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»Er ist jetzt ein Mann«, antwortete Mardian.

»Was willst du damit sagen?«

»Die Königin hat die traditionellen Riten für ihren Sohn abgehalten, mit denen er mündig erklärt worden ist. Dasselbe hat sie für Euren Sohn getan.«

Antonius' Schultern fielen nach vorn. Schau an, dachte Mardian, seine ganze Härte ist nur Theater gewesen. Antonius ist und bleibt so durchsichtig wie eh und je.

»Weiß sie, was sie damit angerichtet hat?«

Natürlich weiß die schlaue Hexe das, dachte Mardian. Jetzt gilt Antyllus als Mann und ist dadurch für Octavian ebenso zum Racheziel geworden wie Caesarion. Damit holt sie dich aus deinem Bau und zwingt dich zum Handeln. »Ja, das weiß sie.«

»Diese Schlange«, sagte Antonius.

»Das ist sie in der Tat. Darf ich ihr sagen, daß sie mit einem Besuch rechnen kann?« fragte Mardian lächelnd.

An den Imperator Octavian, Divi Filius.

Ich grüße Euch. Euer Stern ist hoch am Himmel aufgegangen, doch aufgrund unseres Streits scheint Ihr weiterhin entschlossen, mich des Thrones zu entheben. Vielleicht gibt es dennoch eine Möglichkeit, unseren Freunden und Anhängern ein Blutvergießen zu ersparen. Daher schlage ich Euch vor, daß Ihr an der Grenze Ägyptens umkehrt, wofür ich Euch zwölf Talente Gold anbiete, die Euch für die Kosten des Krieges entschädigen und Euren Soldaten eine glückliche Rückkehr nach Italien gewähren. Darüber hinaus werde ich dem Thron zugunsten meines Sohnes Ptolemaios Caesar entsagen und mich an einen Zufluchtsort begeben. Mein Sohn hat an der Schlacht von Aktium nicht teilgenommen, und meine Sünden sind nicht die seinen. Der edle Antonius hat sich mit einem Einsiedlerleben beschieden und wird für Euch hinfort kein Hindernis mehr sein. Zum Zeichen meiner ehrlichen Absicht übersende ich Euch mit diesem Schreiben das goldene Diadem und das Zepter Alexanders.

Folgt meiner Bitte, und Ihr werdet nie mehr von mir hören.

Kleopatra VII. Philopator, Königin der Zwei Länder, Erwählte der Isis, Frucht des Amun, Königin der Könige.

Philadelphos spielte am Fuße der breiten Palasttreppe im seichten Gewässer des Meeres und sammelte Seesterne und Seeanemonen. Mit dem Frühling waren auch die Delphine wieder zurückgekehrt, die sich weiter draußen im Hafenbecken zwischen den verankerten Schiffen tummelten. Sie waren die natürlichen Gefährten der Seekönigin Isis, und Kleopatra hoffte, daß sich das als gutes Zeichen deuten ließ.

Armer Junge, dachte sie, als sie ihrem Jüngsten beim Spielen zusah, was wird wohl aus dir werden?

Kleopatra wandte sich zu Caesarion um, der mit seinem Lehrer Rhodon neben ihr stand und wie üblich griesgrämig dreinschaute. »Du mußt fort«, sagte sie.

Er nagte an der Unterlippe. »Wohin?« fragte er verdrossen.

»Wir führen Handel mit dem Prinzen von Barygaza, einem Land jenseits des arabischen Meeres. Ich habe ihm geschrieben, und er hat versprochen, dich als Ehrengast aufzunehmen. Du wirst dich in Begleitung deines Lehrers zu ihm begeben. Ein Vermögen an Juwelen garantiert dir bis zu deiner Rückkehr ein angenehmes Leben.«

»Was wird aus dir?«

»Ich bleibe.«

»Hier?« Er schien sich die Sache durch den Kopf gehen zu lassen. »Was ist mit diesem fetten Römer unten am Hafen? Ich hoffe, daß du auf ihn nicht mehr zählst.«

Kleopatra spürte, wie ihr das Blut in den Kopf stieg, doch sie zwang sich zur Ruhe. »Vielleicht kann ich mit Octavian verhandeln.«

»So wie du mit meinem Vater verhandelt hast?«

Kleopatra schlug ihm ins Gesicht. Er zuckte zusammen, seine Unterlippe fing an zu zittern, und auf seiner Wange breitete sich ein leuchtendroter Fleck aus. Sie starrten einander an. Kleopatra rechnete mit Tränen, doch Caesarion hielt ihrem Blick grollend stand. Nun, dachte sie, vielleicht hatte er doch etwas von seinem Vater.

»Octavian wünscht deinen Tod«, sagte er.

