»Selbstverständlich.« Er klatschte in die Hände, um die Diener herbeizurufen. »Bringt Wein, um sie zu beleben!«
Aus ihrer Perspektive sah er aus wie ein Riese. Sie versuchte abermals, sich aufzusetzen, aber die Muskeln gehorchten ihr nicht, und ihr wurde erneut schwindelig. Doch der Wein half. Caesar hielt ihr den Becher an die Lippen, als sei sie ein kleines Kind. Dann streckte er die Hand aus. Sie nahm sie. Ein Griff wie aus Eisen, er half ihr hoch, hielt ihre Hand länger als nötig. Große, kräftige Hände, ein schwerer goldener Siegelring am Mittelfinger der Rechten, die Adern wie dicke Seile unter der Haut, die mit feinen goldenen Härchen bedeckt war. Die Handflächen waren rauh und schwielig von Schwertknauf und Pferdegeschirr.
Jeder starrte sie an. Apollodoros, der Mann, den man Decimus Brutus nannte, die Sklaven und Diener, selbst Caesars Leibwache stand mit offenem Mund da, wie Bauern im Theater. Caesar schien sich der anderen mit einemmal bewußt zu werden.
»Raus!« rief er und scheuchte sie zur Tür. »Allesamt. Raus mit euch!«
Das war also Julius Caesar, von dem sie schon soviel gehört hatte. Der große Feldherr, der Pompejus besiegt hatte. Sie hatte etwas anderes erwartet, einen zweiten Alexander vielleicht. Sein Äußeres war enttäuschend. Für einen Römer war er zwar hochgewachsen, und vielleicht war er auch einmal ein gutaussehender Mann gewesen, doch mittlerweile hatte er die Fünfzig überschritten und war fast kahl. Um seinen Kopf zog sich nur noch ein kurzer blonder Haarkranz, der langsam ergraute. Und wie Mardian bereits erwähnt hatte, schien ihn die fehlende Haarpracht zu stören, denn er trug einen Lorbeerkranz auf dem Haupt, um den Makel zu kaschieren. Das Gesicht war gebräunt und mit tiefen Furchen durchzogen, abgenutzt wie eine lederne Satteltasche, die etliche Reisen hinter sich hat. Aber es ist die Macht, die einem Mann seine Anziehungskraft verleiht, sagte Mardian immer, und nicht die körperliche Schönheit. Das Gesicht war sorgfältig rasiert, sehr viel gepflegter, als man es von einem Krieger hätte erwarten können.
Was Caesar jedoch fraglos besaß, war ein großes Maß an Autorität, so groß, daß es sie verunsicherte. Er hatte durchdringende dunkle Augen, die sie abwägend musterten, so als wolle er ihren Wert für den Basar bestimmen. Als ob sie, wenn man so wollte, tatsächlich ein Teppich wäre.
»Also habt Ihr Euch doch entschlossen, mir einen Besuch abzustatten«, sagte er, wieder vollkommen gefaßt.
»Ich bin keine Besucherin. Dieser Palast gehört mir.«
»Nun, das wäre noch zu klären.« Caesar wandte sich um und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Dann grinste er plötzlich. »Ihr seid sehr einfallsreich. Pothinos wird in Ohnmacht sinken, wenn er erfährt, was Ihr getan habt.«
Kleopatra ließ ihren Blick durch den Raum wandern. Er gehörte zu den früheren Gemächern ihres Vaters. Dort stand der Tisch aus geschnitztem Elfenbein, an dem er immer gearbeitet hatte. Die Vase aus Lapislazuli gehörte ihr; sie war ein Geschenk, das ihr der König von Punt gesandt hatte. Und jetzt hatten sich diese Fremden hier breitgemacht, räkelten sich auf den kostbaren Sofas, als gehörten sie ihnen. In diesem Raum hier hatte sie manchmal privat gespeist, bevor Pothinos und seine Bande sie vertrieben hatte. Es war noch nicht einmal ein Jahr her, und doch kam es ihr vor wie ein ganzes Leben.
»Ihr seid also Kleopatra.«
»Und Ihr seid Caesar. Ich habe schon viel über Eure Taten vernommen.«
Er lächelte. Es war kein Lächeln der Bescheidenheit, sondern das eines Mannes, der ungebührlich stolz ist auf seine Errungenschaften. Sie hätte daran Anstoß nehmen sollen, doch statt dessen fand sie es auf seltsame Weise reizvoll.
»Ihr seid sehr schön«, sagte er.
Kleopatra spürte, daß sie rot wurde. Es stimmte offenbar, was man über ihn munkelte, er war ein Lüstling. Sie konnte es in seinen Augen sehen.
