausgeliefert, der auf Octavians Seite ist.«

»Was ist mit ihrem Sohn?«

»Caesarion? Ein verzogenes Bürschchen, das glaubt, daß sein Darmwind Weihrauch ist. Seine Mutter liebt ihn, doch Octavian wird ihn bis ans Ende der Welt verfolgen - bis in die Unterwelt, wenn es sein muß.«

Danach schwiegen sie für eine Weile, jeder in die eigenen Gedanken versunken. »Ich habe gehört, daß Antonius wieder in Alexandria ist«, sagte Apollodoros schließlich.

»Dann hast du richtig gehört. Er hat sich in eine kleine Hütte am Meer zurückgezogen und läßt niemanden zu sich. Wahrscheinlich hofft er, daß Octavian ihn mit der Zeit vergißt. Das muß man sich vorstellen! Der Mann, der sich für den neuen Dionysos hielt!«

»Ich hätte gewettet, daß er sich in sein Schwert stürzt.«

»Am Ende wird ihm der Mut gefehlt haben. Dabei sollte man doch annehmen, daß er des Lebens überdrüssig ist, nachdem es ihm so übel mitgespielt hat.«

»Ich kann mir nicht vorstellen, daß man des Lebens je überdrüssig wird - ganz gleich, wie es einem mitspielt.«

»Er hat sich wie ein Dieb nach Alexandria zurückgeschlichen, ist nicht einmal im Palast aufgetaucht, um die Königin zu begrüßen. Und er will ein Mann sein? Sie hat nicht aufgegeben! Wieso kann er nicht ebenso standhaft sein?«

Apollodoros beugte sich zu Mardian vor. »Richte ihr aus, daß meine Flotte alle Häfen anlaufen kann. Ich kann sie und ihre Familie verstecken und einen sicheren Ort für sie finden. Sag ihr das!«

»Warum willst du ein derartiges Risiko eingehen? Octavian nagelt dich ans Kreuz, wenn er es entdeckt! Erzähle mir nicht, daß dich Gefühle leiten.«

Apollodoros machte ein beleidigtes Gesicht. »Nein, ich erwarte gutes Geld dafür.«

Mardian konnte sich eines Lächelns nicht erwehren. »Ich werde dein Angebot weitergeben, doch ich kann dir jetzt schon sagen, daß daraus nichts wird, denn ich fürchte, die Königin ist dabei, einen ihrer eigenen Pläne auszuhecken.«

Die letzten Bauten an Kleopatras Mausoleum neben dem Isistempel waren während ihrer Zeit in Aktium fertiggestellt worden. Die Eingangspforte bestand aus mächtigem libanesischem Zedernholz und besaß ein Fresko, auf dem die Göttin Isis dargestellt war. Die Pforte war mit dicken Eisenstangen gepanzert und wurde von innen mit schweren Riegeln geschlossen. Dahinter erstreckte sich ein Saal mit Säulen aus schwarzem, glänzendem Porphyr, die die schwarze Granitdecke abstützten, während die Wände in weißem Marmor erstrahlten. Von dort aus führte der Weg zu einem Schrein, in dem zwei Sarkophage aus rosafarbenem Granit nebeneinander standen. Sie würden der Inschrift nach Marcus Antonius, Imperator von Rom, und Kleopatra VII. Philopator, Königin der Zwei Länder, als letzte Ruhestätte dienen.

Kleopatra fuhr mit den Fingern über den glatten Stein ihres Sarkophags und fragte sich, was Caesar wohl in Anbetracht dieser Beisetzungsstätte gesagt hätte. Er hatte immer zu jenen gehört, die die ägyptischen Todesvorbereitungen als unnatürliche Besessenheit verachtet und verspottet hatten. Wer weiß, dachte Kleopatra mit bitterem Lächeln, ob er ihre Vorsorge inzwischen auch noch verlachen würde.

Hinter dem Schrein mit den Sarkophagen gab es noch einen größeren Raum, aus dem ein starker Gewürz- und Pechgeruch drang. Kleopatra trat durch den Säuleneingang und verharrte bei dessen Anblick für einen Moment wie gebannt auf der Schwelle.