»Nein, er wünscht den deinen. Mich will er nur aus dem Weg haben. Deshalb bis du derjenige, der fliehen muß.«

»Wann kann ich wieder zurückkommen?«

»Octavian erfreut sich keiner guten Gesundheit, man sagt, daß es ein Wunder ist, daß er noch am Leben ist. Er hat keinen Sohn, und Livia kann keine Kinder bekommen. Sobald er tot ist, kommst du zurück.«

Es klang alles so einfach. Wenn er tot ist... wenn Livia unfruchtbar bleibt... wenn, wenn, wenn... Antonius hatte Octavians Tod schon vor Jahren prophezeit, und er war immer noch nicht eingetreten. Er hatte seine Krankheiten überlebt, die Schiffsunglücke und zahlreiche Aufstände. Allmählich hinterließ er den Eindruck, daß er wahrhaftig unsterblich sei.

»Ich will nicht fort«, klagte Caesarion.

»Du hast keine Wahl«, erwiderte Kleopatra und stieg die Stufen hoch, um in den Palast zurückzukehren. Als sie sich noch einmal zu ihm umwandte, sah sie, daß er nun doch weinte. Ob es wegen der Ohrfeige war oder weil er sie verlassen mußte, oder einfach aus Furcht, würde sie wahrscheinlich nie erfahren.

An Königin Kleopatra.

Ich grüße Euch. Ich habe die Zeichen Eurer Unterwerfung empfangen und erkenne, daß Ihr Euch meinem Willen beugt. Die Frage der ägyptischen Thronnachfolge läßt sich unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht lösen. Ich verlange kein Diadem von Euch, sondern den Kopf von Marcus Antonius. Übersendet ihn mir, dann läßt sich über den Anspruch Eures Sohnes auf den Thron von Alexander reden. Erst wenn dies geschehen ist, werde ich Euer Ersuchen wohlwollend erwägen.

Octavian Gajus Julius Caesar, Divi Filius, Imperator.

10

Gegen Ende des römischen Monats Maius war Octavian mit seinen Truppen von Antiochia aus nach Süden marschiert und befand sich nun weniger als fünfhundert römische Meilen von der ägyptischen Grenze entfernt. Die reichen Bewohner Alexandrias sowie die Händler und die hohen Beamten feierten verschwenderische Gelage, zu denen sie sich mit ihren feinsten Essenzen salbten, die teuersten Weine zu sich nahmen und anschließend endlos darüber debattierten, ob man alles aufgeben und irgendwohin ins Exil fliehen sollte oder ob sich mit den richtigen Bestechungsgeldern Gnade erkaufen ließe und dann die Geschäfte so weiterlaufen würden wie bisher.

Wenn es ein Blutvergießen gäbe, würde Kleopatra sie möglicherweise mit in ihr Verderben ziehen und Octavian vielleicht nicht eher ruhen, bis er sie alle umgebracht hätte.

Währenddessen verließ Antonius seine Hütte bei den Wellenbrechern und stieg den Hügel zum Lochias-Palast empor.

»Der edle Antonius!« sagte Kleopatra.

Vor ihr stand wieder der Mann aus früheren Tagen. Die Zeit spartanischer Enthaltsamkeit hatte ihn von seinem Fettring um die Taille befreit, und seine Augen blickten so klar wie schon lange nicht mehr. Die Rolle des Menschenfeindes war ihm augenscheinlich gut bekommen. Er trug die purpurfarbene Chlamys eines griechischen Höflings, sein Bart war geschabt, die Locken von einem tonsore geschnitten und frisiert worden. Und er lächelte. »Majestät«, sagte er.

Kleopatra erwiderte sein Lächeln. »Wir hatten Euch bereits aufgegeben.«

»Ich habe die Welt eine Weile für mein Unglück verantwortlich gemacht, doch inzwischen habe ich begriffen, daß ich es mir selbst zuzuschreiben hatte.«

»Wir sind froh, Euch wieder bei Hof zu sehen.«

»Und ich bin froh, wieder hier zu sein.« Er wandte sich an die Höflinge. »Warum macht Ihr alle so bedrückte Gesichter? Ist inzwischen das Ende der Welt angebrochen?«

Die Umstehenden lachten ein wenig mühsam, denn die Juden sagten tatsächlich die Apokalypse sowie das Erscheinen eines neuen Herrschers voraus, und die jüngsten Ereignisse schienen ihnen recht zu geben.

»Manche bei uns befürchten tatsächlich das Ende der Welt«, erklärte Kleopatra.

Antonius ließ den Blick in die Runde schweifen, über die bunten Gewänder, die gekräuselten Locken und die mit kostbaren Edelsteinen geschmückten Finger. »Geldhändler und Kaufleute«, murmelte er. »Für sie wird es nie ein Weltende geben. Sie werden lediglich mit den Römern Geschäfte machen statt mit den Griechen.« Laut sagte er: »Ich gebe heute abend ein Bankett in meinen Gemächern im Palast. Ich lade die früheren Freunde des Lebens ein sowie die anderen Gefährten aus meinem ersten Winter in dieser Stadt.«