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»Wir sind entzückt, daß Ihr wieder zu Euch zurückgefunden habt«, sagte Kleopatra.

»In der Einsamkeit kann ein Mann sehr viel lernen.«

»Ich habe davon gehört.«

»Außerdem«, setzte Antonius grinsend hinzu, »könnte ich nach all diesen Monaten einen ordentlichen Schluck vertragen.«

Damals hatte Antonius die Gesellschaft »Freunde des Lebens« genannt, doch nun gab er ihr einen neuen Namen und bezeichnete sie als »Freunde des Todes«.

Im Bankettsaal drängten sich die erlauchtesten Mitglieder der alexandrinischen Gesellschaft, denen die Sklaven beim Eintreten geflochtene Kränze aus Weiden, Mohn und Nachtschattengewächsen überreicht hatten, den symbolischen Zeichen der Unterwelt. Zur Unterhaltung hatte Antonius zwei dionysische Schauspieler eingeladen, wovon einer das schwarze Gewand des Hades trug und der andere als geierköpfiger Anubis erschienen war.

Antonius hatte sein Gesicht unter der doppelgesichtigen Maske von Tragödie und Komödie verborgen und verkündete allen, daß in den anstehenden Tagen sowohl die eine als auch die andere Hälfte ihren Zweck erfüllen würde.

Antonius hatte nur eine Regel für den Abend erhoben: Keiner der Anwesenden durfte von Octavian oder dem herannahenden römischen Heer reden, sondern man sollte nur Themen wählen, die sich um harmlose Dinge wie Mode, Speisen, Theater oder Musik drehten.

Während in den Nischen des Saals Musikanten auf Harfen spielten, wurden prächtige Silbertabletts mit dem Festmahl aufgetragen, zu dem gebratene Hirschstücke gehörten, Gazellenlendchen in würzigen Soßen, Klößchen aus Heuschreckenkrebsen, Austern mit Zitronensorbet, mit Wachtelfleisch gefüllte Enten, geschmortes Wildgeflügel und zarte Lammrücken in Minzesoße. Dazu wurden die besten italienischen Weine gereicht sowie später frische Melonenscheiben, Weintrauben, Datteln aus Jericho, Feigen und Honigkuchen.

Als das Mahl beendet war, ließ Antonius Falernerwein bringen und trug jedem der Gäste auf, dreizehn Trinksprüche vorzutragen. Danach, so versprach er, würde man mit dem Tanz beginnen. Dieser Tanz wurde von Hades geleitet, der die Gäste in einer langen Reihe zu den Klängen von Flöten, Trommeln und Schalmeien durch die Gemächer führte und allmählich das Tempo steigerte, bis der Tanz schließlich einem wilden, ausgelassenen Taumel glich.

Danach ließen sich alle lachend und erschöpft auf die Ruhelager, die Teppiche oder draußen im Freien auf die Erde fallen, schnappten sich je nach Vorliebe einen der Sklaven oder eine der Sklavinnen und beendeten die Nacht mit einer Orgie der Fleischeslust.

Antonius war mit drei Mänaden hinaus in die Gärten gezogen, wo er die düsteren Tage von Paraetonion mit Hilfe zarter, feuchter Pforten und fester runder Schenkel auslöschte, die Lippen gierig öffnete, um an Weintrauben oder Brüsten zu saugen, Wein von weichen Körpern leckte oder ihn sich in den Mund träufeln ließ, bis er auf dem Höhepunkt seines Sinnenrausches jenen kleinen Tod erfuhr, der ihm ein Abbild des größeren vor Augen führte.

Bruder, ich bitte Dich nicht um Gnade für mich, da ich weiß, welche Art von Mensch Du bist. Dennoch sind wir Brüder gewesen, haben unsere Mahlzeiten geteilt und sind in Liebe und Achtung Deiner Schwester gegenüber verbunden. Ich bitte Dich lediglich, von Ägypten abzulassen und nach Rom zurückzukehren. Ich habe mich gegen Dich erhoben, Kleopatra war nur Verbündete und Vasallin, so wie Amyntas und jene anderen, denen Du Gnade gewährt hast. Gib mir Dein Wort, daß Du sie und ihre Kinder leben läßt! Danach stürze ich mich in mein Schwert und mache allem ein Ende. Ich bin Dein Feind, nicht sie. So Du es mir verweigerst, nehme ich die Legionen, die mir verblieben sind, und die Flotte, um Dich bis zu meinem letzten Atemzug zu verfolgen. Laß ihnen das Leben, und es ist vorbei. Laß außer dem meinen kein Blut mehr fließen. Gewähre Kleopatra das Leben. Marcus Antonius.