Vor ihren Augen türmte sich ein wahrer Berg an Kostbarkeiten auf, das größte Vermögen jenseits von Babylon, ein Wert, der das jährliche Einkommen Roms um ein Vielfaches überstieg. Zuunterst lagerten auf einem Bett aus Pech schwere Tafeln aus Ebenholz, darüber dicke Barren aus Gold und riesige Stoßzähne von Elefanten, die sich bis zu einer Höhe von vier Männern stapelten. Daneben häuften sich Säcke, gefüllt mit Zimt, Muskat und Safran, auf denen wiederum Seidenballen ruhten, die aus fernen Ländern des Ostens stammten. Vor ihnen standen Gefäße mit arabischen Perlen, Smaragden und goldgeädertem Lapislazuli, der in der Dunkelheit wie ein überirdisches Leuchten glomm.

Nur wenige Fackeln wären nötig, um den Pechboden anzuzünden und den Reichtum den Flammen anheimzugeben. Das Holz und die Gewürze würden brennen, die Perlen und Juwelen platzen, das Elfenbein verkohlen - nun, die Goldbarren würde Octavian womöglich retten können.

Ob der junge Caesar das alles aufs Spiel setzen würde? Kleopatra bezweifelte es. Vielleicht würde es ihr doch gelingen, Ägyptens Reichtum als Tauschmittel gegen ihr Leben und den ägyptischen Thron einzusetzen.

9

Der Winter schritt unbarmherzig voran, die Zeit, die noch blieb, zerrann.

Im Frühling kehrte Octavian nach Griechenland zurück und segelte dann nach Syrien, um seinen Marsch nach Süden zu beginnen. Danach begann man die Tage zu zählen - sie waren der Zeitmesser des Untergangs.

Es war ein klarer, leuchtender Tag, der Himmel nur hier und da mit dunstigen Wolkenfasern durchzogen. Im Königlichen Hafen schaukelte die Isis mit frisch vergoldetem Bug auf den Wellen. Nicht allzu weit davon entfernt, am Ende der Halbinsel bei den Wellenbrechern, befand sich eine einfache Kalksteinhütte. Mardian bewegte sich schnaufend über die lange Mole und schwitzte trotz der frischen Brise. Nur mit halbem Ohr lauschte er dem Donnern der Brandung, die sich an den Riffen brach, und den schrillen Schreien der Möwen, die ihre Kreise über den ausgelegten Fischernetzen von Rhakotis zogen.

Er schirmte die Augen gegen die gleißende Helle über dem Wasser ab und sah einen dunklen Riesen vor sich, der ihm den weiteren Weg versperrte.

Fast hätte er den Riesen nicht erkannt. Er hatte seit ihrer letzten Begegnung abgenommen, trug einen wilden Bart und war ungewaschen. Seine Tunika war zerschlissen, das Haar verklebt und strähnig wie das eines Bettlers.

Manche behaupteten, Antonius habe sich die Hütte selbst gebaut, doch Mardian bezweifelte das. Er hatte ihr jedoch einen Namen gegeben und nannte sie Timonium, nach Timon von Athen, einem Einsiedler, welcher der Menschheit die Schuld an seinem Elend gegeben hatte. Antonius lebte hier schon seit Wochen und hatte bisher noch mit keinem Menschen gesprochen. Er blickte Mardian abweisend an und verzog verächtlich den Mund. »Laß mich in Ruhe, Dickwanst«, sagte er.

»Ich grüße Euch desgleichen, edler Antonius«, erwiderte Mardian.

»Du und auch die anderen seid hier nicht willkommen.«

»Ich will Eure Zeit nicht lange in Anspruch nehmen. Vielleicht laßt Ihr mich wenigstens in den Schatten der Hütte treten?«

»Von mir aus kannst du ruhig braten.« Antonius machte Anstalten, sich wieder in seiner Behausung zu verkriechen.

»Die Königin wünscht Euch zu sehen.«

»Ich suche keine menschliche Gesellschaft. Meine Freunde haben mich verraten, das Schicksal hat mich im Stich gelassen, und die Frauen haben mir nur geschadet. Ich spucke auf alle.« Um seine Worte zu betonen, spuckte er vor Mardians Füßen aus.

»Es geht um Euren Sohn Antyllus.«

Flackerte da so etwas wie Interesse in Antonius' Augen auf? Mardian war sich nicht sicher.

»Ich habe keinen Sohn.«

»Ihr habt nicht nur einen Sohn, sondern mehrere Kinder, sowohl in Alexandria als auch in Rom. Wenn Ihr die Welt schon verachtet, so verachtet Ihr doch gewiß nicht Euer eigen Fleisch und Blut.«

Antonius schien zu zögern. »Ist er wohlauf?«