Das war nun der Mann, den sie hatte überreden, beeinflussen, womöglich sogar verführen wollen! Was ihr in der ausgedörrten Weite um den Berg Kasios noch so logisch und klar erschienen war, kam ihr nun ausgesprochen absurd vor. Wie ein Stück Treibholz, das glaubte, die Wellen befehlen zu können und zuletzt doch nur den Launen des Meeres gehorcht.
Mardian hatte recht gehabt. Sie war nackt und hatte nichts gegen ihn in der Hand.
Caesars Lächeln verschwand, der Blick seiner Augen wurde hart. »Neunzehn Jahre alt, eine Königin und sehr schön. Sagt mir, warum Ihr Pompejus, meinen Feind, mit Soldaten und Proviant versorgt habt.« Es klang wie ein Verhör.
»Mein Vater stand in seiner Schuld. Es war eine Frage der Treue.«
»Und trotzdem möchtet Ihr, daß ich mich nun zwischen Euch und Eurem Bruder entscheide?«
»Der Vorschlag stammt von Euch selbst, nicht von mir.«
»Ihr richtet Euer Segel nach dem Wind, wie es mir scheint.«
»Das nennt man steuern.«
Er lachte auf.
»Pothinos und der Regentschaftsrat haben mich des Thrones beraubt. Ich hoffe, daß Ihr mir Gerechtigkeit widerfahren laßt.« So lagen die Dinge aus ihrer Sicht, doch noch ehe sie die Sätze zu Ende gesprochen hatte, merkte sie, wie hohl sie im Grunde klangen.
Er verzog das Gesicht, als habe er einen unangenehmen Geschmack im Mund. »Gerechtigkeit gibt es nicht, es gibt nur Macht und die Wege, von ihr Gebrauch zu machen.«
Er behandelt mich wirklich wie ein kleines Mädchen, dachte sie. Eine von den vielen unbedeutenden Herrscherfiguren, mit denen er sich die Zeit vertreibt. Ich wäre närrisch, wenn ich mich vor ihm aufspielte und leere Drohungen von mir gäbe, denn ich werde niemals Eindruck auf ihn machen können.
»Und wie gedenkt Ihr von Eurer Macht Gebrauch zu machen?«
»Ich habe viertausend Legionäre und fünfunddreißig Schiffe. Achillas hat zwanzigtausend Mann, die vor der Stadt lagern und die ägyptische Flotte, die jenseits des Heptastadions liegt. Was glaubt Ihr, wieviel Macht das für mich bedeutet?«
»Ihr habt selbst vorgeschlagen, daß Ihr vermittelt.«
»Weil sich das leichter bewerkstelligen läßt, als Achillas' Armee zu bekriegen. Leuchtet Euch das ein?« Er verließ seinen Stuhl und nahm neben ihr auf dem Sofa Platz. Ohne weitere Worte ergriff er ihre Hand, drehte die Innenfläche nach oben und küßte sie.
»Ihr habt also nicht nach alter Sitte Euren Bruder geheiratet?«
»Er gefällt mir nicht«, brachte sie hervor.
»Und außer ihm gab es keine Bewerber?«
»Wer sollte mich denn wollen?«
»Nur ein Blinder könnte sich an Eurem Anblick nicht erfreuen.«
»Daran zweifle ich.«
»Ihr solltet meine Worte nicht bezweifeln. Ich bin Experte auf diesem Gebiet.«
Mit einemmal fiel es ihr schwer, gleichmäßig zu atmen. »So hat man mir berichtet.«
Rachel und deren Instruktionen fielen ihr ein. Glaubte sie wirklich, daß sie diesen Mann verzaubern konnte? Was für ein abwegiger Gedanke. Kleopatra war vor Schreck wie gelähmt. Du mußt dich ein bißchen mehr anstrengen, Mädchen, ermunterte sie sich. Was Caesar will, liegt auf der Hand, und er wird es sich nehmen, ob du es ihm offerierst oder nicht. Genau wie Gallien.
»Werdet Ihr mir helfen?« flüsterte sie.
Er antwortete mit einem Lächeln. »Das, mein Kätzchen«, sagte er leise, »liegt ganz bei dir.«
11
Es war ganz anders, als sie es sich vorgestellt hatte. Sie hatte vorgehabt, die Führung zu übernehmen, so wie sie es bei Rachel gesehen hatte, doch dann hatte der Mut sie verlassen. Wie sollte sie denn auch jemanden wie diesen Römer kontrollieren können, der schon bei so vielen Frauen gelegen hatte? Es war eine Sache, jemandem zuzusehen. Es selbst zu tun war jedoch eine ganz andere. Caesar war offenbar nicht gewillt, es ihr leichtzumachen - er stand einfach da, hielt einen Weinpokal in der Hand und blickte sie an.