11

Im glühendheißen Monat Julius stand Octavian kurz vor Joppa, nur mehr dreihundert Meilen von ihnen entfernt. Alexandria lag unter einer Schicht aus Staub und Hitze, die nur erträglich wurde, wenn sich der Wind vom Meer erhob.

Antonius und die Freunde des Todes hatten die alten Gewohnheiten wiederaufgenommen und zogen durch die Tavernen, wo sie mit lautem Frohsinn die gespenstische Starre der wartenden Stadt zu durchbrechen suchten. Die anderen Menschen wälzten jedoch immer wieder dieselben Gedanken und fragten sich, ob es eine Schlacht oder eine Belagerung gäbe oder ob die Bevölkerung womöglich einfach niedergemetzelt würde. Oder würde Ägypten wie die Nachbarländer in eine römische Provinz verwandelt und glimpflich davonkommen und alles wieder wie vorher sein? Man hortete Nahrung, verfaßte Testamente, versöhnte sich mit Feinden und schrieb Abschiedsbriefe an Freunde und Verwandte außerhalb des Landes. Und man wartete.

Kleopatra schaute aus dem Fenster auf den großen Leuchtturm von Alexandria. Sie erinnerte sich daran, wie Caesar damals Achillas' Truppen herausgefordert hatte, als diese sich dort verschanzt hatten. Es kam ihr vor, als sei es erst gestern gewesen, wenngleich inzwischen doch schon so viele Jahre verstrichen waren und sich ihr Leben dem Ende näherte.

Wie schnell alles vergangen war! Gib mir die Zeit zurück, Isis. Laß mich das Leben noch einmal beginnen! Kleopatra spürte, daß Mardian sie beobachtete, wandte sich vom Fenster ab und sagte scheinbar unbefangen: »Wie es scheint, hat Antonius das weltliche Vergnügen wiederentdeckt, das ihm so teuer gewesen ist.«

»Den Wein und das Weib«, pflichtete Mardian ihr bei.

Kleopatra lächelte. »So ist es.«

»Doch beides hält ihn nicht davon ab, Octavian heimlich Botschaften übermitteln zu lassen.«

Ihr Lächeln erstarb. »Wissen deine Spitzel, was sie enthalten?«

Mardian schüttelte den Kopf.

»Glaubst du, daß er mich verrät?«

»Es ist möglich. Seinen Freunden erzählt er jedenfalls, daß er sich nach Athen zurückziehen will, um seine restlichen Tage als Landedelmann zu beschließen.«

»Als Landedelmann«, murmelte Kleopatra. Wie unglaubwürdig für die, die ihn kannten! Octavian würde ihm das niemals abnehmen, und selbst wenn, würde er es nicht zulassen. Er hatte sich in der Vergangenheit als gnadenlos erwiesen, und sie bezweifelte, daß sich daran etwas ändern würde, wenn es um seinen ärgsten Widersacher ging.

»Und was wird aus uns, Majestät?«

Kleopatra fühlte sich mit einemmal sehr müde. »Wir werden Octavian noch einmal einen Handel anbieten. Setze einen Brief an ihn auf, Mardian, mit den üblichen Formulierungen. Schreibe ihm, daß ich abdanken und in die Verbannung ziehen werde, so er es wünscht. Darüber hinaus erhält er das königliche Vermögen, das seine Erwartungen bei weitem übertreffen wird. Als Gegenleistung ernennt er Caesarion zu meinem Nachfolger. Wenn er sich weigert, werde ich mich und auch mein Vermögen zerstören, und er verliert das, wonach er strebt.«

Mardian sah von der Wachstafel hoch, auf die er ihre Anweisungen notiert hatte. Er wirkte bestürzt. »Ist das Euer Ernst, Majestät?«

»Ja, Mardian.«

»Aber das könnt Ihr nicht tun!«

»Octavian will den königlichen Schatz mehr als alles andere. Er wird verhandeln, wenn er befürchten muß, ihn zu verlieren.«

»Und wenn er es nicht tut?«

»Es ist der größte Schatz jenseits von Babylon. Er wird verhandeln!«

»Ihr dürft nicht den Ausweg der Römer wählen, Majestät! Das lasse ich nicht zu!«

Kleopatra lächelte. »Deine Sorge rührt mich, Mardian, doch du überschätzt deine Kompetenzen. Ich bitte keinen Menschen um Erlaubnis - nicht einmal meinen alten Lehrer. Du hast mir die letzten Befehle erteilt, als ich vierzehn war, und daran wird sich nichts mehr ändern.«